Nach seinem Referat also meldete sich zum
Worte Hans Döskopp, von Beifallstrampeln
begrüßt, denn er hatte schon eine gewisse
Berühmtheit erlangt im „saudummen Frage-
stellen“. Sie müssen sich vorstellen, meine
werten Hörer, daß mindestens ebenso wichtig
wie die kluge Antwort, also das Niveau, die
saudumme Frage war, wenn sich der Frager
auch dabei blamierte.
Womit wollte man sonst Niveau messen? Sie
war so notwendig wie der bekannte Platin-
Meterstock in Paris seinerzeit. Auch dieser
Platinstock mit Zentimeter-Gravierung ist ein
kostbares Denkmal jenes Bildungsfimmels.
Durch Jahrzehnte lange Aufmessung unserer
Erde, und unter unglaublich komplizierten
Berechnungen hatte man ihn hergestellt, an-
statt einfach nach Uebereinkommen ein
x-beliebiges Maß in Platin zu kratzen.
Herr Meeresspiegel Hans Döskopp begehrte
also vom Referenten zu wissen, was „aktive
Handelsbilanz“ sei. Wörtlich sagte er: „Alle
Leute wüßten es heute oder gäben sich den
Anschein zu wissen, aber alle Auskünfte
hierüber genügten ihm nicht. Man hätte ihm
z. B. gesagt, ein Land müsse, um zu einer akti-
ven Handelsbilanz zu kommen, mehr v e r -
als einkaufen, sonst geriete es in Schulden,
was man dann passive Handelsbilanz nenne.
Er gäbe zu, daß sein Volk, das Volk der Dich-
ter und Denker, ein außergewöhnlich kluges
Volk sei und auf aktive Handelsbilanz achte,
aber im Laufe der Jahre würden die anderen
Völker doch einmal ebenso klug werden, und
dann würde z. B. das eine sagen „Nu, wollen’s
se kaufen schöne Baumwolle für’n Dollar? Nu,
wird sagen das andere, werd’ ich kaufen
Baumwolle für einen Dollar, wenn se kaufen
schöne Maßanzüge für zwei Dollar! Wird
sagen, das erste: Nu, werd ich kaufen Maß-
anzüge für zwei Dollar, wenn se kaufen Baum-
wolle für vier Dollar!“
Diese Frage Hans Döskopps stellte einen
Dämlichkeits-Rekord dar! An diesem Mee-
resspiegel-Horizont war wirklich kein Hoff-
nungsland zu entdecken. Wie gletscherhaft
hoch mußte sich nach solcher Frage das
Niveau des Referenten zeigen, denn schon
damals waren die dümmsten Fragen am
schwersten zu beantworten.
„Ich muß zur Bibel greifen“, sagte lächelnd
der Referent, „um mich Ihnen auch nur eini-
germaßen verständlich zu machen.“
Das war den National-Oekonomen damaliger
Zeit überhaupt schwer, weil ihre Darlegungen
zumeist aus Gleichungen mit Unbekannten
bestanden, mitunter sehr großen Unbekann-
ten, und, trotz des gewaltigen Bildungs-
niveaus damals, war Mathematik schon vor
tausend Jahren schrecklich unbeliebt.
Kain, fuhr der Redner fort, war ja nach dem
bekannten Morde an seinem guten Bruder
Abel auch der einzige aktive Mensch auf
Erden und ging doch auch zu anderen
Menschen. Hier verzeichnet das Protokoll
eine brausende Beifallsdemonstration, die den
Riedner buchstäblich am Weitersprechen hin-
derte. Er hatte wirklich „Niveau“ gezeigt,
und errang denn auch in seiner Person sofort
den Finanzministergrad, ohne erst die Schutz-
hütte des Abgeordneten zu benutzen. Es war
aber auch der berühmte Währungs-Ingenieur
Schacht, dem die billionenmalige Teilung einer
Goldmark und die Umformung der Billion-
Goldatome zu einem Papierblatt von 69 qcm
Größe gelungen war, die man Rentenmark
genannt hat, weil sie ihren Erfindern nam-
hafte Renten gebracht hatte. Diese Papier-
Rentenmark verhielt sich bei der Goldprobe
wie echtes Edelmetall.
Leider ist sein Verfahren mit ihm zu Kremato-
rium gegangen. Nur seine ökonomische Ant-
wort ist uns in diesem Dokument als ein kost-
bares Denkmal überliefert.
Als Denkmal einer Zeit, in der es noch wirk-
liche geborene, geradezu erdhaft-urwüchsige
Idioten gab.
Meine Damen und Herren! Der Vortrag des
Herrn Oberstudienrat Professor Doktor Vier-
stein ist beendet. Auf Wiederhören am näch-
sten Sturmabend. Wir geben Ihnen wie üblich
die genaue Zeit an: Es war das Jahr 1925.
Walter Krug
Seestück
Anfangs war der Dampfer zu klein. Aber bald
schon ersoffen alle Seekranken. Sie hatten
sich über ihre Gerbmägen weg über Steuer-
bord geschwelgt. Der Kapitän spuckte nach
Lee und schnallte den Eimer vor. Ihm konnte
es also gleich sein.
Es war ein sogenannter Drei-Rad-Dampfer.
Wenn man die Notbremse scharf anzog, fuhr
er sofort seitwärts.
