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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 16.1925

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10. Heft
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Walden, Herwarth: Steuerliches
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https://doi.org/10.11588/diglit.47215#0204

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druck hin, Ausdruck her, der Ausdruck ist es,
der mich zurückhält. Es sind sogar Ausdrücke,
Ausdrücke, die die vorgesetzten Behörden
anzuwenden belieben, wenn sie den Nachge-
setzten zu einer spontanen Zahlungstätigkeit
anzueifern wünschen. Es sind die Steuern der
Wahrheit. Nur ein Ausdruck ist ziemlich klar
und allgemeinverständlich, „daß mir (uns) be-
kannt ist, daß die Voranmeldung als Steuer-
klärung im Sinne der Reichsabgabenordnung
gilt und ich (wir) hiermit versichere (n), die
vorstehenden Angaben unter Berücksichti-
gung der nachstehenden Erläuterungen nach
bestem Wissen und Gewissen gemacht zu
haben.“ Das ist ein schlichter Ausdruck der
vorgesetzten Behörde. Der. Sinn der Reichs-
abgabenordnung ist mir zwar bisher ver-
schlossen geblieben, aber man kann ja schließ-
lich die nachstehenden Erläuterungen berück-
sichtigen, um sein Wissen und gleichsam sein
Gewissen zu machen oder gemacht zu haben,
wenigstens in Bezug auf die vorstehenden An-
gaben. In Bezug scheint mir schon ein Schritt
in jene Ausdrucksphären zu sein, in die sich
die Behörden unentschlossen verschlossen
haben. Als ich meine Augen auf die nach-
stehenden Erläuterungen schweifen ließ, und
als ich den Entschluß gefaßt hatte, sie mir zu
eigen zu machen, konnte ich nicht anders, als
die calendae graecae auf meinen Schreibtisch
zu stellen, wo Rosen stehen müßten. Da ich
mir aber mein ungeschorenes Gewissen Vor-
behalten wollte, bat ich eine welterfahrene
Dame zu mir, um gemeinsam mit ihr nach
bestem Wissen und Gewissen zu verfahren.
Damen wissen mit dem Geld, und um so etwas
scheint es sich zu handeln, im allgemeinen
besser Bescheid. Sie haben meistens einen
’ Haushalt zu führen, während die Behörden
nur einen Staatshaushalt führen, mit dem be-
kanntlich niemals Staat zu machen ist. Die
Dame setzte sich zu mir, selbstverständlich in
dem gebührenden Abstand, sodaß ich immer-
hin ihr Profil ad calendas graecas betrachten
konnte. Profil ist allerdings wieder ein Aus-
druck, der aber nicht unter die Reichsangaben-
abordnung fällt. Ich machte die Dame mit
dem Ernst ihres Besuches bekannt und bat sie,
mich so sachlich bleiben zu lassen, wie es die
vorstehenden Angaben unter Berücksichti-
gung der nachstehenden Erläuterungen erfor-
derlich scheinen lassen. Die Dame war zum
Glück sowieso sachlich im Wissen zugänglich
und ich schlug deshalb vor, uns durch die sinn¬

fälligen Beispiele gleich in das Wissen und
Gewissen der Voranmeldung als Steuer-
erklärung einzuleben. Selbstverständlich
unter Ausschluß jedweden Lebens. Hören
Sie, meine Dame Komma sagte ich und ich
mußte unmittelbar, ich könnte fast sagen
nolens volens, an unseren lieben Fünfziger
Thomas Mann denken, so fein kam mir dieser
beinahe behördliche Satz vor, hören Sie Kom-
ma meine Dame, jenes Beispiel: „Ein verhei-
rateter kaufmännischer Angestellter mit zwei
minderjährigen Kindern bezieht im Kalender-
jahr 1925 ein monatliches Gehalt von 600 RM.“
„Bei welcher Firma“, fragte die welterfahrene
Dame. Ein monatliches Gehalt von 600 RM.
Nun die Herren auf dem Finanzamt haben es
dazu. Wenigstens das Papier ist geduldig.
Auch das behördliche. Und wie romantisch.
Dieser Angestellte verdient nur 600 RM,
das reicht kaum für die Schlagsahne. Und
wenn man mit einiger Phantasie annehmen
wollte, daß das eine minderjährige Ge-
schöpf womöglich ein Mädchen ist, das wo-
möglich seine Augen zu einem Hänger aus
Crepe de chine erhebt, doch bleiben wir bei
der Reichsgabenanabordnung. „Er hat im
zweiten Kalendervierteljahr 1925 eine ein-
malige Abschlußgratifikation von 6000 RM. er-
halten.“ Ein Beispiel des Unternehmer-
wuchers. Der Mann gibt zwar eine Gratifi-
kation von 6000 RM., läßt sich aber dafür
gleich den Abschluß quittieren. Nun, die
Finanzämter kennen das Unternehmertum.
Bis hierin ist die Sache mit Ausnahme der Zah-
lung durchaus verständlich. „Dann unterlie-
gen der Vorauszahlung (wach auf mein Sinn
und Herze, die welterfahrene Dame hat wirk-
lich ein schönes Profil, man könnte auch sagen
lieblich) für das zweite Kalenderviertel-
jahr 1925 3 X 600 RM. = 1800 RM.
+ 6000 „
zusammen 7800 RM.
Hiervon ist der steuerfreie
Lohnbetrag mit 200 „
abzuziehen. Die Vorauszahlung_
ist also zu berechnen von 7600 RM.
Warum ist das obengenannte Gehalt nun Lohn
geworden? Arbeit ist doch der Mühe Lohn,
Gehalt macht aber mehr Arbeit. Zweihundert
Mark sind offenbar durch den Sinn der Reichs-
abgabenanordnung stuerfrei. Das kann man
zwar nicht wissen, aber sich denken. Fest
steht, daß die Vorauszahlung zu berechnen ist.

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