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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Reiners, Heribert: Der Meister von Siersdorf, [2]: Ein niederrheinischer Bildschnitzer aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0106

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175

1911.

ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

176

sind ähnlich denen des Augustus und der
Katharina mit ihren geschlitzten Bäuschen.
Besonders charakteristisch, wie am oberen
Ansatz die auslaufenden Tuchstreifen abstehen
und dadurch erst die dem Meister erwünschte
Unruhe bringen. Den Mantel hat er jetzt
ganz fortgelassen, da er nur die reiche Auf-
lösung des Kleides verdeckt hätte. Aber er
entschädigt sich durch das lange, schleierartige
Tuch, das, an der Rückseite des Halses aus-
gehend, von der Linken aufgenommen und
nach vorne gehalten wird. Die Hand zeigt
dabei wieder das charakteristische Fassen
mit den langen
Fingern, wovon
der kleine steif
abseits steht. Das
Haar ist ganz ver-
deckt. Es scheint
fast, als wollte
man nun alles,
was nur irgend
an die Natur er-
innert, ganz ver-
stecken. Nur die
Gesichtsmasken
fehlen noch zu
solchem Kostüm.
Neben einer eng
anliegenden Hau-
be decken den
Kopf an den
Ohren Muscheln,
die flügelartig
nach oben aus-
laufen. Ein Band
unter dem Kinn
dient zur Befesti-
gung. Der Kopf
zeigt das Gepräge der eben
Figuren mit scharfem, kokettem
Grübchen im Kinn, so daß

Fig. 10.

genannten
Mund und
auf Grund all
der Übereinstimmungen die Urheberschaft des
Schöpfers der übrigen Werke wohl ohne
Zweifel ist. Die Verwandtschaft mit den Siers-
dorfer Einzelstatuen hat schon Renard (a. a. O.)
erkannt.

Für einen Künstler, der sich so an kapri-
ziösem Kostüm und technischer Fertigkeit —
denn das ist es im letzten Grunde — ergötzt,
mußte der Verbindungsbogen zwischen den
Stützen in seiner Auflösung ein besonders
willkommenes Motiv sein. Er hat den Bogen

als ein großes, durchgehendes Astwerk be-
handelt, das beiderseits unter dem Kapital
seinen Anfang nimmt und bei der Konsole
des Scheitels, die die Madonna trägt, sich
vereinigt. Am Bogenansatz hockt jedesmal
ein Drache, den etwas höher, ein im Laubwerk
verschlungener Mann bekämpft, der linke mit
gezücktem Schwerte, der rechte mit Bogen
und Pfeil. Weiter oben erscheinen zwei
knieende Männer, die betend ihre Hände zur
Madonna erheben. Links Johannes der Täufer,
der sich auf ein Knie niedergelassen hat,
vor sich im Astwerk das Lamm, rechts

der bescheidene
Stifter. Ausge-
zeichnet ist die
technische Be-
handlung des
Ganzen, und mit
größtem Geschick
sind die Figuren
den Ranken ein-
gefügt. Nirgend-
wo fühlt man
eine Unbeholfen-
heit oder Un-
sicherheit, klar
und ohne daß
das eine oder
andere sich vor-
drängt,gehen Ast-
werk und Figuren
zusammen und
scheinbar mit der
größten Leichtig-
keit bleibt das
Ornament inner-
halbseinerBogen-
grenze. Besonders
geschickt ist der Bogenschütze, der seine
Füße fest aufstemmt, um dem Pfeil die
nötige Kraft zu geben. Die Köpfe sind
minutiös durchgeführt, von gutem Ausdruck
und haben fast durchweg den bekannten Typus
des Meisters. Auch der linke Drache ist
charakteristisch. Mit der überlangen Schnauze
und den langen Eselsohren geht er mit dem
Untier unter den Füßen des Bischofs im
Aachener Museum zusammen. Der Bogen steht
den bekannten Arbeiten vom unteren Nieder-
rhein, besonders denen in Xanten und Kaikar,
kaum um etwas nach und ist den Fällungen
der Antwerpener Altäre, z. B. in Aldenhoven,

Fig. 11.
 
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