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1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
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Es lohnt sich aber, auf die nun folgenden Ent-
schuldigungsgründe Lübbeckes der Reihe nach näher
einzugehen, die mich wie eine Leichenrede anmuten.
ad 1) "Wäre "wirklich eine Besichtigung des Klaren-
altares nicht zu ermöglichen gewesen? Jedenfalls
standen Lübbecke photographische Aufnahmen aller
Aufdeckungsstadien durch Herrn Fridt zur Verfügung.
ad 2) Die Wandmalereien des Chores im Kölner
Dom sind öfters abgebildet, finden sich sogar zum Teil in
genauen Kopien im Wallraf-Richartz-Museum zu Köln.
ad 3) Herr Lübbecke hätte sich die Sammlung
Schnütgen ruhig zwei- und dreimal im Privathause
ansehen dürfen.
ad 4) Waren die Werke von Vöge, Josephi usw.
noch nicht erschienen? Jedenfalls waren die bedeut-
samsten Stücke des germanischen Museums durch Josephi
bereits in den „Mitteilungen" besprochen, so vorerst
ein Paradestück (Kat. Nr. 233) in Lebensgröße, das
ein Gegenstück in St. Johannis in Thorn und anderswo
hat. Oder ist diese wundersame Madonna 2. oder gar
3. Ranges, würde sie das Bild stören?
An der gründlichen „Umschau in Frankreich"
glaube ich nicht recht; Paris und Dijon allein genügen
hier nicht. Wie ist's ferner mit der „im letzten Jahn-
mächtig geförderten Erforschung der Plastik des Nieder-
rheines durchReiners und Vogelsang"? Die umfassende
Arbeit Reiners' wird noch wohl einige Zeit auf sich
warten lassen, da sie einen wirklich abschließenden
Katalog aller vorhandenen und erreichbaren Objekte
bringen soll, Vogelsang edierte Bd. I seiner holländischen
Plastik, der nur die Skulpturen des erzbischöflichen
Museum in Utrecht umfaßt, der Text liegt überhaupt
noch nicht vor. Worte zu machen ist hier ganz und
gar überflüssig, und ich überlasse deshalb den Lesern
ein ferneres Urteil über Lübbeckes Buch wie Erwiderung.
Köln. Fritl Witte.
Bücherschau.
Die Straß burger Madonna des Meisters E. S.
Eine Handzeichnung im Straßburger Stadtarchiv, von
Paul Heitz. Mit 4 Tafeln. Straßburg, Heitz &
Mündel 1911.
Die Madonna in Federzeichnung auf der Rückseite
des ersten Blattes eines Kopialbuches im Stadtarchiv
zu Straßburg zieht Heitz erneut zu eingehender Be-
urteilung heran in einer nicht umfangreichen, aber
vornehm ausgestatteten Schrift. Er stellt genaueste
Detailuntersuchungen an, indem er die Straßburger
Madonna neben Bilder vom Meister E. S. legt, dem
er die Federzeichnung als Original zuschreibt. Heitz'
Deduktionen scheinen mir ziemlich überzeugend, jeden-
falls ist an eine enge Verwandtschaft mit dem Meister
E. S. gar nicht zu zweifeln. Wenn vielleicht mancherlei
Abweichungen in dem Bilde erscheinen sollten, so ist
das in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die
Madonnenzeichnung in unverkennbarer Anlehnung an
das alte Straßburger Stadtsiegel entstand, was immerhin
mit zu berücksichtigen ist. Witte.
Der Mensch aller Zeiten, Natur und Kultur
der Völker der Erde. — Allgemeine Verlags-
Gesellschaft m. b. H. in München und Berlin. —
Auf 3 Bände — 40 Lieferungen a 1 M. — berechnet.
In der bewährten Form und Ausstattung ihrer
früheren Lieferungswerke läßt die „Gesellschaft" das
bezeichnete Werk erscheinen. Die Wahl des Themas,
das von höchster Aktualität, ist sehr glücklich; die
Gruppe der fünf Verfasser, die in die Aufgabe sich
teilen, weckt Vertrauen, wie die vorliegende I. Liefe-
rung, die von Hugo Ober maier bearbeitet ist,
dem alleinigen Verfasser des ganzen I.Bandes. —
Unter dem Titel: „Der M ensch der Vorzei t" soll
die Urgeschichte der Menschheit bis zur Römerzeit be-
handelt werden. — Die Einleitu ng gibt einen Über-
blick über die Vorstellungen, welche in bezug auf die
Urzeit im Altertum, Mittelalter und in den drei folgen-
den Jahrhunderten vertreten waren, eine sehr an-
ziehende, durch zahlreiche Abbildungen illustrierte
L'ntersuchung mit mancherlei, die Kunstgeschichte
streifenden und bereichernden Beiträgen. — Dem
Eiszeitalter, mit dem die ersten Spuren mensch-
licher Tätigkeit zusammenhängen, widmet sich zunächst
die Forschung, und was in geologischer und paläon-
tologischer Hinsicht hier von Bedeutung ist, gelangt
durch Wort und Bild zur Erörterung. — Für den
IL Band kündigt der Prospekt die von Birkner und
Schmidt behandelten: „Rassen und Völker der
Menschheit" als Gegenstand an; während für
Hestermann und Stratmann der III. Band: „Die
Völker der Erde" reserviert bleibt.
