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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 16.1925

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11./12. Heft
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Ring, Thomas: Der Goethemensch
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Mette, Alexander: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.47215#0222

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Jeder Autotyp, jedes Ideeselbst ist praktischen
Bedürfnissen angepaßt in mehreren Linien der
Richtungsabsicht seiner Benutzung zugäng-
lich, und die allgemeine Währung setzt die
Verpflichtung des Einzelnen fest. Keine von
der Bewußtseinskontrolle geknipste Forde-
rung gilt zweimal, wenn man nicht mogelt.
Noch jeder Zauberlehrling wurde aber vom
Besen beherrscht und ersehnt die Rückkehr
des Meisters, daß er dem Pinsel eins aus-
wische. Daher die vielen Meister der Gegen-
wart vom indischen Bindedraht Tagore bis
zum deutschen Starkbier Häußer. In dieser
Vorfrühlings Verfassung der Ideen knebelt der
Scheuertrog der Realwelt nach seinem Er-
messen Wasser auf die Stufen „nur für Herr-
schaften“. Wen das Leben nicht packt, daß
er den eignen Bannspruch findet, der jagt als
Papagei fremden Geplappers im Haus umher.
Die Maschine mechanisiert den zugelaufnen
Finder, der den Erfinderlohn des Suchens
durch angelernte Sprüche verscherzt.
In dem seit Bestehen der Menschheit kreisen-
den Verkehr hat plötzlich ein Mitfahrer
namens Urgoetz das Phänomen entdeckt,
das zwischen Maschinenzwang verschiedner
Formen wählen darf und die Freiheit hat,
Zwangsmaschinen nach eignem Belieben zu
bauen. Er wurde deshalb der Götze der
Deutschen, die gern eine alte Katze im neuen
Sack kaufen. Die Nichtmaschine oder Per-
sönlichkeit wurde bereits in Griechenland zur
besseren Durchführung des Krieges zwischen
Athen und Sparta oder zur Gründung des
Europäertums erfunden, von Petrarka, einem
Chauffeur der Omnibuslinie „Sexualidee“ neu
angekurbelt und nach ihrer Einführung im
Norden von dem Kulturadvokaten Winkel-
mann etwas eintönig lackiert. So fand der
Urgötz Deutschlands ein fertiges System vor,
das, in neugotischer Farbenpracht und mit sei-
nem Namen versehen, aus den Expressions-
Explosionen des Seelenbenzins der gemäßig-
ten Zone einen Fahrtrekord aufstellen mußte,
der sich im Herzen Europas festbiß. Frei-
fahrten der Väter werden manchmal erst im
vierten oder fünften Glied bezahlt. So muß
zur Kostendeckung des inneren Aufwands an
gebildeter Plüschausstattung das deutsche
Herz bei jeder ähnlichen Ausfahrt noch des
Rekordmanns gedenken und in stiller Kurbe-
lung rasch eine Wegkurve des unvergeß-
lichen Lebenswegs berühren. Ehret eure Mei-

ster und wenn sie Wilhelm heißen. Die Garage
Weimar wird zum Museum umgebaut und im
Nachschlagebuch jedes Gehirnspinds sind
Auerbachs Kellerasseln, Götzens Einladung
an die Umwelt, Gretchens Schönheitsmittel,
der ewig weibliche Lift, Hermanns ungekoste-
tes Familienglück, Faust’s Seelenzwielicht,
Tassos versalzene Lorbeersuppe, Egmonts
gedämpfter Trommelgang und andre Aus-
blicke gotischer Innenschaufenster in unver-
wüstlichen Klischees eingebrannt.
Nur diese Nation konnte den Buchdruck er-
finden, um Autoritäten aus Papiersärgen zu
zitieren und die Bleichsucht eigner Lebens-
tänze durch Erhitzung um gekalkte Vorbilder
in Kontrast zu heben. Der Goethemensch ist
gegen Nachahmung durch andre Nationen
gesetzlich geschützt.
Thomas Ring


Gedichte
Porträt H« Sp*
Umottert spell
Kopf rosa zart pastell
und kneife Augen
kniff kneift kneif der Mund
und spell das Haar fluh ätherblond versprengt
versprengt der Blick
versprengt und hell der Blick
versprengt verspringt der Kopf
breit und versprengt der Kopf
und wölber Schädel warmlichtrot spreng in
den Aether spreng versprengt
sprüht Blitz
versprüht in nerve Blitze
strohhellverklirrt
knirr kneif Geknister nervig ätherhell und
blondverblichen kniff.
Möven
Die schlage Litze Welle säumt und kämmt
falltauch hinüber
weiß zerbricht der Raum
und
schwebe gleite Leiber stehn die Luft
und schwarze bohre maske Blicke Schnäbel
Hälse dröhn und drehn.
Alexander Mette

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