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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Goldschmidt, Adolph: Die Gregorsmesse in der Marienkirche in Lübeck
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0139

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Abhandlungen.

Die Greeorsmesse in

kirche in

der Marien-
Lübeck.

gewifs einer
Es hing in

Mit Lichtdruck (Tafel VII.)

nter den Sehenswürdig-
keiten der Lübecker Ma-
rienkirche entzog sich
bis vor Kurzem ein
Gemälde den Augen
vieler Besucher, das
gröfseren Beachtung werth war.
der meist verschlossenen Kapelle
unter der grofsen Orgel, und der kleine Raum
und das ungünstige Licht liefsen auch nicht
einmal eine photographische Aufnahme zu.
Schon lange war die Farbe zu sehr ausgetrocknet
und fiel in grofsen Stücken von der Holzunter-
lage herunter, eine Ausbesserung der nackten
Stellen durch den Maler Milde 1847 hielt den
Verfall nicht auf, und endlich vor Kurzem schritt
man zu einer gründlicheren Befestigung der Farbe
und zur Restaurirung der schadhaften Stellen.
Nachdem dies durch Joh. Nöhring glücklich be-
endet war, wurde das Bild an einem günstigeren
und sichtbareren Ort, im südlichen Teil des
Chorumganges wieder angebracht, und es war
nun auch eine Photographie möglich, wie sie
der beigefügten Reproduktion zu Grunde liegt.
Vielleicht findet sich so leichter ein Urteil zur
näheren Bestimmung des Bildes.

Der Gegenstand der Darstellung ist ein im
fünfzehnten Jahrhundert sehr beliebter, die
Gregors messe. Das Bild ist mit Oelfarbe
auf Eichenholz mit Kreidegrund gemalt, hat
2,50 m Höhe, 3,57 m Breite und steckt noch
in dem ursprünglichen Rahmen, über dem sich
oben ein gothisches Schutzdach vorneigt mit
drei gedrückten, von Kreuzblumen bekrönten
Kielbogen.

Um über die Geschichte des Bildes etwas
zu erfahren, liegt es nahe, Erwähnungen zu
suchen, die in Beziehung zu einer der Heiligen-
leichnamsbrüderschaften stehen. Denn die
Gregorsmesse bildete ein Hauptdarstellungs-
objekt für den Stiftungseifer der Frohnleich-
namsbrüderschaften im fünfzehnten Jahrhundert,

und Brüderschaften dieses Titels waren gerade
in Lübeck sehr zahlreich vorhanden.l) Aus
sämtlichen andern sieben Kirchen Lübecks
haben wir Erwähnungen und Daten der betref-
fenden Fraternitäten, nur gerade in der Marien-
kirche ist keine solche Notiz vorhanden; in
dieser Richtung ist also kein Anhalt zu finden.

Zuerst wird das Bild im Jahre 1666 durch
Konrad von Hövelen erwähnt als „das alte mit
alten Bildern künstlich gemalete Stükke dran
ein Vohrbild mit zwei Ohren zu sähen."2)
Der Kopf des alten Bischofs rechts in unge-
wohnter voller Vorderansicht mit dem Kneifer
machte es also zu einer Art Curiosität. In
den vereinzelten Erwähnungen späterer Schrift-
steller wird es ebenso kurz abgefertigt, und
noch 1823 heifst es in den „Merkwürdigkeiten
der Marienkirche": „Besonders schön ist der
Ausdruck in den Köpfen, vorzüglich eines alten
lesenden Mannes mit der Brille, der aus jedem
Standpunkte das volle Gesicht zeigt, so wie
die feine Arbeit eines Spinngewebes an einem
Fenster in der oberen rechten Ecke." 8) Spinn-
gewebe und Spinne, auch jetzt noch oben rechts
neben der Thür vorhanden, werden den Meisten
wohl nur mit dem Glase sichtbar sein. Zum
ersten Mal wird hier auch ein Malername ge-
nannt, nämlich „Michael Wohlgemuth", der
ganz willkürlich gewählt war, sich dann aber
durch manche spätere Erwähnungen weiter-
schleppte.

Aus all' diesem erfahren wir also nichts,
es bleibt uns nur die Betrachtung des Bildes
selbst übrig.

In einem Raum, der den Eindruck einer
freundlichen kleinen gothischen Schlofskapelle
macht, mit Glasbildern der Apostel in den Fen-
stern und mit einer Thür, die ins Freie blicken
läfst auf die Kirche und die Wohnhäuser des
Ortes, drängt sich die Schaar vornehmer Geist-
lichen, die der Messe des Papstes beiwohnt.

') Vergleiche Adolf Goldschmidt, Lübecker Malerei
und Plastik bis zum Jahre 1530. 1890. S. 19 a.

2) Kunrat v. Hövelen, Lübecks Herrlichkeit 1666.
S. 52.

3) Merkwürdigkeiten der Marien- und Dom-Kirche
in Lübeck. 1823 bei G. C. Schmidt S. 16.
 
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