quem, mit raffinierter Schaustellung ihrer
Reize und vor allem mit den Heimlichkeiten
des Flirts den Mann so gefügig zu machen,
daß er als „Firma“ eingefangen werden kann
und nicht zu riskieren, daß er seine hoch-
gespannte Libido bei der Prostituierten ent-
lädt. Und es wäre noch viel bequemer, in aller
Geschlechtlichkeit eine Stümperin zu sein
und dem Mann es als Verworfenheit anzu-
rechnen, daß er die Sexualkunst der Dirne in
Anspruch nimmt. Wie oft hat diese und jene
Ehefrau, die nur dasteht und klagt, durch ihre
geschlechtliche Dürftigkeit den gutgewillten
Mann dem gescheiten Schoß der Dirne zu-
getrieben, denn wie hätte sonst der arme
Teufel sich zu helfen gewußt!
Bei Gott, wie oft gerät denn so richtig ein
bürgerlicher oder kleinbürgerlicher Coitus?
Ist denn dieses öde Getue nicht meistens
allergröbste Täuschung? Und hat man dafür
nicht das unheimliche Wort von den „ehe-
lichen Pflichten“ erfunden? Es ist erstaunlich,
daß nicht mehr Frauen ihren Männern und
nicht mehr Männer ihren Frauen weglaufen.
Der Mann ist jedenfalls besser dran, denn
bei der Dirne weiß er was er hat.
Lassen wir doch diese verfluchte Heuchelei
beiseite. Seien wir unter Männern — ganz
unter uns — doch einmal offen und gestehen
wir: Wer hat nicht bei der Dirne geschlafen
oder wer hat nicht bei ihr schlafen wollen
und ist nur durch allerlei unkontrollierbare
Hemmungen davon abgehalten worden? Und
wer hat dann noch ein Recht, sie in philiströ-
ser Selbtsgefälligkeit zu schmähen ? Es gibt
Ausnahmen; ich kenne sie wohl. Das sind
die großen Keuschen, die ganz Reinen, die
Erlösten, die Fleiligen, die außerhalb des
Jahrhunderts leben. Denen fehlt dann auch
das Verständnis der heutigen Welt, weil diese
ohne die Ergründung, ohne eine freimütige
Psychologie des Dirnentums nicht verstan-
den werden kann. Und der Welt, der heuti-
gen und der vergangenen, fehlt auch das
Verständnis für diese Reinen, denn von jeher
wurden sie verstoßen und ans Kreuz ge-
schlagen. Unter ihnen war der Nazarener,
der seine göttliche Hand verzeihungsvoll
über die Dirnen ausstreckte und das Wort
prägte, das über jedem Freudenhaus' stehen
sollte: „Wer ohne Schuld ist, werfe den
ersten Stein auf sie.“
7
Die Zusammenhänge der Zivilisation mit dem
Dirnentum einmal genau, vorurteilslos, kul-
turpsychologisch zu ergründen: wo ist der
Mann, der das wagt? Er müßte durch die
strenge Schule Nietzsches gegangen sein und
dabei viel erlebt, gelebt, mit den armen, ver-
achteten und den reichen, befehlerischen Dir-
nen gelebt haben. Sollen wir auf ihn war-
ten? Er wird vielleicht nie geboren.
Je mehr wir in der Zivilisation voranschrei-
ten — man merke sich, daß ich nicht von Kul-
tur, sondern von Zivilisation spreche — um
so weitschichtiger, hilfsmittelreicher, vielge-
staltiger und auch prunkvoller wird die Pro-
stitution, um so mehr verfilzt sie sich mit
dem, was wir in so geschmackloser und
wahrheitswidriger Weise „die Errungen-
schaften des menschlichen Geistes“ nennen.
Der Bau der Luxuskraftwagen steht zu einem
großen Teil im Dienst des offenen und ver-
kappten Dirnentums, und die moderne
Hydrotherapie ist ein beliebtes Aushänge-
schild für feinere Bordelle.
8
Der Typus der Dirne ist gewiß kein ethischer
Typus. So sicher es ein Zeichen von Kultur
ist, das Vergnügen zu verfeinern, und so
wenig wir uns darüber ärgern dürfen, daß
diese Verfeinerung sich in die Lasterhaftig-
keit hinein verzweigt, die Menschen, die ihr
Geld damit verdienen, indem sie ihren Geist
oder ihren Leib in den Dienst des Vergnügens
stellen, sind meist unvornehme Naturen. Es
gelingt der Dirne auch selten, vornehm zu
sein, dann freilich ist sie von einer hoch-
interessanten Vornehmheit. Lassen wir da-
her das Ethos und jeden soziologisch-ethi-
schen Maßstab beiseite. Aber wir Männer
sollen doch der Frau nicht vor werf en, daß sie
ihre Sinne verkauft, denn sie begeht dadurch
einen an und für sich sittlich gleichgültigen
Akt. Die Männer habens weiter gebracht;
sie haben den Typus des Zuhälters heraus-
gebildet. Und da fällt dem Ethiker die Wahl
nicht schwer, zwischen dem armen Luder,
das den Hemdzins in den Seidenstrumpf
steckt und dem Helden, der im fahlen Mor-
genlicht den Strumpf umdreht und das sauer
verdiente Geld versäuft und verspielt.
Schweigt, ihr sonderbaren Herren der Schöp-
fung : sie tun es und ihr nehmt ihnen das Bar-
geld ab.
