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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 16.1925

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1. Heft
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Gori, Gino Paolo: Einführung zu "Maschinenangst" von Ruggero Vasari
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Vasari, Ruggero: Fragmente aus Maschinenangst: Tragische Synthese aus drei Bildern
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https://doi.org/10.11588/diglit.47215#0014

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symbolischen und synthetischen Formen auf.
Unter den Personen befindet sich ein gewisser
Bogo, der seine Maschine im Innern einer
Kabine bewachen muß. Er ist vom Dichter
als Wesen zwischen Mensch und Marionette
oder Mensch und Maschine gedacht. Die
Idelson fügt zu der herrschenden Note des
Mechanismus in diesem Wesen die der
Menschlichkeit. Dagegen sind die Kostüme
der zur Maschine Verurteilten aus Metall,
aus hartem farbigen Karton oder aus steifem
Leder.
Das Material Stoff, das schon menschlich
ist, erscheint in dem Kostüm Bogos, des
Kabinenmanns, um die Bewegung zu er-
leichtern und dem menschlichen Körper Gel-
tung zu gestatten. Dann ist da der Tele-
graphenmensch, der die drei Despoten mit der
mechanischen und mechanisierten Welt ver-
bindet. Er und der Mann aus der Kabine,
eine menschliche Seele, die in ihrem Gefäng-
nis leidet, tragen über ihren menschlichen
Kleidern wie einen tragischen Scherz Käfige
von Metall.
Andere Personen, wie Bacal und Singar, die
sich freiwillig mechanisiert haben und die
Tat darstellen, tragen Kostüme, die entfernt
an moderne Sportkleidung oder Uniformen er-
innern, bei denen ja bereits eine mechanisti-
sche Note auf menschlichem Grunde sich
findet.
Tonkir indessen, der der schöpferische Ge-
danke ist, spiegelt sich natürlich als Indi-
viduum auf der Szene in einer symbolischen
Form wieder, als Person kaum mehr existie-
rend, ein moderner Asket, ein blutarmer
Denker, gequält von seiner menschlichen
Seele. Ihn kleidet die Idelson in ein mecha-
nisiertes Pyjama. Eine Intuition, die voll-
ständig mit den Augenblicken harmoniert,
in denen er auf der Szene erscheint, also,
wenn im Drama das Intime hervortritt und
sich die Beziehung zwischen Individuum und
Maschine löst.
Lipa dagegen, die Menschlichkeit, die er-
lesene Weiblichkeit, wird durch ihr Kostüm
betont, das sie als Angehörige einer wirk-
lichen lebendigen Welt von Fleisch und Blut
erkennen läßt.
So hat die Idelson in letzter Zeit eine Per-
sönlichkeit zu erkennen gegeben, die nicht
nur ein Beweis ihres Talents ist, sondern auch
eine Kontinuität der Tradition russischer
Bühnenbildkunst aufzeigt, bei der man mit

Neuerungen begann, die den Charakter der
Vereinfachung und des Spieles farhiger Lich-
ter hatte, und in den letzten Jahren in Mani-
festationen ausläuft, die futuristischen Cha-
rakter angenommen haben. Aber eines Futu-
rismus, der den praktischen Forderungen, der
Bühne Rechnung trägt und gleichzeitig denen
des guten Geschmacks.
Aus dem Werk „La Scenografia“,
Verlag A, Stock, Rom.
Gino Gori

Fragmente aus Maschinenangst
Ruggero Vasari
Tragische Synthese in drei Bildern
Deutsch von Lilly Nevinny
Erstes Bild
Maschinenreich
Eine Ecke der Luftzentrale.
Radiokabine.
ObeneinTürmchenmitAntennen
Beim Aufgehen des Vorhangs ein
schreibenderMann in der Kab ine.
Nach einer Weile unterbricht er
seine Arbeit und tritt an die
Brustwehr.
Kabinenmann
Die Luft erzittert heute Nacht von seltsamen
Geräuschen. Unheilvoll tönen sie an mein
Ohr. Als peitschte ... weit.., weit... im
Fernen ... ein Geierschwarm mit Gellgeläch-
ter den Aether.
(Er drückt auf einen Knopf.)
Bogo (erscheint)
Daß dich die allmächtige Maschine zer-
schmettre! Nicht eine Sekunde gönnst du
mir Ruh.
Kabinenmann
Ich wache. Nur wer die Nacht durchwacht,
kann seine Seele an dieser göttlichen Musik
berauschen. Die Motore singen. Die Maschi-
nen beben. Da unten, in den Schmelzwerken,
fressen die mächtigen Stampfhämmer, das
Feuer der aufrührischen Metalle.
Bogo
Berausche deine Seele, so viel du willst, doch
störe mich nicht in meiner Ruhe ...
Kabinenmann
Rüttle deine eingeschläferten Nerven auf.

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