gleichfalls in den Dachspeicher. Kasematt je-
doch, der seit diesem Spuk einen außerordent-
lich unruhigen Schlaf vollführte, er ver-
brauchte während zweier Nachtstunden mehr
Schnarch als ein reaktionärer Abgeordneter in
sämtlichen Tagungen eines ganzen Jahres.
Kasematt hatte sich inzwischen angewöhnt,
seine vorlaute Bettlägrigkeit durch kleine
nächtliche Spaziergänge auf den knirschenden
Pappdächern der benachbarten Häuser zu
hintergehen. Es war eine glasklare
Frostnacht im Januar vorigen Jahres, mit
blauem Vollmondgesang über allen Antennen,
die Schornsteine hatten zwerghafte Riesen-
gebirge und richtige Schneekoppen auf ihre
Rußränder getürmt, und Kasematt, der abge-
härtete Peripatetiker, was auf deutschplatt
soviel wie Wandervogel bedeutet, erging sich
fürbaß und barfuß im Dachschnee und schaute
mit vergnügten Sinnen auf sein besterntes
Nachthemd hin.
Plötzlich, er traute seinen Hühneraugen kaum,
bolzte er mit einer großen Zehe gegen eine ge-
öffnete Dachluke. „Fuß und Co.“ fluchte er,
„seit wann öffnet sich mein eigenes Boden-
fenster von selber!“ Und ehe er noch begin-
nen konnte, dieses neue mechanische Wunder
zu untersuchen, erblickte er etwa zehn Schritte
vor sich seine drei schlauen Flötbesen auf dem
Dache. Sie bewegten sich in aller Gemüts-
ruhe, ganz parallel und diszipliniert, wie es
eben klassenbewußte Besen zu tun pflegen,
denen der bessere Mensch die Flötentöne bei-
gebracht hat. „Hol mich die Feuerwehr, das
muß man gesehen haben,“ flüsterte sich Kase-
matt in den Bart.
„Heda! Hallo! Schtopp! “ kommandierte er
in die Winterfrische.
Die drei Ausreißer erschraken, sahen sich ver-
dutzt um und erstarrten hastdunichtgesehen
zu Blitzableitern. Ganz charakterfest stan-
den sie mimikry auf dem Boden ihrer
Gesinnung, die Haarkästen bei Fuß, die
Zierichte mit Strippen oben im Raum. Was
nun. Kasematt hastete in seine Wohnung,
flitzte in die Hosen und schoß treppab zum
nächsten Feuermelder . . . Alarm, Dachstuhl
Hindernisstraße acht!!!“
Keuchend stürmte er zum Dach hinauf und
fand die Gefechtslage unverändert. Da nahte
ein Geklingel, und, je näher es kam, desto
rascher senkten die drei Besen die Köpfe, bis
sie, elegant und ohne der; üblichen Knall, flach
hinschlugen. Als die mechanische Leiter des
Automobillöschzuges gleich einem empörten
Gewissen der Ordnung über der Dachrinne
erschien, waren die drei Schlauköpfe wieder
in der Dachluke verschwunden, die sich höh-
nisch schloß und den Genossen Kasematt der
gefoppten Feuerwehr überließ. Der Brand-
inspektor Marske backpfeifte ihn mit dem
Beil und schmiß ihn kurzentschlossen über
das Hauptgesims. Er sah noch die ganze
Fassade an sich hochschießen und paukte mit
dem Kopf in das Sprungtuch. Als er nach
vier Wochen im Irrenhause aus der Ohnmacht
fiel, erfuhr er, daß er zu lebenslänglichem
Zuchthaus wegen Brandstiftung in Tateinheit
mit Beamtenbeleidigung verdonnert worden
war. Berufung ausgeschlossen.
Das sind lehrreiche Erfahrungen eines Erfin-
ders.
Der Dezernent Bierfreund fügt hinzu: „Um
ähnliche Vorkommnisse in Zukunft zu verhin-
dern, wird den Besitzern von Flötbesen und
Fagottschrubbern die Verpflichtung auferlegL
sich nachts einen sogenannten Aufsichtrat mit
Mauserpistole und Kontrolluhr zu halten. Die-
ser ist gedungen, vom Beginn der Dunkelheit
bis zum Sonnenaufgang alle zehn Minuten mit
seinem klappernden Schlüsselbein durch die
stille Nacht, heilige Nacht zu gehen, einen
Schreckschuß abzufeuern und die Kontroll-
ziffer zu stechen, ohne mit der Wimper zu
zucken. Bei klarem Wetter genügt ein tauber
Nachtwächter, dem es keiner anmerkt.“
Soweit die Behörde.
Wir erfahren soeben, daß größere Haushalte,-
Hotels, Fahrstühle, Kirchen und andere Be-
dürfnisanstalten neuerdings wegen der dunk-
len Hautfarbe der Nacht pfiffige Schwarze an-
stellen, die leichter überraschend bald hier,,
bald dort sein können.
Der wachthabende OBER neben dem Rabbi-
ner kauert in diesem Falle am Hängeboden
und bläst den kleinsten Handfeger im Schlaf,
den putzigsten Rabitzwandfeger, der quer ge-
flötet wird, und in der feinsten Gesellschaft
plötzlich meisterhaft nonchalant aus der
Brusttasche gepflückt werden kann, um der
allergnädigsten Tischdame mit einem zarten
Menuett die Dampfnudeln vom Hals zu
bürsten.
