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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Oidtmann, Heinrich: Die alten Glasgemälde in der ehemaligen Burgkapelle, jetzigen Pfarrkirche zu Ehrenstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0054

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69

1896.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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deutlich erkennbar, dafs mehrere Ausbesserungen
mit der ursprünglichen Herstellung gleichaltrig
sind. Verschiedene Nothbleie sind gleich bei
der Anfertigung der Fenster oder beim Ein-
setzen gelegt worden. Man ersparte sich so die
Mühe, gebrochene Stücke neu zu malen und
zu brennen. Die übrigen plumpen Flickereien
aus dem XVIII. Jahrh. zeigen, dafs damals
selbst die „siechten glaser, die slechts glas-
werich arbaitend und gebrants werch nicht
kunnen", selten waren.

Das Glas, blos an wenigen Stellen seiner
Oberfläche von einer durch chemische Zer-
setzungen gebildeten Patina bedeckt, ist ver-
hältnifsmäfsig dünn, stellenweise 1 bis l1/i mm
dick, anderes l3/4, 2, 2'/2 bis 3 mm; im
übrigen zeigt dasselbe die charakteristischen
Eigenschaften seiner Zeit. Die Oberfläche ist
nur wenig von der Luft angegriffen, jedoch
an den Stellen, an welchen die Felder auf den
Quereisen ruhten, etwa 1 bis ll/2 mm tief aus-
gefressen ; sonst zeigen nur einige kleine Stück-
chen die Wirkungen athmosphärischer Ein-
güsse. Zwei Stücke rothen Glases sind wie vom
Wurm zerfressen, eine Erscheinung, welche man
sonst vielfach bei Blau findet. An den weifsen
Flügeln eines Helmschmuckes ist die Zeichnung
genau den Konturen entsprechend abgesprungen,
wobei soviel von der Oberfläche des Glases
mitgenommen wurde, dafs jene wie eingeätzt
erscheint. Diese Veränderung ist durch die
verschiedene Ausdehnungsfähigkeit von Glas
und Malfarbe bedingt; diegut eingebrannte Farbe
nahm die Oberfläche des weichen Glases beim
Abblättern mit. Uebrigens sind die Fenster
von einer leichten „Patina" überzogen, welche
lediglich aus Schmutz, Kitt und Rost besteht,
wodurch der Charakter des Alten noch mehr
gehoben wird. Leider müssen wir der Ver-
suchung widerstelien, uns über den Begriff
.latina" hier weiter zu verbreiten; diese viel
erörterte aber wenig verstandene Frage verlangt
emen besonderen Abschnitt. Einzelne Farben-
glaser waren durch Zersetzung der färbenden
Substanz gänzhch schwarz und undurchsichtig
geworden.

Das Glas ist auch nicht mit dem Diamant
geschnitten, sondern mit dem glühenden Eisen
gesprengt und mit dem Kröseleisen abgekniffen
ein Beweis dafür, dafs die Anwendung des
Diamanten sich selbst lange Zeit .nach der
Entdeckung seiner vorzüglichen Eigenschaften !

zum Glasschneiden noch nicht allgemein ein-
gebürgert hatte. Die beiden in den meisten
Büchern wiederholten Sagen, wonach die Er-
findung, den Diamanten zum Glasschneiden zu
benutzen, in die zweite Hälfte des XV. Jahrh.
oder in die erste Hälfte des XVI. Jahrh.
gesetzt wird, sind durch andere Nachrichten
überholt.2)

Während bei unseren Ehrensteiner Fenstern
einzelne Stücke sehr kunstvollen „Schnitt",
oder richtiger gesagt Bruch, zeigen, so zwei
ohne Naht in einem Wappenschilde eingebleite
Herzchen, ferner drei Kreuze in dem Quer-
balken eines Wappens, hat man sich andrer-
seits vielfach bei dem Glasschnitt gar nicht um
die Konturen gekümmert, sondern verschiedene
Theile zusammengelassen, wie dies in der
Technik jener Zeit allgemein üblich war. An
den Stellen, an denen Windruthen lagen, sind
die Gläser wagerecht durchtrennt.

Die Konturfarbe hat sich gut gehalten, nur
an wenigen Stellen geht dieselbe etwas ab.
Die Ueberzugsfarbe, von braunem Ton, ist ge-
stupft und hier und da, besonders bei den Ge-
sichtern und den Architekturen in den tiefen
Schatten auch von der Rückseite aufgetragen,
wobei die Lichter sorgfältig herausgeholt sind.
Bei einigen Gewandstücken ist ein leichter
Damast ebenfalls von der Rückseite aufgetragen.
Die Schattirung, in gewandter flotter Technik
durcli Schraffirung in gleichlaufenden und ge-
kreuzten Strichen hergestellt, verräth die sichere
Hand eines vollendeten Meisters. Silbergelb
ist nur mäfsig angewandt.

Die drei Chorfenster zeigen in Auffassung,
Zeichnung und Farbengebung grofse Ab-
weichungen, während die technische Behand-
lung so ziemlich die gleiche ist.

Die allgemeine Anordnung in den Fenstern
ist folgende. In den unteren Feldern kleine,
mit weifsen Randstreifen eingefafste Rauten,
über diesen Wappen; es folgen die Donatoren-
bilder, über welchen die Hauptdarstellungen
mehrere Felder einnehmen. Die obersten Ab-

2) Ohne die Richtigkeit der in den beiden Ueber-
lieferungen niedergelegten Thatsachen bezweifeln zu
wollen, sei hier mir festgestellt, dafs schon in einer
dem ersten Viertel, spätestens der ersten Hälfte des
XV. Jahrh. angehörigen Handschrift zu Bologna das
Schneiden mit dem Diamanten erwähnt wird, ganz
abgesehen von der Vorschrift des Heraclius, das Glas
mit einem harten Stein, Pyrit, zu schneiden, allerdings
unter Anwendung alchymistischen Beiwerks.
 
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