Was für das ganze Werk an Textabbildungen,
namentlich auch an schwarzen und mehrfarbigen Ein-
lagen zu erwarten ist, künden die bereits beigelegten
Bilderproben, die ganz auf der Höhe der Technik
stehen. — Für den Verlag bleibt nur noch der Wunsch
nach kräftigem Zuspruch, für die Abonnenten nach
schneller Lieferungsfolge, an der auf Grund der früheren
Erfahrungen gar nicht zu zweifeln ist. Schnütgen.
Eduard Plietzsch. Die Fran kenthaler Maler.
Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der nieder-
ländischen Landschaftsmalerei. Leipzig, Seemann 1910.
Die Arbeit Plietzsch's darf als abschließend gelten.
Was Sponsel seinerzeit über Frankenthal und seine
Maler schrieb, ergänzt und korrigiert der Verfasser
ganz bedeutend. Die historischen Daten genügen, um
einigen Zusammenhang in den Betrieb der 18 Namen
umfassenden Künstlergruppe zu bringen, und auch der
Katalog der auf uns gekommenen oder in Stichen
reproduzierten Originale scheint erschöpfend. Das
Hauptgewicht legt Plietzsch mit Recht auf die Biographie
und Würdigung der bedeutendsten und einflußreichsten
Frankenthaler Meister, Coninxloo, Schoubroek und
Mirou, deren Einfluß auf die Gestaltung bzw. Um-
gestaltung der holländischen Landschaftsmalerei bekannt
ist. Wäre dieser Einfluß nicht augenfällig, würde die
bescheidene Frankenthaler Künstlerkolonie auch wohl
kaum in die Kunstgeschichte gekommen sein. — Einige
gutgewählte Illustrationen begleiten den sauberen Text.
Plietzsch's Arbeit ist sehr sorgfältig und darum höchst
anerkennenswert. Witte.
1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
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Es lohnt sich aber, auf die nun folgenden Ent-
schuldigungsgründe Lübbeckes der Reihe nach näher
einzugehen, die mich wie eine Leichenrede anmuten.
ad 1) "Wäre "wirklich eine Besichtigung des Klaren-
altares nicht zu ermöglichen gewesen? Jedenfalls
standen Lübbecke photographische Aufnahmen aller
Aufdeckungsstadien durch Herrn Fridt zur Verfügung.
ad 2) Die Wandmalereien des Chores im Kölner
Dom sind öfters abgebildet, finden sich sogar zum Teil in
genauen Kopien im Wallraf-Richartz-Museum zu Köln.
ad 3) Herr Lübbecke hätte sich die Sammlung
Schnütgen ruhig zwei- und dreimal im Privathause
ansehen dürfen.
ad 4) Waren die Werke von Vöge, Josephi usw.
noch nicht erschienen? Jedenfalls waren die bedeut-
samsten Stücke des germanischen Museums durch Josephi
bereits in den „Mitteilungen" besprochen, so vorerst
ein Paradestück (Kat. Nr. 233) in Lebensgröße, das
ein Gegenstück in St. Johannis in Thorn und anderswo
hat. Oder ist diese wundersame Madonna 2. oder gar
3. Ranges, würde sie das Bild stören?
An der gründlichen „Umschau in Frankreich"
glaube ich nicht recht; Paris und Dijon allein genügen
hier nicht. Wie ist's ferner mit der „im letzten Jahn-
mächtig geförderten Erforschung der Plastik des Nieder-
rheines durchReiners und Vogelsang"? Die umfassende
Arbeit Reiners' wird noch wohl einige Zeit auf sich
warten lassen, da sie einen wirklich abschließenden
Katalog aller vorhandenen und erreichbaren Objekte
bringen soll, Vogelsang edierte Bd. I seiner holländischen
Plastik, der nur die Skulpturen des erzbischöflichen
Museum in Utrecht umfaßt, der Text liegt überhaupt
noch nicht vor. Worte zu machen ist hier ganz und
gar überflüssig, und ich überlasse deshalb den Lesern
ein ferneres Urteil über Lübbeckes Buch wie Erwiderung.
Köln. Fritl Witte.
Bücherschau.
Die Straß burger Madonna des Meisters E. S.
