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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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191

191!. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

192

anteil des Buches bereits einmal „das Licht der Welt
erblickt hatte", nämlich der kompendiüse Abschnitt über
die berühmten Sabin:i-Türen, der bereits 1892 erschien.
Daß der gute alle de Rossi nun nochmals aus dem
Grabe steigen und einen komplimenteusen Brief ver-
lesen muß, zum hundertsten Male vielleicht, den er
a. d. 1892 an den Verfasser mit all der obligaten
italienischen Verbindlichkeit geschrieben, die nun ein-
mal dort unten üblich ist, wenn einem zum fünfzigsten
Jubiläum eine literarische Gabe zu den Orden gelegt
wird, das ist erst recht — überflüssig. Ihn in Ehren,
den großen Archäologen, er geht selbst in fast diplo-
matischen Wendungen mit noch geschickteren Opta-
tiven einer abschließenden Beurteilung aus dem Wege.
Dali B. dann der trefflichen Untersuchung Wiegands
die Ehre der Erwähnung erweist, indem er die dort
gebotenen Abbildungen belobigt, ist nicht gerade klug,
nicht auch wissenschaftlich, mit ihm gerade und
P. Grisar hätte Berliner sich füglich auseinandersetzen
müssen, mit diesen deutschen Gelehrten, die mit
heiligem Ermt an ihre Aufgabe herangingen. Berliner
hält an seinen alten Irrtümern eigensinnig fest, trotz-
dem P. Grisar in seiner nüchternen historischen Methode
meines Erachtcns schlagend nachgewiesen hat, daß
beispielsweise von dem „byzantinischen Ursprung" der
Sabina - Türen nichts zu halten ist. Betthier greift
nochmals die griechische Inschrift IX&YC auf der
Schrifirolle Christi auf und führt sie als „Beweis"
ins Feld. Diese in Rom abgenutzte Formel besagt
sowenig wie ein A und S2. Daß aber das Wort gar
falsch geschrieben ist, — mag man nun l\QCY
oder IXT(ü)C lesen — darauf legt Berthier kein
Gewicht, und doch spricht dieser Umstand direkt da-
gegen, daß ein griechischer Künstler mit der Aus-
führung durch Papst Coelestin I. betraut worden sei.
(Vergl. Näheres bei Stubl'auth „Die altchristliche Elfen-
beinplastik" S. 205 ff., sowie Grisar, Römische Quartal-
schriften 1894 S. 39). Oder tun wir dem Verfasser
unrecht, wenn wir glauben, er habe wenigstens auch
die kunsthistorische Seite von S. Sabina behandeln
wollen ? Material bietet er in genügender Fülle, nur
findet sich's hier und dort, ohne Zusammenhänge,
Echtes durchsetzt mit Unechtem, Verbürgtes mit
Kritiklosem. Zudem ist das Abbildlingsmaterial
ganz und gar unzulänglich, schlecht, auch bei den
Reliefs der archäologisch, ikonographisch wie kunst-
historisch so wichtigen Türe. Man besehe sich
die Miniaturen S. 388 ff., die in dieser Nach-
bildung absolut unbrauchbar und verwirrend sind, so
daß man bei Fig. 77 gar in einen Zustand ernstlichen
Bedenkens gerät, ob denn hier ein Original vorliege.
So auch Fig. 83, der Fußboden von S. Sabina; eine
solch flüchtige Zeichnung gibt keine Vorstellung.
Kapitel XII „Tombes et tombeaux ä Sainte-Sabine" gibt
im wesentlichen das, was Fotcella (Iscrizioni delle
chiese di Roma) bietet, nur in anderer Anordnung,
immerhin ist es aber der erfreulichste Abschnitt.
Zum Schluß fällt Berthier ganz und gar in den Ton
des Erbauungsschriftstellers, und in diesen geraten selbst
die Illustrationen; beispielsweise pag. -182 „im tameau
de l'oranger de Saint Dominique": Orangen zum An-
beißen, aber ich wüßte nicht, was diesen reizenden
Orangenzweig porträtmäßig unterschiede von irgend-

