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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 3): Über die höhere Baukunst — Tübingen, 1819

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https://doi.org/10.11588/diglit.6994#0152

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Sollen endlich im dritten Fall 2 , 3 oder mehrere Stockwerke über einander gelegt und diese mit eben so
vielen Säulenordnungen in der vordem Ansicht ausgestattet werden , so muss die dorische Säule das un-
terste Stockwerk', die jonische das zweite , und die corinthische das dritte , gemäss ihrer charakteristischen
Ordnung der Stärke , einnehmen. Sind es mehrere Stockwerke , so kann etwa das erste als ein Unter-
bau betrachtet, oder das untere und oberste Stockwerk mit veränderten dorischen und corinthischen Säu-
len versehen werden. Nimmt man übrigens bei solchen über einander gestellten Säulen die dorische
nach Vorschrift Tab. XXXIII Fig. 2 an , und gibt derselben 7 Theile und 3 Theile dem ganzen Haupt-
gesims , so beträgt die Höhe des Stockwerks 1 o Theile und die unterste Dicke der Säule ist Mc Wenn
man nun die darauf folgende jonische Ordnung weiter proportioniren will , so ist ihr unteres Maas der
obersten Dicke der dorischen Ordnung, welche sich von unten nach oben um l/>o verjüngt, gleich.
Stellt man in dieser Weise, noch ferner auf die jonischen Säulen corinthische , so erheben sie sich in eine
ununterbrochene Pyramidalform (siehe voriges Heft Tab. XXII. Fig. r1 und 2;1 ) wie Tab. XXXIII Fig. 1,
und erhalten zusammen eine Gestalt, die als ein Mauerwerk von gleicher Höhe und Dicke zu betrachten
ist. Wenn jedoch dergleichen Säulen auf einander gestellt werden , wie Fig. 2 Tab. XXXIII, so müssen
sie so viel möglich von ganzen Massen seyn, damit man nicht zu befürchten hat, dass sie über einander fallen;
ausserdem aber werden dergleichen kleine Säulen besser mit dem Mauerwerk in Verbindung gebracht, wie
beim Theater des Marcellus und beim Colossaeum Fig. 3 Tab. XXXIII zu sehen. Da übrigens ein Haus, wenn
es einen bestimmten Charakter hat, sein Inneres schon durch sein Aeusseres anzeigen soll, so muss billig jede
Etage auch mit einer besondern Säulenart versehen seyn, darum sollten die Säulen nicht über das erste Stock-
werk in das zweite laufen ; allein in gewissen Fällen sieht es auch kleinlich aus , wenn mehrere kleine
Säulenreihen über einander frei zu stehen kommen und mit keinem Mauerwerk als Halbsäulen verbunden
werden , indem durch die Uebereirtanderstellung der Säulen ein Schein von Gefahr in Beireff der Solidität
erregt wird. Allerdings lässt sich zwar durch mehrere zusammengestellte oder gekuppelte Säulen für das
Auge, die Solidität wieder herstellen, indessen ist dieses Hilfsmittel, welches sich die neuern Baumeister
sehr oft erlauben, kein Ersatz für die Wirkung, die durch eine einzige Masse von Säulen hervorgebracht
wird. Die Gothen , welche besonders den Steinbau analog mit der physischen Beschaffenheit der Materie
zu behandeln verstanden, und die erforderlichen Steinmassen meist durch mannichfaltige Gruppen von Säulen
und Pilastern etc. elegant, und für das Auge leichter zu gestalten suchten, umgingen diesen Vorwurf dadurch,
dass sie ein und mehrere Stockwerke hohe Säulen, je nach dem jedesmaligen Bedürfniss, an einander
setzten. Obwohl die griechische und römische Baukunst eine solche Vermischung nicht wohl leidet, so
kommt der Baumeister zu Zeiten doch in den Fall , eine ähnliche Zusammenstellung auch bei diesen Bau-
arten sich zu erlauben. So habeich z. B. in der hiesigen katholischen Kirche, wie Fig. 5 (a) Tab. XXXIII
zeigt, neben die Säulen einen kleinen Pilaster angebracht , um die Seiten-Emporbühnen , welche nur auf
der halben Höhe der Säule Statt haben sollten , darauf zu legen. Wie es scheint, so bedienten sich die
 
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