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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Witte, Fritz: Ein Bischofsstab des ausgehenden XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0117

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195

191!.

ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 7.

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mundi. Die spitzzulaufenden drei Stücke des
Schlusses führen leichtes Rankenornament.
Die zwei Rückenflächen und die beiden nach
innen liegenden sind als breite Hohlkehlen
gebildet. Im Inneren der Krümme legt sich
kranzartig ein leichtes Maßwerkornament mit
dem Lamm Gottes in die kreisrunde Fläche.
Das Lamm steht auf einem kleinen Terrain-
sockel und hält mit dem linken Fuß die
Kreuzfahne, der Kopf mit vergoldeter, drei-
geteilter Gloriole ist zurückgewendet. Um
eine möglichst naturalistische Wirkung zu er-
zielen, sind die Haare des Lämmchens aus
aufgerolltem Silberdraht gelegt, so daß sie etwa
wie der Knötchenstich in der Stickerei wirken.
Zu besonderem Schmucke des Stabes gestaltet
sich der Rücken der Kurvatura. Aus starkem
Silberblech getriebene Blattwerkkrabben mit
kühnen Buckelausladungen und viel-
fach sich umlegenden Blattzipfeln
schmiegen sich, immer kleiner werdend,
an den Rücken, wie Getier, wie
Schnecken langsam, träge fast empor-
kriechend und in ihren stets wech-
selnden Ausladungen den Blick
hemmend, daß er nicht zu schnell an
der flotten Schwingung der Krümme
vorbeigleite.

Der Erhaltungszustand des Stabes
ist ein selten guter, nur eines der Giebel-
zwischenstücke ist ausgebrochen, in
der Krümme fehlen zwei Steine.
Die Feuervergoldung ist später erneuert, ohne
daß alte Bruchstellen vorher ergänzt worden
sind; auch der Steinschmuck gehört wohl
einer späteren als der Entstehungszeit an.

Wo ist der Stab gearbeitet, und wann ?
Die letztere Frage läßt sich leicht und sicher
beantworten. Die schon flaue, wenig straffe
Durchführung architektonischer Details, die
freifetriebenen Krabben der Krümme, der
Schriftcharakter der Niellobänder, die Auf-
teilung des Ausgangsknotens, sowie vor allem
die breite, untersetzte, derb realistische Be-
handlung der Silberfiguren legen die Arbeit
für das ausgehende XV. Jahrh. fest, etwa in
die Zeit von 1480—1500. Wie leider so oft,
ist der letzte Aufbewahrungsort nicht fest-
zustellen, vermutlich aber kam das Stück aus
Nordostfrankreich. Ich bin sicher, daß diese
Auskunft vielfachem Kopfschütteln begegnen
wird, und mit Recht. Und doch ist ihr aus
einem Grunde einiges Gewicht beizulegen:

An der schmalen Front der Krümme befindet
sich ein scheinbar aus dem Kern des Stabes
herausgetriebenes Wappenschild, durch einen
Streifen von rechts nach links (heraldisch) ge-
teilt, mit drei Burbonenlilien. Ein Stechhelm
trägt als Helmzier über einer einfachen Decke
eine Mitra. (Abb. 1.) In Wirklichkeit ist das
ausgeschnittene Wappen fest aufgelötet; über
der Mitra zeigen sich einige Metallspuren
von vielleicht früher an der Stelle haftendem
Schmuck. Der Charakter des Wappens ist
ein ganz anderer, fremderer, als der des übrigen
Schmuckes, man denkt an Frankreich. Das
Wappen dürfte auf eine der vielen Seiten-
linien der Bourbonenfamilie hinweisen, deren
Mitglieder als hohe kirchliche Würdenträger
im Mittelalter des öfteren angetroffen werden.
Die Krümme als solche ist nach Form
wie Technik durch und durch deutsch.
Auf eines möchte ich dabei hin-
weisen. M. Lehrs hat seinerzeit auf
verschiedene von Schongauer, Israel
v. Meckenem, vom kölnischen Mono-
grammisten I C sowie vom Meister
~W/\ gestochene Vorlageblätter für
Bischofsstäbe usw. hingewiesen'.)
Lehrs sprach dabei die Vermutung
aus, daß die Kupfer auch praktische
Verwertung fanden, „obwohl sich
nicht ein einziger Fall der Abhängig-
keit eines noch erhaltenen Kirchen-
gerätes von einem der bekannten
Kupferstiche nachweisen" lasse2). Ich habe
in Jahrgang 1910 dieser Zeitschrift8) darauf
hingewiesen, daß tatsächlich eine Ausführung
des Schongauerschen Kupfers „Weihrauch-
faß"4) noch erhalten ist im Rijksmuseum,
Amsterdam. Ich zweifle nicht daran, daß
auch bei unserem Stabe eine in Kupfer ge-
stochene Vorlage Pate gestanden hat, und
wenn ich eine Vermutung aussprechen darf,
so ist es eben der Meister 'w^, der sie
lieferte. Verwandtschaftliche Beziehungen zu
ihm sind unverkennbar. Mag sein, dass auch
bei Israel v. Meckenem und beim Kölner
Monogrammisten Ähnlichkeiten sich finden,
sie können immerhin hier ausgeschaltet werden,

') »Zeitschrift f. christl. Kunst« 1893, Sp. 0f> ff.,

mit Abb. „Über gestochene Vorlagen für gotisches

Kirchengerät".

•) a. a. O. Sp. 00.

a) »Zeitschrift f. christl. Kunst« 1910, Sp. 101.

4) Vergl. Wessrly, „Das Ornament" 1, Nr. 13
und ir>, sowie „Formenschatz" 1887, Nr. 'j.
 
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