128
Reize und vor allem mit den Heimlichkeiten
des Flirts den Mann so gefügig zu machen,
daß er als „Firma“ eingefangen werden kann
und nicht zu riskieren, daß er seine hoch-
gespannte Libido bei der Prostituierten ent-
lädt. Und es wäre noch viel bequemer, in aller
Geschlechtlichkeit eine Stümperin zu sein
und dem Mann es als Verworfenheit anzu-
rechnen, daß er die Sexualkunst der Dirne in
Anspruch nimmt. Wie oft hat diese und jene
Ehefrau, die nur dasteht und klagt, durch ihre
geschlechtliche Dürftigkeit den gutgewillten
Mann dem gescheiten Schoß der Dirne zu-
getrieben, denn wie hätte sonst der arme
Teufel sich zu helfen gewußt!
Bei Gott, wie oft gerät denn so richtig ein
bürgerlicher oder kleinbürgerlicher Coitus?
Ist denn dieses öde Getue nicht meistens
allergröbste Täuschung? Und hat man dafür
nicht das unheimliche Wort von den „ehe-
lichen Pflichten“ erfunden? Es ist erstaunlich,
daß nicht mehr Frauen ihren Männern und
nicht mehr Männer ihren Frauen weglaufen.
Der Mann ist jedenfalls besser dran, denn
bei der Dirne weiß er was er hat.
Lassen wir doch diese verfluchte Heuchelei
beiseite. Seien wir unter Männern — ganz
unter uns — doch einmal offen und gestehen
wir: Wer hat nicht bei der Dirne geschlafen
oder wer hat nicht bei ihr schlafen wollen
und ist nur durch allerlei unkontrollierbare
Hemmungen davon abgehalten worden? Und
wer hat dann noch ein Recht, sie in philiströ-
ser Selbtsgefälligkeit zu schmähen ? Es gibt
Ausnahmen; ich kenne sie wohl. Das sind
die großen Keuschen, die ganz Reinen, die
Erlösten, die Fleiligen, die außerhalb des
Jahrhunderts leben. Denen fehlt dann auch
das Verständnis der heutigen Welt, weil diese
ohne die Ergründung, ohne eine freimütige
Psychologie des Dirnentums nicht verstan-
den werden kann. Und der Welt, der heuti-
gen und der vergangenen, fehlt auch das
Verständnis für diese Reinen, denn von jeher
wurden sie verstoßen und ans Kreuz ge-
schlagen. Unter ihnen war der Nazarener,
der seine göttliche Hand verzeihungsvoll
über die Dirnen ausstreckte und das Wort
prägte, das über jedem Freudenhaus' stehen
sollte: „Wer ohne Schuld ist, werfe den
ersten Stein auf sie.“
7
Die Zusammenhänge der Zivilisation mit dem
Dirnentum einmal genau, vorurteilslos, kul-
turpsychologisch zu ergründen: wo ist der
Mann, der das wagt? Er müßte durch die
strenge Schule Nietzsches gegangen sein und
dabei viel erlebt, gelebt, mit den armen, ver-
achteten und den reichen, befehlerischen Dir-
nen gelebt haben. Sollen wir auf ihn war-
ten? Er wird vielleicht nie geboren.
Je mehr wir in der Zivilisation voranschrei-
ten — man merke sich, daß ich nicht von Kul-
tur, sondern von Zivilisation spreche — um
so weitschichtiger, hilfsmittelreicher, vielge-
staltiger und auch prunkvoller wird die Pro-
stitution, um so mehr verfilzt sie sich mit
dem, was wir in so geschmackloser und
wahrheitswidriger Weise „die Errungen-
schaften des menschlichen Geistes“ nennen.
Der Bau der Luxuskraftwagen steht zu einem
großen Teil im Dienst des offenen und ver-
kappten Dirnentums, und die moderne
Hydrotherapie ist ein beliebtes Aushänge-
schild für feinere Bordelle.
8
Der Typus der Dirne ist gewiß kein ethischer
Typus. So sicher es ein Zeichen von Kultur
ist, das Vergnügen zu verfeinern, und so
wenig wir uns darüber ärgern dürfen, daß
diese Verfeinerung sich in die Lasterhaftig-
keit hinein verzweigt, die Menschen, die ihr
Geld damit verdienen, indem sie ihren Geist
oder ihren Leib in den Dienst des Vergnügens
stellen, sind meist unvornehme Naturen. Es
gelingt der Dirne auch selten, vornehm zu
sein, dann freilich ist sie von einer hoch-
interessanten Vornehmheit. Lassen wir da-
her das Ethos und jeden soziologisch-ethi-
schen Maßstab beiseite. Aber wir Männer
sollen doch der Frau nicht vor werf en, daß sie
ihre Sinne verkauft, denn sie begeht dadurch
einen an und für sich sittlich gleichgültigen
Akt. Die Männer habens weiter gebracht;
sie haben den Typus des Zuhälters heraus-
gebildet. Und da fällt dem Ethiker die Wahl
nicht schwer, zwischen dem armen Luder,
das den Hemdzins in den Seidenstrumpf
steckt und dem Helden, der im fahlen Mor-
genlicht den Strumpf umdreht und das sauer
verdiente Geld versäuft und verspielt.
Schweigt, ihr sonderbaren Herren der Schöp-
fung : sie tun es und ihr nehmt ihnen das Bar-
geld ab.
128