der Jugendzeit in Greifswald, wo sich die Kon-
sistorialräte und Pensionsinhaberinnen an guter
Musik ergötzen. Künstler und Künstlerinnen
sind immer romantisch. Da ist auch jener edle
Mann mit der Bartmischung zwischen Christus
und Fliegendem Holländer. Und das blond-
ondulierte Mädchen mit Dut, Kindeslächeln und
Frauenreife. Und der Kunstmaler mit der Kunst-
palette. Und der missliebige jüdische Baron,
den das Gold adelt und der den Adel vergoldet.
Und der alte Junggeselle als junger Altgeselle,
der in den Dut verliebt ist. Ferner sind alle
Vögel schon da, die Mutter Natur, das Grauen
der Nacht, die Nacht des Grauens. Text und
Musik von Ferruccio Busoni. Er ruht auf dem
städtischen Friedhof und seine Werke folgen
ihm nach. Die Städtische Oper erfüllt die be-
kannte Ehrenpflicht, weil ihr amtlich nichts Bes-
seres bekannt ist. Dem Pianisten Busoni ist
kein menschlicher Komponist fremd geblieben
und er hat sie ohne seine Art verwendet. Durch
E. T. A. Hoffmann angeregt, hat er die gesamte
bessere Musik phantastisch-komisch und komisch-
phantasielos durcheinander geschrieben. Inder
dritten Szene gibt es ein Feuerwerk auf der
Bühne, das allgemein freudig auf fällt. In den
weiteren fünf Szenen ereignet sich nichts mehr.
Das Orchester der Städtischen Oper wird von der
Berufsfeuerwehrgestellt. Sänger und Sängerinnen
singen anstandslos mit jenem Anstand, der sich
für ein amtliches Unternehmen geziemt. Von
dem Dichter Busoni eine Probe:
Ein gutes Bild, ein Kunstwerk!
Ganz nach dem Leben von histor’scher
Wahrheit!
Die mir dazu riet, Albertine,
Sie hat fürwahr die richt’ge Spürnase!
In der Friedrichstadt aber zwitschert der Blaue
Vogel aus Rußland. Das ist, vielleicht, keine
Kunst.
Herwarth Walden
Gedichte
Rudolf Schmitt Sulzthal
Die Geier haben ihren Raub davongetragen,
auf dem schroffen Felsgrat schimmern noch
einige
weiße
Flöckchen . . .
ein Greis kommt, hebt sie hoch und läßt sie am
Himmel den Mördern nachjagen
schwarz und groß.
Für den toten Freund
Aus schwarzem Wald schreit dein Antlitz auf
>
weisser See zerrissen von wildem Stein,
eingebrochen in die lichte Wiese einer mond-
beschneeten Stirne.
Die zerschmetterte Hand kann keinen Stern
halten,
das Auge wird nie von den düsteren Schatten
befreit
und die Nebel immer über die klaren Wasser
keuchen.
Ich kann nicht die löschende Flamme deinem
Herzen entzünden
oder die Nacht über die verlassenen Schultern
senken,
dein Mund nahm mir nicht die Schuld von
der erstorbenen Jugend.
Zerbrechen mir auch die Tränen,
dein Schweigen brennt über mich
und wird den Weg erwintern.
Unsere liebeszerlichtet Nacht
Silberlachen schüttet die weissen Blütenzweige
deines Herzens,
flamme Monde stürzen jauchzend über meinen
dunklen Scheitel,
Goldnetz deiner Arme glühtwirr Blut entleuchtet!
Ich trinke die rote Seligkeit deiner tauübersegneten
Lippen,
Nacht deiner im schwarzen Feuer auflodernden
Lavaglutaugen
zersingt der meerumbrennten Stirne blauen
Dämmer brausend!
Unsere Seelen sind himmelzerglänzendes Geist-
Licht,
unsere Küsse sind strahlennachtgefunkelzer-
sprühende Sterndiamanten,
die Allerglitzernd unser Sonnen-Sein umtanzen!
In uns stürzt Sonnenwein betrunken Gott,
wir halten ihn im roten Feuergraben unsres
Gipfelflammensturms,
wir sinken hoch auf blauen Türmen sternen-
glockenläutender Erdglücklich keit.