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Worte Hans Döskopp, von Beifallstrampeln
begrüßt, denn er hatte schon eine gewisse
Berühmtheit erlangt im „saudummen Frage-
stellen“. Sie müssen sich vorstellen, meine
werten Hörer, daß mindestens ebenso wichtig
wie die kluge Antwort, also das Niveau, die
saudumme Frage war, wenn sich der Frager
auch dabei blamierte.
Womit wollte man sonst Niveau messen? Sie
war so notwendig wie der bekannte Platin-
Meterstock in Paris seinerzeit. Auch dieser
Platinstock mit Zentimeter-Gravierung ist ein
kostbares Denkmal jenes Bildungsfimmels.
Durch Jahrzehnte lange Aufmessung unserer
Erde, und unter unglaublich komplizierten
Berechnungen hatte man ihn hergestellt, an-
statt einfach nach Uebereinkommen ein
x-beliebiges Maß in Platin zu kratzen.
Herr Meeresspiegel Hans Döskopp begehrte
also vom Referenten zu wissen, was „aktive
Handelsbilanz“ sei. Wörtlich sagte er: „Alle
Leute wüßten es heute oder gäben sich den
Anschein zu wissen, aber alle Auskünfte
hierüber genügten ihm nicht. Man hätte ihm
z. B. gesagt, ein Land müsse, um zu einer akti-
ven Handelsbilanz zu kommen, mehr v e r -
als einkaufen, sonst geriete es in Schulden,
was man dann passive Handelsbilanz nenne.
Er gäbe zu, daß sein Volk, das Volk der Dich-
ter und Denker, ein außergewöhnlich kluges
Volk sei und auf aktive Handelsbilanz achte,
aber im Laufe der Jahre würden die anderen
Völker doch einmal ebenso klug werden, und
dann würde z. B. das eine sagen „Nu, wollen’s
se kaufen schöne Baumwolle für’n Dollar? Nu,
wird sagen das andere, werd’ ich kaufen
Baumwolle für einen Dollar, wenn se kaufen
schöne Maßanzüge für zwei Dollar! Wird
sagen, das erste: Nu, werd ich kaufen Maß-
anzüge für zwei Dollar, wenn se kaufen Baum-
wolle für vier Dollar!“
Diese Frage Hans Döskopps stellte einen
Dämlichkeits-Rekord dar! An diesem Mee-
resspiegel-Horizont war wirklich kein Hoff-
nungsland zu entdecken. Wie gletscherhaft
hoch mußte sich nach solcher Frage das
Niveau des Referenten zeigen, denn schon
damals waren die dümmsten Fragen am
schwersten zu beantworten.
„Ich muß zur Bibel greifen“, sagte lächelnd
der Referent, „um mich Ihnen auch nur eini-
germaßen verständlich zu machen.“
Das war den National-Oekonomen damaliger
Zeit überhaupt schwer, weil ihre Darlegungen
zumeist aus Gleichungen mit Unbekannten
bestanden, mitunter sehr großen Unbekann-
ten, und, trotz des gewaltigen Bildungs-
niveaus damals, war Mathematik schon vor
tausend Jahren schrecklich unbeliebt.
Kain, fuhr der Redner fort, war ja nach dem
bekannten Morde an seinem guten Bruder
Abel auch der einzige aktive Mensch auf
Erden und ging doch auch zu anderen
Menschen. Hier verzeichnet das Protokoll
eine brausende Beifallsdemonstration, die den
Riedner buchstäblich am Weitersprechen hin-
derte. Er hatte wirklich „Niveau“ gezeigt,
und errang denn auch in seiner Person sofort
den Finanzministergrad, ohne erst die Schutz-
hütte des Abgeordneten zu benutzen. Es war
aber auch der berühmte Währungs-Ingenieur
Schacht, dem die billionenmalige Teilung einer
Goldmark und die Umformung der Billion-
Goldatome zu einem Papierblatt von 69 qcm
Größe gelungen war, die man Rentenmark
genannt hat, weil sie ihren Erfindern nam-
hafte Renten gebracht hatte. Diese Papier-
Rentenmark verhielt sich bei der Goldprobe
wie echtes Edelmetall.
Leider ist sein Verfahren mit ihm zu Kremato-
rium gegangen. Nur seine ökonomische Ant-
wort ist uns in diesem Dokument als ein kost-
bares Denkmal überliefert.
Als Denkmal einer Zeit, in der es noch wirk-
liche geborene, geradezu erdhaft-urwüchsige
Idioten gab.
Meine Damen und Herren! Der Vortrag des
Herrn Oberstudienrat Professor Doktor Vier-
stein ist beendet. Auf Wiederhören am näch-
sten Sturmabend. Wir geben Ihnen wie üblich
die genaue Zeit an: Es war das Jahr 1925.
Walter Krug
Seestück
Anfangs war der Dampfer zu klein. Aber bald
schon ersoffen alle Seekranken. Sie hatten
sich über ihre Gerbmägen weg über Steuer-
bord geschwelgt. Der Kapitän spuckte nach
Lee und schnallte den Eimer vor. Ihm konnte
es also gleich sein.
Es war ein sogenannter Drei-Rad-Dampfer.
Wenn man die Notbremse scharf anzog, fuhr
er sofort seitwärts.
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