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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Braun, Joseph: Roermonder Häuser des XVI. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0185

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313

1896. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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zeichnet werden. Dem Beschauer drängt sich
nämlich bei einem betrachtenden Blick alsbald
die Wahrnehmung auf, wie die Ausgestaltung
der Front trotz der Beibehaltung der Grund-
anordnung mit dem Steigen immer reicher wird.
Man vergleiche nur die einfachen kleinen Bogen
des ersten Geschosses mit der reichen Bogen-
füllung des zweiten und diese mit den prächtigen
Blenden des Giebels.

Auch das Haus C hat eine vertikale Drei-
theilung, die hier mit dem ersten Stockwerk
beginnt. Eigenthümlich sind die gedoppelten
Gesimse, welche die Mauerfläche zwischen den
Fenstern als einen breiten Gürtel erscheinen
lassen und den in der Front sich lebendig aus-
sprechenden Aufstieg gleichsam zu zügeln
scheinen. Die Profile der Gesimse sind zum
Theil unter a und b in vergröfsertem Mafsstabe
wiedergegeben; e stellt den Querschnitt des
Mittelpfostens der Fenster in dem II. Stock und
dem Giebel dar. Die Profilirung folgt, wie er-
sichtlich, der des Gesimses a. Das Profil der
Bogenumrahmung ebenderselben Fenster findet
sich unter c, während d die etwas einfachere
Profilirung der Bogen in den mit Säulchen und
Nischen ausgestatteten seitlichen Giebelblenden
zeigt. Die kleinen Bogen, mit denen die Blend-
nischen des ersten Stockes abschliefsen, sind
nur mit Fase versehen, reich sind dagegen die
Konsolen, welche in der Mitte deren Ausgangs-
und Ruhepunkt bilden, behandelt (Fig. g). Dem
spätgothischen Mafswerk, das die gedrückten
Bogenflächen im II. Geschofs und Giebel füllt,
ist der Umstand eigenthümlich, dafs demselben
allenthalben ein Rundstab oder besser eine Art
Wulst aufliegt (angedeutet in Fig. c und d).
Zum gewinnenden Eindruck, den der Bau macht,
trägt nicht wenig die Abstufung des Giebels bei.
Die Deckplatten der einzelnen Staffeln sind
einfach profilirt — Platte und stabartiger Wulst
—, hingegen tragen die auf kleinen Auskragungen
über Eck aus der Wand hervortretenden, streben-
artigen Vorsprünge (Fig. f), welche gleichsam den
Ausgangspunkt für die jedesmal folgende Stufe
bilden, viel zum Schmuck des (Hebels bei.

Das Haus C, welches einen Mischbau aus
Hau- und Backstein darstellt — aufser den
Fensterrahmen und Pfosten sind auch die Ge-
simse, das Mafswerk aller Bogenflächen und
die Bogenumrahmungen im Giebel und anderes
aus Sandstein gebildet — gehört ohne Zweifel
spätestens der ersten Hälfte des XVI. Jahrh.

an. Die anderen Bauten sind offenbar jünger,
doch dürften dieselben wegen der darin zu Tage
tretenden Nachklänge der Spätgothik immer
noch vor Beginn des XVII. Jahrh. entstanden
sein. Die seitlichen Blenden des unter D wieder-
gegebenen Giebels weisen sogar noch einen spitz-
bogigen Abschlufs auf.

Aufserordentliches und Bedeutendes bieten
die Bauten nicht, von denen bis jetzt die Rede
war. Mit Ausnahme des Hauses C zeichnen
sich sogar alle durch eine recht grofse Ein-
fachheit aus. Sie sollten eben nur gewöhnliche
Bürgerhäuser, keine grofsartigen Luxusbauten
sein; darnach hat man die Ausstattung be-
rechnet. Mit Recht; man soll einen bescheidenen
bürgerlichen Bau nicht als Palast behandeln.
Eines schickt sich nicht für alle. Es ist aber
solches auch durchaus unnöthig, da man mit
den einfachsten Mitteln, falls Geist und Ge-
schmack sie handhaben, nicht nur etwas Prak-
tisches, sondern auch etwas Wirkungsvolles
und Anziehendes schaffen kann. Die regellose
Menge der Bauglieder und die krause Fülle der
Zierformen machen keineswegs die Schönheit
eines Baues aus, wenngleich man vielfach heut-
zutage solches zu glauben scheint.

Was aber diese Häuser besonders interessant
macht, ist die innere Verwandtschaft, welche
sich zwischen ihnen offenbart. Es bedarf nicht
vielen Zusehens, um zu erkennen, dafs der
Grundgedanke bei allen der gleiche ist. Die
gehäuften Stockwerke, die Gesimse, welche die
Horizontale kräftig markiren, die Blendnischen,
welche die kahle Mauerfläche beleben, die
allenthalben angewandte Abfasung der Kanten,
die Bildung der Fenster und letztlich nicht zum
wenigsten die Ausgestaltung des Giebels be-
kunden, dafs wir es mit Schöpfungen zu thun
haben, die unter Einflufs fortdauernder örtlicher
Baugepflogenheiten entstanden sind. Wir haben
in den fraglichen Bauten einen bestimmten
Typus vor uns, der hinwiederum der verkörperte
Ausdruck der Anschauungen ist, welche Meister
und Bürger zugleich beherrschten. Einheit in
der Vielheit und Mannigfaltigkeit ist der Stempel
der den Bauten alter Zeit aufgeprägt ist. Auch
die unsrigen tragen denselben an sich. Wohl
fehlt es bei ihnen nicht an Verschiedenheit und
Wechsel, und ist das eine Haus durchaus nicht
ein blofser schablonenhafter Abklatsch des
andern; nichts destoweniger aber beherrscht
alle eine und dieselbe Grundstimmung.


 
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