O lodert Augen, blühend schwarze Nächte,
entbrennt aus weissen Meeren, dunkle Sonnen
brauset, glutet, stürzet,
Haare bräunet Gold, erflammet, leuchtet über
Gischten lichter Mädchenkörper
Sterne meiner Brust zerglühet nachtverworren
175
sistorialräte und Pensionsinhaberinnen an guter
Musik ergötzen. Künstler und Künstlerinnen
sind immer romantisch. Da ist auch jener edle
Mann mit der Bartmischung zwischen Christus
und Fliegendem Holländer. Und das blond-
ondulierte Mädchen mit Dut, Kindeslächeln und
Frauenreife. Und der Kunstmaler mit der Kunst-
palette. Und der missliebige jüdische Baron,
den das Gold adelt und der den Adel vergoldet.
Und der alte Junggeselle als junger Altgeselle,
der in den Dut verliebt ist. Ferner sind alle
Vögel schon da, die Mutter Natur, das Grauen
der Nacht, die Nacht des Grauens. Text und
Musik von Ferruccio Busoni. Er ruht auf dem
städtischen Friedhof und seine Werke folgen
ihm nach. Die Städtische Oper erfüllt die be-
kannte Ehrenpflicht, weil ihr amtlich nichts Bes-
seres bekannt ist. Dem Pianisten Busoni ist
kein menschlicher Komponist fremd geblieben
und er hat sie ohne seine Art verwendet. Durch
E. T. A. Hoffmann angeregt, hat er die gesamte
bessere Musik phantastisch-komisch und komisch-
phantasielos durcheinander geschrieben. Inder
dritten Szene gibt es ein Feuerwerk auf der
Bühne, das allgemein freudig auf fällt. In den
weiteren fünf Szenen ereignet sich nichts mehr.
Das Orchester der Städtischen Oper wird von der
Berufsfeuerwehrgestellt. Sänger und Sängerinnen
singen anstandslos mit jenem Anstand, der sich
für ein amtliches Unternehmen geziemt. Von
dem Dichter Busoni eine Probe:
Ein gutes Bild, ein Kunstwerk!
Ganz nach dem Leben von histor’scher
Wahrheit!
Die mir dazu riet, Albertine,
Sie hat fürwahr die richt’ge Spürnase!
In der Friedrichstadt aber zwitschert der Blaue
Vogel aus Rußland. Das ist, vielleicht, keine
Kunst.
Herwarth Walden
Gedichte
Rudolf Schmitt Sulzthal
Die Geier haben ihren Raub davongetragen,
auf dem schroffen Felsgrat schimmern noch
einige
weiße
Flöckchen . . .
ein Greis kommt, hebt sie hoch und läßt sie am
Himmel den Mördern nachjagen
schwarz und groß.
Für den toten Freund
Aus schwarzem Wald schreit dein Antlitz auf
>
weisser See zerrissen von wildem Stein,
eingebrochen in die lichte Wiese einer mond-
beschneeten Stirne.
Die zerschmetterte Hand kann keinen Stern
halten,
das Auge wird nie von den düsteren Schatten
befreit
und die Nebel immer über die klaren Wasser
keuchen.
Ich kann nicht die löschende Flamme deinem
Herzen entzünden
oder die Nacht über die verlassenen Schultern
senken,
dein Mund nahm mir nicht die Schuld von
der erstorbenen Jugend.
Zerbrechen mir auch die Tränen,
dein Schweigen brennt über mich
und wird den Weg erwintern.
Unsere liebeszerlichtet Nacht
Silberlachen schüttet die weissen Blütenzweige
deines Herzens,
flamme Monde stürzen jauchzend über meinen
dunklen Scheitel,
Goldnetz deiner Arme glühtwirr Blut entleuchtet!
Ich trinke die rote Seligkeit deiner tauübersegneten
Lippen,
Nacht deiner im schwarzen Feuer auflodernden
Lavaglutaugen
zersingt der meerumbrennten Stirne blauen
Dämmer brausend!
Unsere Seelen sind himmelzerglänzendes Geist-
Licht,
unsere Küsse sind strahlennachtgefunkelzer-
sprühende Sterndiamanten,
die Allerglitzernd unser Sonnen-Sein umtanzen!
In uns stürzt Sonnenwein betrunken Gott,
wir halten ihn im roten Feuergraben unsres
Gipfelflammensturms,
wir sinken hoch auf blauen Türmen sternen-
glockenläutender Erdglücklich keit.
O lodert Augen, blühend schwarze Nächte,
entbrennt aus weissen Meeren, dunkle Sonnen
brauset, glutet, stürzet,
Haare bräunet Gold, erflammet, leuchtet über
Gischten lichter Mädchenkörper
Sterne meiner Brust zerglühet nachtverworren
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