Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 31.1921

DOI issue:
Heft 4
DOI article:
Rüttenauer, Benno: Das Hündchen Kors und Napoleon der Große
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26485#0185

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Das Hündchen Kors und Napoleon der Große.

Pantoffel und Troddel fahren, in seine schwarzen Punkt-
augen trat ein feindliches Funkeln, und er bleckte die
Jahne, und knurrte, knurrte ganz laut und vernehmlich,
als wenn es sich in dem Gespräch der andern nicht etwa
um das grausame Schicksal der tugendhaften Kaiserin
Josephine, sondern um sein eigenes gehandelt hätte.
Damit bewies er, daß es ihm leider nicht nur an politi-
schem Sinn, sondern auch an höfischer Sitte bedenklich
fehlte, und so wird sich niemand wundern, daß nun wirk-
lich sein eigenes tragifches Schicksal bereits wie ein Ge-
spenst sein Haupt vor uns emporreckt.
„Ich bitte Eure Heiligkeit dringend," hatte Napoleon
eines Tages unwirsch hervorgestoßen, „mir das nächste
Mal die Gegenwart dieses knurrenden Hundes zu er-
sparen."
Aber, wie schon angedeutet, in der verehrungswürdi-
gen Person des Papstes wohnte hart neben bedauerlicher
Schwäche eine greisenhafte Eigensinnigkeit, und der-
selbe Mann, der dem entsetzlichen Korsen Zugeständnisse
gemacht hatte, die über Jeit und Ewigkeit hin für die
ganze Welt von unendlicher Wichtigkeit scheinen konnten,
er brachte es nicht über sich, dem Kaiser in dieser Kleinig-
keit zu Willen zu handeln; denn das Schicksal des kleinen
Hundes Kors stand ebenso unverrückbar in den Sternen
geschrieben wie das des gewaltigen Imperators selber
und aller Sterblichen.
Und es sollte sich nur allzubald erfüllen. Die Ge-
schichte hat es nicht für unwürdig befunden, das Datum
des Tages aufzubewahren, es war der 17. Oktober des
Jahres^1812.
Vorher hatte, früher als sonst, ein herbstliches Regen-
wetter gewaltet, und der Papst war an die zehn Tage
nicht an die freie Luft gekommen, wie er es doch, trotz
seines Alters, immer noch liebte. Nur mit seinen Augen
durch die trüben Fenster hatte er täglich den Park ab-
gewandert, wo es von dem rostbraunen Laub der Bäume
trostlos niedertropfte auf die infolge des schlechten
Wetters ungepflegten Wege. Aber an dem genannten
Siebzehnten war bereits in der Frühe an einem dunkel-
blauen Himmel die langentbehrtc Sonne golden auf-
gegangen; auch die Wege hatte man früh von dem ab-
gefallenen Laub allenthalben gesäubert, und der Papst
hatte nach seinem Frühstück in guter Stimmung die lang-
entbehrte Wanderung im Freien angetreten, wie immer
in der gewohnten Gesellschaft, worunter der kleine Kors
keineswegs die unwichtigste Person für ihn bedeutete.
Da sein Herr selber nicht unheiter dreinblickte — er hatte
an die drei Wochen den Kaiser nicht gesehen und ibn
darum fast ein wenig vergessen —, gab sich Freund Kors
seinerseits die Alleen entlang mit Hin- und Herrennen
geradezu einer tollen Ausgelassenheit bin. Er mußte
sich doch entschädigen für die Entbehrungen der trüben
Tage, wo die Korridore und Galerien des Schlosses nur
einen schlechten Ersatz geboten für ein Ergehen unter
sonnendurchleuchteten Hcrbstbäumen oder an blumigen
Beeten vorbei, an denen man immer noch, wenn man
Glück hatte, einen gaukelnden goldenen Falter aufstöbern
konnte, den man zwar niemals erhaschte, der aber einem
doch, wenn man ein kleiner Kors war, kein kleines Ver-
gnügen machte. Wirklich war auch heut der Tag gar zu gol-
dig, und daß es sein letzter sei, konnte Kors ja nicht ahnen.

