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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 16.1925

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5. Heft
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Schreyer, Lothar: Liebe Gartenlaube!
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Blümner, Rudolf: An Adolf Behne
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Liebmann, Kurt: Vive la bagatelle!: Wider Dr. Adolf Behne
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https://doi.org/10.11588/diglit.47215#0100

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Kunstsch—sch—schriftsteller aussöhnen. Ich
denke an das alte Ludwig-Richter-Häuschen
in Loschwitz, wo wir als Kinder oft mit dem
Kätzchen und den Spatzen spielten. Es ist
gewiß wieder ein Kätzchen dort. Und die
Spatzen sowieso.
Nun wirst Du vielleicht meine Gedichte
drucken. Und ich werde von den Bürgern
und Sozialisten gelesen werden. Endlich!
Endlich werden die vielen Deutschen, diese
geliebten Barbaren meine Stimme hören.
Bin ich wirklich schon so einfach, daß sie mich
hören können? Dann habe ich ein Ziel er-
reicht, das alle Beschimpfungen durch die
K—K—K—Kunstsch—sch—schriftsteller auf-
wiegt. Gewiß soll der Mensch keine Be-
schimpfungen verachten. Der Misthaufen ist
sehr nützlich. Aber er stinkt. Doch in der
Gartenlaube, da ist das Liebespärchen zu
Haus. Und wo die Liebe ist, ist immer die
Wahrheit, wenn auch auf dem Misthaufen
die Gurken noch so groß wachsen. Gurken
haben kurze Beine. Wenn der Sturm weht,
so erhebt sich der Gestank zornig vom Mist-
beet, weil er gestört wird. Aber in der
Gartenlaube kuscheln sich die Liebespärchen
zusammen und halten sich die Näschen zu.
Willst Du meine Gedichte haben? Vielleicht
liebt mich das ganze unkluge Volk. Und viel-
leicht schenkt es mir eine Gartenlaube. Dann
habe ich ein kleines Zuhause und kann mir
unbeobachtet die Nase zuhalten. Und die
Liebespärchen will ich nicht stören. Ich will
ihnen ein Lied singen.
Die klugen Leute werden meinen, ich spotte ,
und mache mich lustig. Aber es ist mein
Ernst. Glaube mir!
Dein
Lothar Schreyer

An Adolf Behne
Wir wollen deutsch reden. Per me si va,
Sowas besitzen wir leider in Deutschland
nicht. Tralala perdutta gente. Ubi Behne,
ibi tralala. Que diable allait-il faire sur
cette galere? Sowas besitzen wir leider in
Deutschland nicht (etwas für Sie). Who are
you? So lesen wir, so lesen wir, so lesen wir
alle Tage tschechoslowakisch, polakisch und
ungrakisch. Nur was er nicht verstehen
kann, sieht Behne für ein Kunstwerk an.

Herzliche Grüße von Kauder. English Beef-
steak eß ieh gern, o yes, yes, yes, yes, yes (aus
der Gartenlaube). Deri, Westheim und Servaes
nennen Schwitters Werke den sauren Kitsch.
Malvolio sagt zu den Gedichten Schreyers
Gartenlaube und wird voll und ganz Kollege.
Ißt Du John, sie auch so gern? O yes, yes,
yes, yes, yes. Kannitverstan heißt auf deutsch
Intensität. Leider gibt es sowas in Deutsch-
land nicht. Man spricht deutsch und wird
deutsch angespokt. Leider besitzen wir so
etwas in Deutschland. Malvolio schreibt
nicht gegen den Sturm wider besseres Wissen
und Gewissen, Leider besitzt er das in
Deutschland nicht. Aber er lobt wider
besseres Nichtwissen. Daß ich mich noch
grade recht erinnere: Neulich sah ich in einem
Welshrarebit eine Figura, hmm, eine Figura!
Wie gut, daß wir sowas schon von Wauer be-
sitzen. Praved si alte complicatiuni. Auf
deutsch: Prosit, Sie alter Komplimenten-
macher, Wider besseres Nicht-Wissen. Oder,
wie Ihr Leibblatt Pasmo schreibt: Hnotu
jadra mozno. Hinaus jeder Miesmacher.
Immer fleißig Pasmo lesen, junger mozno. Es
bildet sich ein Talent ein, fleißig in fremden
Blättern zu lesen: Potz verreckte Chaib!
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Sie das Recht, Ihre Photographie gratis zu
veröffentlichen. Das wäre der Gipfel des
Kunstschaffens und der Intensität. Das wäre
mal was Unbegreifliches. Denn was sogar der
Behne begeifert, das wird als Gartenlaube
begreifert (aus der Gartenlaube). Und merke
Dir: 1. Kunst und Nicht-Kunst sehen sich oft
so ähnlich, wie ein Kritiker dem anderen.
2. Mit dem Hute auf dem Kopf kommt man
durch jede Ausstellung. 3. Ohne Wissen —
wider besseres Nicht-Wissen — mit Beißen
— ohne Gewissensbisse, aber gewiß wieder
gebissen von
Rudolf Blümmer
Vive la bagatelle!
Wider Dr. Adolf Behne
Ich preise dich, großer Feuergott des Lichtes
und der Nacht. Denn deine Rache ist
schweigend und tief, wie die Sterne, die du
kreist, wie die Feuerrhythmen, die du durch
die Künstler und Former der Erde sprichst.
Denn die mit frechen Händen dich betasten,

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