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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Falke, Otto von: Ein Wandteppich des XVI. Jahrh. in der St. Maria Lyskirchen zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0208

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Abhandlungen.

Ein Wandteppich des XVI. Jahrb.
in St. Maria Lyskirchen zu Köln.

Mit Lichtdruck (Doppel-Tafel XII).

nsehnlich ist der Schatz
alter Gobelins aus ver-
gangenen Jahrhunderten,
den die Stadt Köln in
öffentlichem Besitz sich zu
erhalten gewufst hat. So
birgt das Rathhaus neben einer Anzahl von
Wirkteppichen mit Landschaften und Gärten
von Billet in Valenciennes eine hervorragend
schöne Folge von sechs Gobelins, mit Bildern
aus dem Kriegs- und Lagerleben des ausgehen-
den XVII. Jahrh., die im Jahre 1710 aus kur-
kölnischem Besitz für 16100 Goldgulden er-
worben und später in dem prächtigen Rokoko-
saale aufgestellt worden sind. Aus dem Atelier
eines der namhaftesten Brüsseler Tapissiers,
des Josse de Vos, der im Anfang des XVIII.
Jahrh. für den Wiener Hof, den Herzog von
Marlborough und den Prinzen Eugen von Savoyen
arbeitete, hervorgegangen, veranschaulichen sie
auf's Beste jene Richtung, die durch die Künstler
Ludwigs XIV. in der Gobelinwirkerei zur Herr-
schaft gebracht worden war. Charakteristisch
für ihre Zeit und vortrefflich in der Ausführung,
sind sie doch nicht das Beste, was in Köln
sich an Wirkteppichen erhalten hat. An künst-
lerischer Bedeutung, an Schönheit der Farben-
wirkung und an tadelloser Erhaltung werden
sie weit übertroffen von dem Gobelin der
Kirche St. Maria Lyskirchen zu Köln, der
diesem Hefte, dank dem freundlichen Entgegen-
kommen des Herrn Pfarrers Rosellen, als Licht-
drucktafel beigegeben werden konnte. Der
Teppich ist in einer Gröfse von 3 m Höhe
und 2,60 m Breite in Wolle mit sehr be-
scheidener Verwendung von Seidenfaden für
einzelne Lichter ausgeführt. Die Lichter sind
zum Theil in helleren Tönen der Grundfarben,
zum Theil in Gelb ausgeführt. Die Textur ist
aufserordentlich dicht, was zu der guten Er-
haltung des Teppichs wesentlich beigetragen
hat. Die Farbenskala beschränkt sich auf blau,

roth, grün, gelb, braun, blafsviolett, schwarz
und weifs. Dazu treten einige hellere Ab-
stufungen derselben Farben. Das scheint sehr
wenig gegenüber den 14000 Nuancen, welche
die Pariser Gobelinmanufaktur in der Zeit, als
sie unter Verkennung der wahren Ziele der
Wirkerei auf täuschende Nachahmung von Ge-
mälden ausging, sich in Wolle und Seide ge-
schaffen hat. Aber trotz der Beschränkung ist
hier durch das Abschattiren und Ineinander-
wirken der einzelnen Farben einerseits, und
durch das Hervorheben kräftiger, grofser Farb-
flächen, wie der blauen und rothen Frauen-
gewänder andererseits, eine aufserordentlich leb-
hafte und reiche Farbenwirkung erzielt worden.

Dargestellt ist die Auffindung Mosis durch
die Tochter des Pharao von Aegypten. Nach
mittelalterlichem Brauche, der gerade bei den
niederländischen Wirkteppichen, dem dekora-
tiven Zwecke angemessen, sich sehr lange er-
halten hat, sind zwei zeitlich verschiedene Vor-
gänge im Bilde vereinigt. Während in der
Mitte die Königstochter von der Treppe ihres
Palastes herabsteigt und eine ihrer Frauen am
Ufer kniet, um ihrem Winke folgend den im
Flufs herabschwimmenden Korb mit dem aus-
gesetzten Knaben aufzufangen, wird letzterer
im Vordergrunde bereits der Fürstin überreicht,
deren Gefolge sich um den schlepptragenden
Pagen vermehrt hat. Fern im Hintergrund
ist am Flufsufer die Mutter des Moses sicht-
bar, ängstlich das Geschick ihres Kindes ver-
folgend.

Die Borte zeigt oben und unten dichte Ge-
hänge von Früchten und Blumen, während an
den Seiten von Bändern umwundene Blüthen-
stauden und Fruchtzweige aus Füllhörnern
emporsteigen, oben in Lilienstengel endigend.

Der Stil der ganzen Komposition, der Typus
der Figuren, zusammengehalten mit Einzelheiten
der Tracht und des Ornamentes, wie nament-
lich der eigenthümlichen Bildung der Füll-
hörner, lassen keinen Zweifel darüber, dafs der
Gobelin flandrische Arbeit ist. Es ist schwierig,
den Ort der Herstellung näher zu fixiren, doch
weisen sowohl die überaus sorgfältige und ihrer
Wirkung sichere technische Ausführung, wie
 
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