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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Oidtmann, Heinrich: Die frühgotische Balkendecke im romanischen Saale der "Sammlung Schnütgen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0101

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165

1911. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 6.

166

eigenen Behausung mit den ihm geläufigen
Zierformen geschmückt, oder wenigstens die
Arbeit für einen Verwandten ausgeführt. Denn
die späteren Zunftordnungen, die jedenfalls
auf älteren Bestimmungen fußen, verboten den
Glaswortern ausdrücklich, den Malern ins
Handwerk zu pfuschen, und umgekehrt.

Die zwischen 1371 und 1396 geschriebene,
1449 erweiterte Amtsordung der Schilder2)
untersagt dies klar und unzweideutig: ,,Yort
en sali gein meler einicherlei werk machen,
dat den glasworteren an irme ampte hinderlich
sy, noch gein glasworter malen, dat den me-
ieren hinderlich sy, under pynen van vunf m.,
asducke dat geschege."

Freilich scheint man die Vorschriften nicht
streng innegehalten zu haben.

Das Gesamtbild zeigt einen Teil der Bretter-
decke mit ihrem Gebälk, während die übrigen,
flüchtigen Skizzen der fünf Streifen — der
sechste deckt sich zeichnerisch mit dem ersten
— die Farbenverteilung nach Möglichkeit ver-
anschaulichen sollen.

Die Muster sind mit Leimfarbe auf die
Bretter gestrichen, während die Unterflächen
der Balken die Borten tragen. Rotbraune
Randleisten begleiten die eigentlichen Felder.
Die Bänder und Ranken, weiß gehalten, an
einigen Stellen gebräunt, sind von festem,
schwarzem oder schwarzbraunem Kontur
eingefaßt8).

Das erste, gemutete Feld (Taf., l) wechselt den
Rankengrund in rot-rot-rot, weiß-weiß, rot-rot-rot,
weiß-blau, rot-rot-rot, weiß-weiß und so fort. Bei der
Wiederholung des Teppichs im sechsten Streifen
folgen »ich blau-weiß-blau, rot-rot, blau-weiß-blau, rot-rot.

Das nächste Muster (Taf., 2) ist in den drei-
spitagen Seitenzwickeln blau, in den vierzipfeligen
Mittelstucken rotbraun gegründet; im übrigen weiß,
stellenweise mit brauner Tonung.

In den Vierpässen des dritten Musters (Taf., 3)
stehen sich ein blauer und ein roter Lappen schräg
gegenüber; rote Rosetten beleben den „weißen"
< irund der Zwickel.

Die Schuppen des folgenden Streifens (Taf., 4)
sind seitlich weiß; in der Mitte dagegen schieben sich
abwechselnd je drei rote und je drei blaue übereinander.

Bei der fünften Bahn (Tal., 5) stellen die Pässe
roten und weißen Grund kreuzweise gegenüber: der
Zwischenraum ist blau gehalten.

Die Horten, von denen die eiste (.Taf., 6) nach
der auf die Zeichnung der Blütenzweige und auf das

') Siehe Heinr. von Loetch, »Die Kölner Zunft-
urhunden«. (1907.) 1. S. 140.

8) Vgl. .Zeitschrift Im chrisil. Kunst., X.

Sp. 07, Willi. Schmitz; „Die bemalten romanischen
Holzdecken im Museum zu Mets**.

wiederholte Fehlen des Konturs sich stützenden Ansicht
des Herrn Dr. Witte in späterer Zeit stark verarbeitet
ist, überschlagen sich in regelmäßiger Reihenfolge.
Der erste Fries zeigt rote Blüten, unterbrochen durch
blaue gemusterte Quadern, schmale weiße und breitere
blaue Auüenstreifen.

Der zweite (Taf., 7), begleitet von hellroten Säumen,
ist zwischen den blauen Blumenrosetten mit weißer
Bandverschlingung verziert, deren Kreuzungen mit
blauen Tupfen bemalt sind; der äußere Grund ist
„weiß", der innere dunkelbraun, auch wohl graugrün
mit roten Pünktchen.

Die Felder mit den heraldischen Tieren,
weißen Löwen auf hellrot, schwarzen Adlern auf weiß,
könnten gleichfalls vom Glasmaler herrühren. Die untere
Ansicht des Querbalkens ist weißgmndig mit roten
Punkten, Vierpässen und Blättern.

Der Einfluß der Glasmaltechnik mit ihrer
scharf umrissenen Pinselführung auf die Zeich-
nung der Buch- und Wandmalerei in der Früh-
zeit ist allgemein bekannt. Eine vollständige
Nachahmung der Bleifassung an Teppichen
aus der Zeit um 1500, bei denen die Umrisse
gleich dem Bleigerippe eines Glasgemäldes
durch schmale Stofllitzen dargestellt waren, sah
ich im Südschiff der St. Lorenzkirche zu Nürn-
berg, ähnliche im Germanischen Museum sowie
im Bayrischen Nationalmuseum zu München.

Die eben geschilderte Zimmerdecke dürfte
jedocTi einzig in ihrer Art sein. Mit geringen
Änderungen ließe sie sich zu einer Werk-
zeichnung für Glasteppiche umwandeln. Offen-
bar sind die Vorlagen von einem Glasmaler
entlehnt. Wenn auch die Färbung der
Flächen in ihrer Verteilung nicht ganz mit der
Glasmalereitechnik in Einklang zu bringen
ist, so würde dieser Umstand nicht gegen
die Möglichkeit sprechen, daß ein Glasmaler
selbst die Bemalung vorgenommen haben
könnte. Weshalb sollte er von der in der
Wandmalerei gegebenen größeren Bewegungs-
freiheit keinen Gebrauch gemacht haben?

Die Farbenstimmung entspricht vollkommen
der gleichzeitigen Grisailmalerei, das lichte
Blau und das gleichwertige Braunrot, von dem
Ton der Terra di Siena, letzteres an einzelnen
Stellen heller und frischer, halten sich in den
Grundflächen neben dem „Weiß" das Gleich-
gewicht. Letztere Farbe ist wohltuend ge-
dämpft, kurz, die ganze Farbenwahl bei dieser
Zitnmermalerei hat etwas Angenehmes, Freund-
liches. Auf dieser Balkendecke ruht eine un-
gemein feine Stimmung, die ihr Maler der
zweifelsohne vorbildlich gewesenen Kunst der
„Glasworter" glücklich abgelauscht hat.

Lumich.

Hein rieh Oi d t m ann.
 
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