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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Reiners, Heribert: Der Meister von Siersdorf, [2]: Ein niederrheinischer Bildschnitzer aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0105

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173

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

174

zu Siersdorf. (Franrk und Renard, Die
Kunstdenkmäler des Kreises Jülich, S. 216
Taf. XL — Aus'm Weerth, Kunstdenkmäler
des christlichen Mittelalters in den Rhein-
landen III, S. 38, Taf. 51. Katalog der
kunsthistorischen
Ausstellung Düssel-
dorf 1902, Nr. 641
m. Abb. — Über
die Restaurierung
im Jahre 1901
durch den Bild-
hauer Langenberg
vgl.: Berichte über
die Tätigkeit der
Provinzialkommis-
sion für die Denk-
malpflege in der
Rheinprovinz VII
1002, S. 65 m. Abb.)
Der Aufbau ist
durchaus originell:
Von zwei seitlichen
Stützen ein Bogen
ausgehend, der in
der Mitte von einer
Madonna im Strah-
lenkranze bekrönt
wird. Auf den
Kapitalen der seit-
lichen Säulen steht
der Kaiser Augustus
und ihm gegenüber
die tiburtinische
Sibylle, die ihn auf
die Madonna, wie
auf eine Vision hin-
weist, ein Thema,
das anscheinend
in der niederrheini-
schen Plastik gern
gegeben wurde und
u.a.an dem Sieben-
schmerzenaltar in
Kaikar uns be-
gegnet. Der Kaiser
Augustus ist hier
in eine modische

Tracht gesteckt, die einem Frauenkostüm an
Reichtum kaum nachsteht. Fast suchten sich
in jener Zeit Männer und Frauen zu überbieten
an spielerischer Behandlung des Kostümes,
gingen doch die Männer schließlich so weit,

Haupt- und Barthaar zu flechten, und die
Prediger hatten volles Recht, gegen die weibische
Putzsucht der Männer zu eifern. Zweimal ist
der lange Mantel des Augustus gegürtet mit
Überfall, der Gelegenheit bot zu neuen Zacken

und Schiitzen.Seine
Ärmel sind fast
genau so behandelt
etwa wie die der
Katharina in Siers-
dorf. Das rechte
Bein tritt aus dem
langen Seitenschlitz
heraus. Das brachte
Bewegung in die
Figur, und die Ge-
wandung und bot
Gelegenheit zu
neuen Spielereien
des Kostümes. Das
Schwert, das an
einerstarken Kette
an der linken Seite
hängt, braucht man
nicht ernst zu neh-
men. Die Figur
wirkt vielmehr, als
habe sich einer ein-
mal in ein Phan-
tasiekostüm des
Kaisers Augustus
gesteckt.

Die Sibylle steht
ihm an modischem
Putz nicht nach
und ist wohl das
Bizarrste, was der
Meister an Frauen-
tracht geschahen
hat. Auch sie geht
noch in manchem
mit der Katharinen-
figur zusammen, ist
aber doch noch
um einen Grad
kapriziöser gewor-
den. Das knapp
anliegende Ober-
kleid, das alte cürset, ist in der Hüfte mit
einem Überschlag gegürtet und weiter mit
seitlichem Schlitz heruntergeführt und mit
einer breiten Borte umzogen, an der unten
Quasten wie Schellen baumeln. Die Ärmel
 
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