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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 16.1925

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1. Heft
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Walden, Herwarth: Städtebildchen: IV. Kopenhagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47215#0028

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Lokomotive mit eitel Gold um den Hals,
nimmt die Reste der deutschen Reichsbahn
freundlichst hinter sich und fährt über Butter-
boden nach Kopenhagen,
Kopenhagen ist in Deutschland dadurch
bestens bekannt geworden, daß in dieser
Stadt der bestbekannte Bildhauer Thörwald-
sen mit Originalschkulpturen vertreten ist,
die durch ihre Fähigkeit, sich in beliebigen
Exemplaren durch Porzellan verbreiten zu
lassen, Dänemark den Ruf einer Kulturnation
gebracht haben, beinahe, als obste Deutsch-
land heißt. Wir unsererseits haben bekannt-
lich den Michel Angelo aus Italien in Gips an-
nektiert. Die Deutschen hingegen tun in
Kopenhagen bekanntlich bedeutend den Mund
auf, wie Goethe sagt, den wir als unser Eigen-
gewächs ansprechen können, um mich immer
mal wieder der gepflegten Sprache zu be-
dienen. Wovon soll ich denn satt sein, ich
fand doch nicht ein Blättlein (in der Mitropa
nämlich), mäh, mäh, mäh. So klagt der
deutsche Kindermund, Ich, trotz allen Ab-
leugnungen Autorität, habe es aus Kinder-
mund gehört. Und Kinder sprechen noch
mehr Wahrheiten als Narren, Plötzlich gibt
es Butter, Die Deutschen haben Butter auf
dem Kopfe, Oder sie mit Löffeln gefressen.
Daß sie sie auf dem Kopfe haben, ist ein
Zeichen dafür, daß die deutsche Butter un-
gesund ist, Anderenfalls kann man etwas
Besseres damit anfangen. Daß man sie in
Deutschland mit Löffeln fressen kann, kommt
daher, daß sie hierzulande in einem gleichsam
flüssigen Zustande verabfolgt wird. Nun wen-
den der deutsche Gesandte, Thomas Mann
und, nach nicht nachprüfbaren Zeugenaus-
sagen, Kierkegaard ein, daß Butter kein Geist
ist. Dafür ist aber auch Geist nicht Butter.
Es fragt sich, oder vielmehr es fragt sich
nicht, was besser zu verdauen ist. Verdauung
ist aber eine nur menschliche Eigenschaft,
aus der sich göttliche Nationen nichts zu
machen brauchen. Weil sie eben göttlich,
oder zum mindesten goethisch sind. Jeden-
falls ist Butter kein Einwand gegen Geist,
Geist aber ein Vorwand ohne Butter, Um
diesen Schwierigkeiten ethischer Art zu ent-
gehen, hat man die Butter einfach in Däne-
mark umgetauft und sie Smör genannt. Was
der Butter nicht recht ist, ist die Smör billig.
Andere Leute lesen allerdings Romane von
S. Fischer lieber, an dem sich kein Meer
befindet, Hierüber ließen sich nun psycho-

logische und psychoanalytische Anmerkungen
schreiben, soweit man kein Blättlein hat, mäh,
mäh, mäh, mäh. Aus Blättlein aber entstehen
Romane von Thomas Mann und Marga-
rine, mäh, mäh, mäh. Worauf man in Deutsch-
land die Geistesnahrung erfunden hat. Die
ungeistige deutsche Bevölkerung ernährt sich
von den Kartoffeln, die sich in Dänemark als
Viehfutter nicht verwenden lassen. Warum
soll man sich seinen Magen verschmieren.
Die deutsche Butter ist eine Liebesgabe für
Eheleute, Die dänische Butter eine Ehegabe
für Liebesleute. Ueber Geschmacklosigkeit
ist nicht zu streiten, Kierkegaard soll das Ver-
dienstkreuz für Handel und Seefahrt erhalten.
Ueber Butter läßt sich nicht streiten. Geistig
gedacht soll ihrer werden.
Herwarth Walden

An unsere Abonnenten und
Leser
Der Verlag und die Redaktion haben sich ent-
schlossen, die Zeitschrift „Der Sturm“ wie-
der, wie in früheren Jahren, als Monatschrift
erscheinen zu lassen. Den Vorzügen einer
Vierteljahrschrift, die eine Veröffentlichung
umfangreicher Arbeiten ermöglichte, stehen
vielfache Nachteile gegenüber. Wir und un-
sere Leser haben im Laufe des vergangenen
Jahres immer lebhafter das Bedürfnis emp-
funden, miteinander häufiger in Beziehung
zu treten, als nur von Vierteljahr zu Viertel-
jahr. Die Lebhaftigkeit und Raschheit der
Entwicklung, die in der neuen Kunst heute so
erheblich ist wie einst, verlangt doch eine
schnellere und häufigere Gelegenheit, als sie
eine Vierteljahrschrift geben kann. Insbeson-
dere steht sie der Verwertung des rein Ak-
tuellen immer hindernd im Wege. Die im ver-
gangenen Jahr erschienenen Monatsberichte
konnten für einen solchen Mangel keinen ge-
nügenden Ersatz bieten.
Wir bitten unsere Abonnenten und Leser, das
späte Erscheinen des Januarheftes mit der
geänderten Erscheinungsform zu entschuldi-
gen, Das Februarheft wird bald folgen. Die
weiteren Hefte werden den Abonnenten bis
zum 10. eines jeden Monats zugehen.
Die Bezugspreise der1 Monatschrift Der Sturm
sind aus einer besonderen Anzeige ersichtlich.
Der Verlag und die Redaktion
Der Sturm

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