Und endlich der Original-ES-Moll-Flöten-
handfeger, mit dem sogar der fettigste Voll-
bart chemisch gereinigt und dazu der entspre-
168
doch, der seit diesem Spuk einen außerordent-
lich unruhigen Schlaf vollführte, er ver-
brauchte während zweier Nachtstunden mehr
Schnarch als ein reaktionärer Abgeordneter in
sämtlichen Tagungen eines ganzen Jahres.
Kasematt hatte sich inzwischen angewöhnt,
seine vorlaute Bettlägrigkeit durch kleine
nächtliche Spaziergänge auf den knirschenden
Pappdächern der benachbarten Häuser zu
hintergehen. Es war eine glasklare
Frostnacht im Januar vorigen Jahres, mit
blauem Vollmondgesang über allen Antennen,
die Schornsteine hatten zwerghafte Riesen-
gebirge und richtige Schneekoppen auf ihre
Rußränder getürmt, und Kasematt, der abge-
härtete Peripatetiker, was auf deutschplatt
soviel wie Wandervogel bedeutet, erging sich
fürbaß und barfuß im Dachschnee und schaute
mit vergnügten Sinnen auf sein besterntes
Nachthemd hin.
Plötzlich, er traute seinen Hühneraugen kaum,
bolzte er mit einer großen Zehe gegen eine ge-
öffnete Dachluke. „Fuß und Co.“ fluchte er,
„seit wann öffnet sich mein eigenes Boden-
fenster von selber!“ Und ehe er noch begin-
nen konnte, dieses neue mechanische Wunder
zu untersuchen, erblickte er etwa zehn Schritte
vor sich seine drei schlauen Flötbesen auf dem
Dache. Sie bewegten sich in aller Gemüts-
ruhe, ganz parallel und diszipliniert, wie es
eben klassenbewußte Besen zu tun pflegen,
denen der bessere Mensch die Flötentöne bei-
gebracht hat. „Hol mich die Feuerwehr, das
muß man gesehen haben,“ flüsterte sich Kase-
matt in den Bart.
„Heda! Hallo! Schtopp! “ kommandierte er
in die Winterfrische.
Die drei Ausreißer erschraken, sahen sich ver-
dutzt um und erstarrten hastdunichtgesehen
zu Blitzableitern. Ganz charakterfest stan-
den sie mimikry auf dem Boden ihrer
Gesinnung, die Haarkästen bei Fuß, die
Zierichte mit Strippen oben im Raum. Was
nun. Kasematt hastete in seine Wohnung,
flitzte in die Hosen und schoß treppab zum
nächsten Feuermelder . . . Alarm, Dachstuhl
Hindernisstraße acht!!!“
Keuchend stürmte er zum Dach hinauf und
fand die Gefechtslage unverändert. Da nahte
ein Geklingel, und, je näher es kam, desto
rascher senkten die drei Besen die Köpfe, bis
sie, elegant und ohne der; üblichen Knall, flach
hinschlugen. Als die mechanische Leiter des
Automobillöschzuges gleich einem empörten
Gewissen der Ordnung über der Dachrinne
erschien, waren die drei Schlauköpfe wieder
in der Dachluke verschwunden, die sich höh-
nisch schloß und den Genossen Kasematt der
gefoppten Feuerwehr überließ. Der Brand-
inspektor Marske backpfeifte ihn mit dem
Beil und schmiß ihn kurzentschlossen über
das Hauptgesims. Er sah noch die ganze
Fassade an sich hochschießen und paukte mit
dem Kopf in das Sprungtuch. Als er nach
vier Wochen im Irrenhause aus der Ohnmacht
fiel, erfuhr er, daß er zu lebenslänglichem
Zuchthaus wegen Brandstiftung in Tateinheit
mit Beamtenbeleidigung verdonnert worden
war. Berufung ausgeschlossen.
Das sind lehrreiche Erfahrungen eines Erfin-
ders.
Der Dezernent Bierfreund fügt hinzu: „Um
ähnliche Vorkommnisse in Zukunft zu verhin-
dern, wird den Besitzern von Flötbesen und
Fagottschrubbern die Verpflichtung auferlegL
sich nachts einen sogenannten Aufsichtrat mit
Mauserpistole und Kontrolluhr zu halten. Die-
ser ist gedungen, vom Beginn der Dunkelheit
bis zum Sonnenaufgang alle zehn Minuten mit
seinem klappernden Schlüsselbein durch die
stille Nacht, heilige Nacht zu gehen, einen
Schreckschuß abzufeuern und die Kontroll-
ziffer zu stechen, ohne mit der Wimper zu
zucken. Bei klarem Wetter genügt ein tauber
Nachtwächter, dem es keiner anmerkt.“
Soweit die Behörde.
Wir erfahren soeben, daß größere Haushalte,-
Hotels, Fahrstühle, Kirchen und andere Be-
dürfnisanstalten neuerdings wegen der dunk-
len Hautfarbe der Nacht pfiffige Schwarze an-
stellen, die leichter überraschend bald hier,,
bald dort sein können.
Der wachthabende OBER neben dem Rabbi-
ner kauert in diesem Falle am Hängeboden
und bläst den kleinsten Handfeger im Schlaf,
den putzigsten Rabitzwandfeger, der quer ge-
flötet wird, und in der feinsten Gesellschaft
plötzlich meisterhaft nonchalant aus der
Brusttasche gepflückt werden kann, um der
allergnädigsten Tischdame mit einem zarten
Menuett die Dampfnudeln vom Hals zu
bürsten.
Und endlich der Original-ES-Moll-Flöten-
handfeger, mit dem sogar der fettigste Voll-
bart chemisch gereinigt und dazu der entspre-
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