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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Witte, Fritz: Eine figurenbestickte Purpurkasel des XIV. Jahrhunderts in der "Sammlung Schnütgen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0031

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Abhandlungen.

Eine figurenbestickte Purpur-
kasel des XIV. Jahrhunderts
in der „Sammlung Schnütgen".

Mit Abbildung (Tafel III).

m Anschluß an die im vorigen Hefte
besprochene Kasel, die wir in ihren
Hauptteilen der englischen Stickkunst
zuschrieben, möge hier ein inter-
essantes Gegenstück Platz finden, bei
dem wenigstens eine englische Beein-
flussung unverkennbar ist, wenngleich
die Kasel vielleicht anderswo gear-
beitet wurde. Eine definitive Fest-
legung des Entstehungsortes ist nicht
wohl möglich, da es einmal an
Parallelen fehlt, andererseits stilistische
Eigenarten wie Technik einen Mittel-
weg begehen, dessen Ausgangspunkt
verschwommen ist. Der Grundstoff
dieser Kasel ist blaue Purpurseide
und mit aufapplizierten gestickten,
in vertikaler Richtung reihenweise angeord-
neten Engeisfiguren ziemlich dicht besetzt;
in die Lücken schieben sich kleine, aus
cyprischem Goldfaden gelegte Sterne. Der
Stab — eine Kölner Goldborte um 1500 —
ist später als Vertikalstreifen aufgesetzt; die
Nähspuren eines früher aufsitzenden Kreuzes
sind noch erhalten. Doch auch dieses wird
keinesfalls den ursprünglichen Schmuck ab-
gegeben haben, da die Kasel zeitlich so weit
zurückgreift, daß wir die weite gotische Form
mit Gabelkreuz für sie annehmen müssen,
die eine spätere Zeit mit anderem Geschmack
gewaltsam zustutzte. So kommt es, daß
mehrere der am Rande schwebenden Engel
rücksichtslos beschnitten sind. Kasein, kirch-
liche Paramente überhaupt, die auf dem
Grundstoff so reichen Schmuck zeigen, kennt
die spätere Zeit nur wenige, häufiger sind sie
in der romanischen und frühgotischen Periode.
Direkt eigentümlich sind sie der englischen
Stickkunst, die mit Vorliebe Kasein und
Chormäntel mit figürlichem Ornament zierte.
Diese sowie der Umstand, daß eine ganze Reihe
von fliegenden Engeln und goldgelegte Sterne
auf dem Grundstoff auftreten, legt von vorne-
herein die Vermutung nahe, daß wir eine in
England entstandene Arbeit vor uns haben,

zumal auch wiederum die den englischen
Stickereien eigene Bildung des Haares aus
spiralförmig gedrehten Goldfäden, sowie leichter
Perlenbesatz auftritt. Daran ist auch kaum zu
zweifeln, daß ein englisches Vorbild das
Schmuckmotiv abgab, verschiedene stilistische
und ikonographische Eigenarten lassen aber
auf einen anderen Geburtsort schließen. —
Die Engel sind ganz gleichmäßig gezeichnet,
augenscheinlich unter Benutzung einer Schab-
lone für den Umriß. Die Kleidung, die sich
eng an den Körper legt, besteht aus einem
weißgelben Untergewand und einem flatternden
Mantel, der in seiner Oberseite in Goldfäden,
im Umschlag in blauer Seide gestickt ist.
Eigenartig ist, daß die Stickerei nicht, wie
später fast allgemein üblich, direkt auf dem
Leinenuntergrund, sondern auf roter Seide
gearbeitet ist, die wiederum auf feine Leine-
wand geklebt wurde. Besonders sorgfältig sind
die in feinstem Modellierstich gefertigten In-
karnate durchgeführt. Charakteristisch ist die
Zeichnung der Engel insofern, als die untere
Körperpartie etwas Verschwommenes hat,
indem die Beine und Füße in eine Tuch-
wickel verlaufen, ohne daß eine detaillierte
Zeichnung oder Durcharbeitung zu erkennen
wäre. Die Köpfchen mit dem gleichmäßigen
Oval und dem etwas verkrüppelten Hinter-
haupt liegen keck im Nacken, wie im Sturm
des Fliegens zurückgelehnt, die Mantelzipfel
wie die weit ausgebreiteten Flügel geben
ebenfalls die starke Bewegung wieder. In den
Händen halten die Engel ganz gleichmäßig
gezeichnete lange Spruchbänder mit den in
Blau, Rot und Weiß gestickten Einzelsätzen des
„Te deum". Ob in der Kasel nicht ein in Köln
gefertigtes Parament vor uns liegt, das an
englische Vorbilder im Motiv sich anlehnt ?
So befremdlich der Schmuck für Deutschland
erscheinen mag — an Frankreich oder Flam-
land als Heimat ist gar nicht zu denken —
die Engelfiguren haben viel von dem im
XIV. und XV. Jahrh. beliebten Typus. Ich
verweise vor allem auf die Engelchen am
Klarenaltar des Kölner Domes, bei denen
die Mantelzipfel und die Verhüllung der
Beine eine ganz ähnliche Form aufweisen.
Auch die Inschriften der Bänder sprechen
von vorneherein gegen die englische Herkunft,
 
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