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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Tafel I
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Reiners, Heribert: Eine Kölner Madonna vom Beginn des XV. Jahrhunderts
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1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. I.

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der auf Wolken von zwei Engelknaben ge-
tragen wird. Diese beiden gebärden sich etwas
wild und sollen vielleicht dadurch das Fliegen
zum Ausdruck bringen, wobei die Flügel ge-
schickt verteilt sind. Ruhiger sind die beiden
oberen, die die Madonna mit dem Abzeichen
ihrer königlichen Würde sehmücken. Die
Engel sind beachtenswert ob ihrer Flügel in
der typisch kölnischen
Form und dann wegen ihres
Gewandes, das am Unter-
arm eng anschließend, wie
eine Erinnerung an die
gefiederten Gestalten nach-
klingt, und das, aus einem
Stück ohne Giren ge-
arbeitet, wie eineTunicella,
an der Achsel sich er-
weitert.

Die Hauptfigur biegt
sich in einer leichten
eleganten Kurve und hat
bei schwachem Kontrapost
den linken Fuß ein wenig
vorgesetzt, und nur leise
klingt dabei :■ das Knie
durch die Gewandung.
Diese besteht aus einem
Unterkleide, das in schlich-
ten Falten zu Boden gleitet,
und einem langen, weiten
Mantel, der vom rechten
Unterarme an den Leib
gepreßt und von der linken
Hand aufgenommen wird
und alsdann hier, diese
deckend, als vertikale Masse
niederfällt. Sie tritt dabei
in bewußten Gegensatz zu
den Horizontalen und gibt
der Figur erst ihr Gleich-
gewicht, indem sie des
Bogens leichte Leibung
füllt. Mit Geschick ist zudem die Gewandung
in unaufdringlicher Weise der größeren Klärung
der Figur dienstbar gemacht, indem sie als
Begleitung des vortretenden, linken Beines als
Sondermasse herausgehoben ist. Die Be-
kleidung wird vollendet durch das doppelt
gelegte Kopftuch, unter dem das rückwärts
fließende lockige Haar hervortritt, das, nur
Hinterhaupt und Schulter deckend, den fast
speckigen Hals in seiner ganzen Fülle sichtbar

werden läßt. Wie dieser trägt auch der Kopf
ein wohlgenährtes Gepräge mit dem Doppel-
kinn, den fleischigen Backen, den üppigen
Lippen und den in vollen Massen eingebetteten,
halbgeschlossenen Augen. Das vorspringende
Kinn mit dem Grübchen und ein anmutiger
Zug um den Mund, von dem man nicht weiß,
ob man ihn als Lächeln deuten darf, geben
dem Antlitz ein liebens-
würdig freundliches Ge-
präge. Geistreich und
lebendig schaut dies Ge-
sicht freilich nicht drein.
Die ganze Figur weist aber
noch eine gute Dosis
Koketterie und Selbstge-
fälligkeit auf und die Be-
ziehungen zum Kind sind
dabei kaum vorhanden.
Die Mutter trägt es wie
eine ganz leichte Bürde
lässig und bequem auf
ihren Händen. In der
Lage mag im allgemeinen
die Ergänzung das Richtige
getroffen haben. In der
Haltung, namentlich der
Hände, ist sie ganz ent-
gleist, abgesehen von dem
Kopfe, der uns eine junge
Madonna vortäuscht.

Die Regina coeli et
angelorum sollte hier ver-
herrlicht werden und das
läßt diese etwas selbstbe-
wußte Haltung Mariens
verstehen. Aber diese
Haltung hat daneben deut-
lich das Gepräge des Ge-
Hg ' lösten und Weichen, ein

_, leichtes Sichgehenlassen ist

mitbestimmend. Ganz im
Einklang damit steht die
breite Auffassung der Figur, die durchaus auf
Massen komponiert ist, und die auch unbedingt
ein solch volles, fleischiges Gesicht verlangt.
Dieses Weiche und Gelöste setzt in der Kölner
Plastik um 1850 ein mit den Marmorfigürchen
des Domhochaltares und verdrängt mehr und
mehr, was an Straffheit und Energie von der
jungen Gotik übernommen ist. Diese Ent-
wicklung mußte kommen ganz im Einklang
mit der Architektur. Sie wird in Köln seit
 
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