Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

DOI Artikel:
Weise, Georg: Das Tympanon der Peter- und Paulskirche zu Sigolsheim im Elsaß
DOI Artikel:
Georg, Johann: Kunstschätze im Sinaikloster, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0071

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
109

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

110

tudo muscarum per foramen ebullivit, ut putares, te,
si vidisses, in Egypto esse, ubi plaga muscarum Egyp-
tios iussu divino punisse narratur. Videns igitur is
qui ad hauriendum vinum venerat hoc mirabile factum,
obslupuit, et pauxillum cum cantro, quod manu tene-
bat, in terram proiecit, cursuque rapidissimo ad dominum
suura narraturus que facta fuerant advenit. Statimque
examen muscarum cum illo veniens dominum aggreditur
et tanto nisu ipsum morsibus et aculeis crudeliter
adtrectavit. ut isdem dominus conpunctus et fundum
reddere et de commisso veniam petere cogeretur.
Restituto siquidem monachis fundo et venia obtenta,
illa muscarum multitudo a viri vexatione cessavit; et ita
vinea illa usque ad hoc'tempus a Deodatensibus possi-
deri dinoscitur. Et ne lectorem fastidire videamur, ad
alias stilum reducamus.

Zweifellos ist die Darstellung des Mannes
mit dem Fasse an unserem Portal eine An-
spielung auf diese Legende, die sich ja in
Sigolsheim selbst zugetragen haben soll. Richers
Klosterchronik kann der Bildhauer nicht die
Anregung entnommen haben; sie ist erst später,
wie es scheint zum größten Teil nicht vor
1254 oder 1255, geschrieben worden12). Auch
die ältere Vita s. Deodati enthält, wie oben
erwähnt, diese Legende nicht, Richer ist unsere
einzige Quelle für sie. Vermutlich folgte er
hier irgendeiner volkstümlichen mündlichen
Überlieferung. Der Künstler des Portales wird

12) Yergl. die Einleitung in den Mon. Germ. SS.
XXV S. 251.

aus der gleichen Quelle geschöpft haben.
Die Geschichte von dem Manne mit dem
Fliegenfaß muß dem Volke in Sigolsheim be-
kannt und geläufig gewesen sein, sonst hätte
der Eildhauer nicht so einfach ohne jede Er-
läuterung auf sie anspielen können. Daß dieser
Legendenstoff hier Verwendung fand, obwohl
Sigolsheim, soweit wir sehen, damals in keiner
näheren Beziehung zu St. Die standls), vor
allem seine Kirche nicht diesem Kloster ge-
hörte, spricht gleichfalls für die Volkstümlich-
keit dieser Legende.

Aus Stolz auf diese lokale Wundererzählung
hat man wohl den Mann mit seinem Fliegen-
faß auf dem Tympanon des Hauptportales
dargestellt. Vielleicht auch, daß dieses warnende
Beispiel die Bevölkerung zur richtigen Abliefe-
rung ihrer Zehnten und Gefälle mahnen sollte.

Für uns ist dieser Fall lehrreich dafür, wo
wir bei der Deutung solcher Poitalskulpturen
zu suchen haben. Häufiger werden sich viel-
leicht vermeintliche Stifterporträts als An-
spielungen auf irgendeine Legende heraus-
stellen.

Frankfurt a. M. Georg Weise.

18) Vergl. die Zusammenstellung der historischen
Nachrichten über Sigolsheim in „Das Reichsland Elsaß-
Lothringen" (Straßburg 1901—03) III. Teil S. 1038.

Kunstschätze im Sinaikloster.

(Mit 8 Abbildungen.)
(Fortsetzung von Heft XII 1910 Spalte 378.)

|n der Bibliothek. Hier befinden
sich eine ganze Anzahl wertvoller
Handschriften, die zum Teil mit
vorzüglichenMiniaturengeschmückt
sind. Viele derselben dürften schon in weiteren
Kreisen bekannt sein, da sie sich in anderen
Exemplaren der gleichen Werke in europäischen
Bibliotheken befinden. Manche hat schon
Kondakow Photographien. Mir ist es ge-
lungen, einige aufzunehmen, die noch nicht
bekannt sind. Als ich die Aufnahmen Pro-
fessor Strzygowski zeigte, bat er mich, sie ja
zu veröffentlichen.

Sie stammen aus einem Evangeliar, das
Gardthausen in seinem Kataloge für das
Jahre 995 datiert. Fälschlicherweise wird es
als theodosianisches bezeichnet. Es enthält
7 Miniaturen, die den Beginn der Handschrift
bilden und immer ein volles Blatt einnehmen.

Die erste (siehe Abb. 1) zeigt Christus auf
einem Steine stehend. In der linken Hand
hält er ein Buch, mit der rechten segnet er.
Die Züge und der Bart weisen den üblichen
Typus auf. Die Umrahmung des Blattes
besteht hier wie bei den anderen in feinen
Ornamenten. Auf dem zweiten Blatte ist
Maria, ebenfalls stehend, dargestellt (siehe
Abb. 2). Sie hat in der linken Hand eine
Rolle, die rechte ist etwas erhoben. Das
Untergewand ist hell, darüber legt sich ein
Mantel. Der Kopf zeigt die üblichen Züge.
Auf dem dritten Blatte ist Petrus stehend
dargestellt. Leider ist diese Aufnahme nicht
gelungen. Petrus hat einen langen, spitzen
Bart, also abweichend von dem üblichen Typus.
Seine Stellung ist die eines Betenden. Die
vier weiteren Blätter zeigen die Evangelisten
ebenfalls stehend und ohne ihre Attribute
 
Annotationen