Eine Handzeichnung im Straßburger Stadtarchiv, von
Paul Heitz. Mit 4 Tafeln. Straßburg, Heitz &
Mündel 1911.
Die Madonna in Federzeichnung auf der Rückseite
des ersten Blattes eines Kopialbuches im Stadtarchiv
zu Straßburg zieht Heitz erneut zu eingehender Be-
urteilung heran in einer nicht umfangreichen, aber
vornehm ausgestatteten Schrift. Er stellt genaueste
Detailuntersuchungen an, indem er die Straßburger
Madonna neben Bilder vom Meister E. S. legt, dem
er die Federzeichnung als Original zuschreibt. Heitz'
Deduktionen scheinen mir ziemlich überzeugend, jeden-
falls ist an eine enge Verwandtschaft mit dem Meister
E. S. gar nicht zu zweifeln. Wenn vielleicht mancherlei
Abweichungen in dem Bilde erscheinen sollten, so ist
das in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die
Madonnenzeichnung in unverkennbarer Anlehnung an
das alte Straßburger Stadtsiegel entstand, was immerhin
mit zu berücksichtigen ist. Witte.
Der Mensch aller Zeiten, Natur und Kultur
der Völker der Erde. — Allgemeine Verlags-
Gesellschaft m. b. H. in München und Berlin. —
Auf 3 Bände — 40 Lieferungen a 1 M. — berechnet.
In der bewährten Form und Ausstattung ihrer
früheren Lieferungswerke läßt die „Gesellschaft" das
bezeichnete Werk erscheinen. Die Wahl des Themas,
das von höchster Aktualität, ist sehr glücklich; die
Gruppe der fünf Verfasser, die in die Aufgabe sich
teilen, weckt Vertrauen, wie die vorliegende I. Liefe-
rung, die von Hugo Ober maier bearbeitet ist,
dem alleinigen Verfasser des ganzen I.Bandes. —
Unter dem Titel: „Der M ensch der Vorzei t" soll
die Urgeschichte der Menschheit bis zur Römerzeit be-
handelt werden. — Die Einleitu ng gibt einen Über-
blick über die Vorstellungen, welche in bezug auf die
Urzeit im Altertum, Mittelalter und in den drei folgen-
den Jahrhunderten vertreten waren, eine sehr an-
ziehende, durch zahlreiche Abbildungen illustrierte
L'ntersuchung mit mancherlei, die Kunstgeschichte
streifenden und bereichernden Beiträgen. — Dem
Eiszeitalter, mit dem die ersten Spuren mensch-
licher Tätigkeit zusammenhängen, widmet sich zunächst
die Forschung, und was in geologischer und paläon-
tologischer Hinsicht hier von Bedeutung ist, gelangt
durch Wort und Bild zur Erörterung. — Für den
IL Band kündigt der Prospekt die von Birkner und
Schmidt behandelten: „Rassen und Völker der
Menschheit" als Gegenstand an; während für
Hestermann und Stratmann der III. Band: „Die
Völker der Erde" reserviert bleibt.
Was für das ganze Werk an Textabbildungen,
namentlich auch an schwarzen und mehrfarbigen Ein-
lagen zu erwarten ist, künden die bereits beigelegten
Bilderproben, die ganz auf der Höhe der Technik
stehen. — Für den Verlag bleibt nur noch der Wunsch
nach kräftigem Zuspruch, für die Abonnenten nach
schneller Lieferungsfolge, an der auf Grund der früheren
Erfahrungen gar nicht zu zweifeln ist. Schnütgen.
Eduard Plietzsch. Die Fran kenthaler Maler.
Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der nieder-
ländischen Landschaftsmalerei. Leipzig, Seemann 1910.
Die Arbeit Plietzsch's darf als abschließend gelten.
Was Sponsel seinerzeit über Frankenthal und seine
Maler schrieb, ergänzt und korrigiert der Verfasser
ganz bedeutend. Die historischen Daten genügen, um
einigen Zusammenhang in den Betrieb der 18 Namen
umfassenden Künstlergruppe zu bringen, und auch der
Katalog der auf uns gekommenen oder in Stichen
reproduzierten Originale scheint erschöpfend. Das
Hauptgewicht legt Plietzsch mit Recht auf die Biographie
und Würdigung der bedeutendsten und einflußreichsten
Frankenthaler Meister, Coninxloo, Schoubroek und
Mirou, deren Einfluß auf die Gestaltung bzw. Um-
gestaltung der holländischen Landschaftsmalerei bekannt
ist. Wäre dieser Einfluß nicht augenfällig, würde die
bescheidene Frankenthaler Künstlerkolonie auch wohl
kaum in die Kunstgeschichte gekommen sein. — Einige
gutgewählte Illustrationen begleiten den sauberen Text.
Plietzsch's Arbeit ist sehr sorgfältig und darum höchst
anerkennenswert. Witte.