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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Reiners, Heribert: Der Meister von Siersdorf, [2]: Ein niederrheinischer Bildschnitzer aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0103

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169

1911. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 6.

170

Stab ist ähnlich dem des Bischofs in Siersdorf
mit den Arkaden am Ansatz der Krümme. Die
darin angel rächten Putten sind ganz im Geiste
der Renaissance. Unter der Tiara, fast ent-
sprechend der der übrigen Bischoffiguren, quillt
das Haar ringeiförmig hervor. Das Antlitz
hat wieder das asketische Gepräge mit den
stark vorspringenden Backenknochen, den
scharf eingegrabenen Furchen, die von der
Nase abwärts gehen, und dem vorspringenden
Kinn, das als Künstlersignet das Grübchen
wiederholt. Der Mund geht am meisten mit
dem der Reliquien-
büste in Waldfeucht zu-
sammen, der die Figur
wohl zeitlich am näch-
sten steht. Sie ist groß-
flächiger als die übrigen
und noch schärfer in
den Brüchen. Der
Chormantel wirkt zum
Teil wie frischesLeinen
und hat noch nicht
den weichen, fast zum
Schweren und Mas-
sigen gesteigerten Ein-
schlag der Siersdorfer
Figuren. Den Unter-
schied zeigt am besten
der Umschlag am
Arm, den man mit der
Behandlung bei dem
Siersdorfer Bischof
oder der Elisabeth
dort vergleichen möge.
Die Figur stammt aus
Karken bei Heins-
berg, zeigt damit auch
schon lokal die Zu-

Fig.8

gehörigkeit zu unserer Gruppe an. Schweitzer,
der auf die Beziehungen zu der Lambertus-
figur in Waldfeucht sowie dem Nikolaus in
Siersdorf und irrtümlich auch zu der Sitzfigur
in Bocket aufmerksam macht, weist sie der
Kalkarer Schule um 1500 zu, was jedoch nicht
haltbar ist, wie ich unten noch weiter be-
weisen werde.

Auch das Kaiser-Wilhelm - Museum zu
Krefeld besitzt zwei Arbeiten unseres Künstlers
in den Figuren des Johannes und der Maria
von einer Kreuzigungsgruppe. Sie waren ur-
sprünglich in der Sammlung meines Vaters
(Clemen, Kunstdenkmäler des Kreises Kempen, '

S. 1 13), der sie in Emmerich von einem
Bildhauer kaufte, der sie hinwiederum an-
geblich aus einem Kloster zu Boxmeer,
einem holländischen Dorfe unweit Goch, er-
worben hatte. 1900 gingen sie an das
Krefelder Museum über. Die Figuren sind
in Eichenholz geschnitzt, 1,45 m hoch. Alle
Kennzeichen des Künstlers kehren auch hier
wieder. Johannes (Fig. 10) trägt über dem Kleide
einen Mantel, der an der rechten Seite offen
und auf der Schulter hier durch zwei Knöpfe
geschlossen ist, während der linke Arm ihn
aufnimmt. Dies war
eine beliebte Tracht
der Johannesfigur, und
sie kehrt genau so
wieder, auch mit dem
offenen, hohen Hals-
kragen des Kleides
und der hochgenom-
menen linken Mantel-
seite bei einer Statue
der Sammlung Schnüt-
gen. Die Haltung der
(ergänzten^ Hände ist
typisch für den oberen
Niederrhein und unter-
scheidet sich vom
unteren. Sie wieder-
holt sich u. a. bei der
Kreuzigungsgruppe bei
St. Johann Baptist
in Köln, bei einer
kleineren Gruppe in
meinem Besitze und
etwas variiert bei dem
aus Korneümünster
stammenden Johannes
des Aachener Muse-
ums. Der untere Niederrhein zeigt dagegen fast
stets das aus der byzantinischen in die
romanische Kunst übernommene Motiv, bei
dem Johannes in seine Locken faßt. Das
Thema der beiden klagend erhobenen Hände
hat mehr Gefühl und entspricht somit schon
eher dem oberen Niederrhein, das andere
ist dagegen mehr auf eine größere, klare
Komposition zugeschnitten und mußte daher
dem unteren Gebiete näherliegen. In Kaikar,
Hanselaer, Hommersum, Hönnepel, Kleve, wo
es uns auf dem bekannten Buchdeckel der
Stiftskirche begegnet und bei zwei Figuren
im Pfarrhause, ferner in Bocholt ist das Motiv
 
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