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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Schmarsow, August: Altenburger Galeriestudien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0151

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Abhandlungen.

Altenburger Galeriestudien.

I. Die Verkündigung, Kat. Nr. 149.
(Mit Abbildung.)

as kleine Breitbild ist in der
ersten Aullage des Katalogs,
dessen wissenschaftliche Be-
stimmungen fast ausschließ-
ich von mir herrühren, der
Schule von Bologna zuge-
wiesen worden. Dazu veranlaßte der eigen-
tümlich strenge hieratische Charakter der Auf-
fassung, die Mischung heterogener Bestand-
teile in der einfachen, doch sicher den ersten
Jahrzehnten des Quattrocento angehangen
Komposition, besonders aber die äußerst devote
Haltung des Engels mitsamt der spätgotischen
Inschrift: Ave gralia plena . . . lecam auf dem
geschwungenen Pergamentstreifen. Die Alter-
tümlichkeit dieser Figur, noch mehr als die der
Annunziata selbst, und ihr Gegensatz zu der
bereits römisch gesonnenen Architektur der
flinterwand schienen über Toskana hinauszu-
weisen, soviel Verwandtschaft mit Florenz auch
vorlag, und nur im nächstbenachbarten Gebiet
von Bologna durfte vor Bauformen, die ganz ähn-
lich bei Masaccio vorkommen, ein Paar dagegen
so rückständiger Figuren gesucht werden. Jetzt
gilt es die vorläufige Zuweisung zu berichtigen,
indem wir den Zusammenhang mit florenti-
nischer Kunst in allen Teilen nachweisen und
die Entstehungszeit nicht erst nach Masaccios
Vorbild, sondern unmittelbar neben ihm an-
setzen, ja vielleicht einen nur etwas altern
Gesinnungsgenossen aus Toskana darin er-
kennen.

Für die Herkunft aus Florenz spricht schon
die Eigenart der Komposition, die den Ver-
kündigungsengel ganz zu äußerst links zurück-
hält, die Jungfrau dagegen in die andere Ecke
des Gemaches schiebt, so daß zwischen beiden
ein weiter Abstand übrig bleibt. Das ist eine
auffallende Eigentümlichkeit des hochverehrten
Altarbildes in der SSma Annunziata zu Florenz,
das in so vielen Kopien verbreitet ist1, und
in den ersten Zeiten, als es noch unverdeckt
von silberner Schutzfläche zu sehen war, einen
bestimmenden Einfluß ausübte. Doch geht
die Übereinstimmung nicht über diese Eigen-

i) Zwei kleine Exemplare in AJtenburg.

tümlichkeit des Abstandes hinaus, und der ge-
wählte Standpunkt, von links in das lange
Gemach hineinzusehen, findet schon aus-
reichende Erklärung durch das gegebene Breit-
format eines Predellenbildes, das — wahrschein-
lich als erstes neben zwei andern — zum Sockel
eines Altarwerkes gehört haben muß.

An solcher Stelle scheint auch bereits die
Verletzung stattgefunden zu haben, die wir be-
sonders in der Mitte bemerken: wohl durch
Brand einer dagegen gefallenen Altarkerze
ist die Farbfläche zerstört, die nun Über-
malung zeigt, und daher rühren auch gewiß
die Sprünge im Mantel der Maria, dessen
untere Partie von den Knieen ab ebenso über-
schmiert ist, während ihr Kopf und ihre
Hände ziemlich wohl erhalten blieben. Ebenso
von unten her vernichtet ist das Fußende der
Bettstatt bis an das Kopfkissen und den Rand
der Decke; es ist in falscher Verkürzung erneuert.
Die ganze Mitte (Vase mit Lilie?) vom Rücken
des Lesepultes ab ist verloren. Zuverlässig da-
gegen erscheint der Engel bis auf den letzten
Zipfel des hinten aufstoßenden Überkleides,
dessen nachschleppendes Ende weggeschnitten
und deshalb anders ergänzt wurde, gleichwie
die äußerste Spitze des Flügels, dessen
himmelblaue Farbe, jedenfalls bei dem zweiten
dahinter und am Rücken entlang, mit fremder
Zutat bedeckt ist, so daß wir diese Note
nicht mehr als authentisch hinnehmen möchten,
auch wenn im Schatten des Gefieders schon
ursprünglich ein bläulicher Ton vorhanden war.
Nur ein solcher stimmt zu dem sehr hellen
mit Weiß gedämpften Mattrosa des Gewandes,
das selbst schon gegen Graulila neigt. Diese
Färbung des Stoffes geht in den beleuchteten
Stellen fast ganz in Weiß über und verrät so
die Gewohnheit eines Freskomalers, der mit
seiner Lokalfarbe die Lichter ausspart. Über
den Schultern liegt die weiße mit schwarzen
Kreuzen, deren Mittelquadrat wieder weiß ist,
besetzte Stola, deren Bänder sich auf der
Brust diagonal übereinander legen und mit
dem Gürtel um die Taille festgebunden sind,
so daß die Enden gerade herunterhangen. An
der Seite vorn öffnet sich über dem knieenden
rechten Bein ein Schlitz, der jetzt, mit dunkler
Farbe ausgefüllt, keine genaue Rechenschaft
mehr über die ursprüngliche Form des Gliedes
 
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