einem im Garten des Sultans von Marokko gepflückten.
Dazu paßt auch das aufregende farbige Titelbild:
S. Sabina und S. Seraphia nach einem Glasgemälde in
Freiburg i. S., eine spukige Darstellung einer gewaltsam
aufgeregten Orientalin. — Über das Buch wäre noch
mancherlei zu sagen, aber man weiß nicht, unter
welcher Flagge es fahren will, ob unter der kunst-
wissenschaftlichen oder der erbaulichen ; deshalb können
wir es weder ganz verwerfen, noch ihm einen Emp-
fehlungsbrief mitgeben. Sollte es Anspruch auf den
Ehrentitel einer kunstgeschichtlichen Untersuchung
machen, so lehnen wir es als eine durchaus unsyste-
matische Arbeit ab; die Hälfte seines Umfanges und
weniger hätte dann auch genügt. Witte.

W. H. v. d. Mülbe. Die Darstellung des
Jüngsten Gerichtes an den romanischen
und gotischen Kirchen portalen Frank-
reichs. Leipzig 1911. Verlag Klinkhardt & Bier-
mann. Preis br. 4,50 M , geb. 8 M.
Ein ungewöhnlich reiches Studienmaterial hat der
Verfasser zusammengetragen. Waren die meisten der
französischen Portalskulpturen auch schon längst
bekannt, eine solch' saubere Bearbeitung auch nach der
ikonographischen Seite, die dann auch auf die formale
Gestaltung beeinflussend gewirkt hat, war ihnen noch
nicht zuteil gewoiden. v. d. Mülbe geht über den
Rahmen, den er sich gesteckt, stellenweise weil hinaus
und gibt prinzipielle Erörterungen über die durch die
Jahrhunderte laufende Auffassung vom Gerichtstage.
Soweit die französischen Portalskulpturen in Frage
kommen, ist man freudig überrascht über die alsolute
Vertrautheit des Verfassers mit dem Stoff und die
feinsinnige Würdigung der Bilder nach der inhaltlichen
gegenständlichen Seite wie nach der kunstästhetischen.
Durchaus abschließend ist da wohl sein Urteil. Was
die mehr allgemeinen Erörterungen und die Parallelen
angeht, die V. d. Mülbe z. B. mit Michelangelo zieht,
so darf man hier die Frage noch keineswegs als geklärt
betrachten. Ich mache auf den Sitzungsbericht des
archäolog. Instituts in Rom vom 21 - April d. J. auf-
merksam, in dem Wilpert an der Hand von Cavallinis
Gericht in S. Cccilia in Trastevere Rückblicke und
Ausblicke gibt. Nachdruck möchte ich vor allem gelegt
wissen auf eine präzise Scheidung von Einzel- und
Weltgericht. Wilperts Angaben können das sonst so
reiche Material des Verfassers in Einzelheiten ergänzen,
umgekehrt aber werden auch Wilperts Ausführungen
wesentlich ergänzt. Was Michelangelos Bild angeht,
bin ich der Meinung, dalS der Florentiner bei aller
Hochachtung vor der Tradition einen Wendepunkt in-
sofern darstellt, als bei ihm der Gedanke an den
„Res gloriae" der wörtlichen Übersetzung des „dies
irae" weichen muß. Wie weit die Trilogie: Erschei-
nung Christi in den Wolken, Gericht und Realisierung
des Urteils auf die Zonengestaltung von Einfluß ge-
wesen, das genau zu untersuchen und zu beantworten,
steht noch aus, die Raumgestaltung allein wird der
maßgebende Faktor nicht gewesen sein. v. d. Mülbes
Arbeit bedeutet einen großen Fortschritt in der Er-
forschung der Weltgerichtsdarstellungen Überhaupt, für
die französiM-hrn Poitalsktilptiuen schließ! sie ab.

Witte.
 
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