Auch den Papst hatte es gereizt, seinen Gang weiter
als gewöhnlich auszudehnen, und als er dann nach einer
guten Stunde in das Schloß zurückkchrte und so wie er-
ging und stand, mit dem weiten roten Mantel über der
wcißen Soutane, sein Arbeitsgemach betrat, fühlte er-
sieh plötzlich schwach werden und sank dann, wirklich sehr
crschöpft, in seinen Sessel vor dem Arbeitstisch. Er hatte
immer noch den roten Mantcl um, den er sonst nur im
Freien zu tragön pflegte, denn es fröstelte ihn jetzt ein
wenig, und nur den roten Hut mit mannigfach ver-
knoteten Schnüren (womit sonst auch die Kardinäle ab-
gebildet zu werden pflegen) hatte er vor sich auf den
Tisch gesetzt. Der kleine Kors stand in einigem Abstand
vom Sessel und sah etwas ratlos zu seinem erschöpften
Herrn auf, der sich innerlich gerade sagte, daß er sich wohl
zur Ruhe begeben müsse, denn er fühlte kaum noch die
Kraft, sich aufrechtzuhalten.
In diesem Augenblick wurde wie von einem Sturm-
wind die Tür aufgerissen, und da stand der Kaiser.
Nicht mit der Reitpeitsche just, aber doch gestiefelt und
gespornt. Ohne sich anmelden zu lassen, ohne den
zeremoniellen Vorschritt des Kardinal-Staatssekretärs
war er eingedrungen — wie ein Soldat, der er ja vor-
allem war, in eine Kneipe in Feindesland. Selbst der
kleine Kors war darüber so erschrocken, daß er diesmal
das Kläffen vergaß und es scheinen konnte, daß er sich
ernstlich ein besseres Betragen vorgenommcn habe. Das
arme Tierchen sah aus seinen kleinen schwarzen Äuglein
nur wie in sinnloser Angst nach dem kleinen und dick-
bäuchigen Soldaten, dessen hohe und breite Stirn über
dem blassen und etwas fettlichen Gcsicht durch eine schräg
vorliegende Haarsträhne wie in zwei Hälften auseinander-
geschnitten schien. Der Papst aber, statt sich wie sonst
zum Gruß zu erheben, lehnte sich nur in seinem Sessel
stolz zurück, und ganz erfüllt in diesem Augenblick von
der hohen Würde, die er vertrat, maß er stumm, und mit
einem hoheitsvollcn fragenden Blick, die kurze stämmige
Person des Weltherrschers.
Man weiß, daß Napoleon sich nicht leicht von etwas
imponieren ließ, zum wenigsten nicht so, daß dies äußer-
lich zum Ausdruck gekommen wäre. Wie standen nun
aber heut die Dinge? Offenbar so, daß der Kaiser, der
cs mit seiner Sache sehr dringend und eilig batte, den
Papst recht zu verblüffen und damit auf dem kürzesten
Weg sein Iicl zu erreichen gedachte. Er hatte aber dies-
mal falsch gerechnet. Und er erkannte dies sofort, denn
er wußte im menschlichen Antlitz zu lesen wie kaum einer.
Aber nun galt es, zu retten, was zu retten sein mochte,
und er begann, ein wahrhaft seltener Fall bei ihm, mit
einer Entschuldigung.
„Allerheiligster Vater," sprach er, indem er sich, seine
Rechte im Ausschnitt seines grünen Soldatenrocks, in
respektvollem Abstand hielt, „ich bitte Eure Heiligkeit um
Verzeihung über meinen rücksichtslosen Einbruch. Die
Dringlichkeit der Sache wird mich entschuldigen. Ich bin ge-
kommen, um aus Eurer Heiligkeit eigenem Munde zu bören,
ob Dieselbe, wie ich mir schmeichle annehmen zu dürfen,
sich nachträglich entschlossen habe, die Versammlung des
französischen Episkopats, die auf den 20. kmius zusammen-
treten wird, in eigener Person zu eröffnen zur Berubi-
gung des Reichs und zur Wohlfahrt der Kirche selber."

175
 
Annotationen