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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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223

1911. -_ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

224

Blick zwar in einer der jetzigen Generation weniger
geläufigen, weil so lange zurückreichenden Form dar,
aber dafür um so imposanter und origineller, so daß
er sehr geeignet ist, die Erinnerung an die vielleicht
bedeutendste, zugleich populärste kirchliche Persönlich-
keit des vorigen Jahrhunderts neu zu beleben.

Schnütj^en.

Glasperlen und Perlen-Arbeiten in alter und
neuer Zeit von Gustav E. Pazaurek. Darm-
stadt 1911 (Alex. Koch).
Es war eine dankenswerte Sache, in Stuttgart eine
Ausstellung von Perlenarbeiten aus alter und neuer
Zeit zu veranstalten, jetzt gerade, wo die Perlenstickerei
durch die neuerwachte Vorliebe für das Primitive der
Biedermeierzeit wieder zu Ehren gebracht ist. Aus
der Ausstellung ist das Buch Pazaureks herausgewachsen.
Der Verfasser gibt klare Bilder der Herstellungsart
der verschiedenen Perlenarten und versucht ihre Ge-
schichte zu schreiben Daß mich seine historischen
Ausführungen überall befriedigt haben, kann ich nicht
behaupten. Die so gang und gäbe gewordene Bezeich-
nung der mit Stanzplättchen durchsetzten Perlenarbeiten
als „Opus Angücanum" hängt beispielsweise in der
Luft Woher diese Bezeichnung? Ich möchte mich
auf den Standpunkt stellen, daß Opus angücanum ein
Sammelname für die aus England im XI1I./XVI. Jahrh.
importierten Stickereien überhaupt bedeutet. Wie kommt
es, daß Sachsen und Westfalen im XII./XI1I. Jahrh.
mit ihren Arbeiten so im Vordergründe stehen? Sind
letztere alle heimatlichen Ursprunges ? Auch glaube
ich nicht, daß eine Geschichte der Perlenstickerei sich
schreiben läßt, ohne daß die auch in Rücksicht gezogen
wird, die der echten gewachsenen Perle sich bedient.
Damit käme man auch einer Erklärung des Opus an-
glicanum näher, denn England hat vielfach derartige
Arbeiten zu uns geschickt. Im übrigen sind Pazaureks
Ausführungen überaus wertvoll und mit großem Ver-
ständnis zusammengestellt. Für das vornehm aus-
gestaltete Buch wissen wir ihm Dank. Witte.

Amida. Materiaux pour l'epigraphie et l'histoire niu-

sulmanes du Diyar-Bekr. Beiträge zur Kunstgeschichte

des Mittelalters von Nordmesopotamien, Hellas und

dem Abendlande. Von Max van Berchem und

Josef Strzygo wsk i. Mit einem Beitrage: „The

churches and monasteries of the Tur Abdin" von

Gertrude L. Bell. XXIII Tafeln in Lichtdruck

und 330 Textabbildungen. Gr. 1 °. Geb. (i0 Mark.

Heidelberg 1910, Karl Winter.

Strzygowski erkämpft sich Schritt um Schritt sein

Terrain, er schüttelt immer mehr Gegner ab, und selbst

Vorsichtigere treten in seine Pfade. Nicht immer,

nicht in allen Einzelheiten, denn Strzygowski steht zu

sehr unter dem Eindruck seiner einmal gewonnenen

Meinung und glaubt alles und jedes mit dem Orient

verbinden und auf den Orient zurückführen zu sollen.

Amida ist ein glänzendes Buch und wer Strzygowski

und van Berchem zu folgen wagt in der erdrückenden

Vorführung des großen Materiales, d- r wird allerdings

auch ihre Resultate zumeist unterschreiben. Drei

Autoritäten von Ruf taten sich zusammen, uns zu

führen : Der Genfer Orientalist van Berchem, Strzygowski

und in gewissem Sinne auch der französische General

de Beylie, der durch seine ebenso mühsamen wie er-
folgreichen Forschungsreisen in Indien, Nordafrika usf.
rühmlichst bekannt geworden. Und wenn dann noch
Männer von so hoher wissenschaftlicher Qualität in
Orientalicis und christlicher Archäologie, wie Anton
Baumstark, ihre Feder einem solchen Unternehmen
leihen, so tritt man ihm gleich anfangs mit frohem
Hoffen gegenüber. Van Berchems erster Teil ist das
Muster einer epigraphisch, historisch und archäologisch
peinlichen Forscherarbeit. Der Verfasser liest uns die
Geschichte der Stadt Amida (heute Diarbekr) ab aus
den zahlreichen Inschriften an den Mauern der Türme,
Tore und Häuser. Über die Herrschaft der Ortokiden
und der Merwaniden führt er uns zu den Seidjucken.
Eine längst bekannte, vielfach publizierte Schüssel, die
als Export des Landes gelten muß, wird erneut heran-
gezogen, die große Schale in Innsbruck mit der Dar-
stellung von Alexanders Himmelfahrt im Spiegel.

Strzygowski fällt der schwierigere Teil zu: Die
Bindung zwischen Orient und Okzident die Parallel-
steilung der Kunstprodukte beider Länder, vornehmlich
der Architektur. Die Beweisführung Strzygowskis ist
durchaus überzeugend: Der Ausgangspunkt der Archi-
tektur in Mesopotamien ist die Antike. Die Kirchen
christlichen Ursprunges in Amida holen sich auch aus
den weiter östlich gelegenen Ländern, aus Persien
einen nicht unbedeutenden Teil ihrer Formensprache.
Gertrude Bell untersucht die Kirchen und Klöster
von Tur Abdin und stellt fest, daß die dortigen sakralen
Bauten für die Entwicklung der tonnengewölbten Basilika
des Abendlandes von weittragender Bedeutung waren.
Jedenfalls weitet sich nach dem in Amida nieder-
gelegten Material unser Blick, die Perspektive ist größer
geworden, und wir werden es demnächst gelassener
hinnehmen, wenn vielleicht von Strzygowski oder von
anderer Seite noch überraschendere Tatsachen uns be-
richtet werden. Für die große Kunst, besonders die
Architektur, mangelt uns die Autopsie und wir ver-
lassen uns auf das photographische und zeichnerische
Material, für manchen Zweig der Kleinkunst — ich
erinnere an Gewebe und Bronzen — bieten die Be-
stünde unserer Museen genügendes Rüstzeug, um einer
Beeinflussung okzidcntaler Kleinkunst nicht nur vom
Sasanidenreiche und Byzanz her, sondern über diese
weg vom fernen Osten das Wort zu reden. China
war hier wohl der gebende Teil. Genauere Kunde
davon müssen uns die neuerdings einzurichtenden
Museen für ostasiatische Kunst bringen, deren erste
Errichtung größten Stiles für unseren Westen das in
Köln demnächst sein wird.

Was an der Hand des von anderen gesammelten
photographischen Materiales von den Verfassern zu
erreichen war, das ist sicher in Amida herausgeholt
worden. Autopsie und Spaten werden vielleicht
mancherlei noch klären und mehr noch ergänzen müssen.
Strzygowskis Wunsch ist auch der unsere, daß dieses
bald und ganz möglich werde.

Die Ausstattung des Buches ist prächtig; die Wissen-
schaft kann sich nicht in allen Fällen um malerische
und formvollendete Durchbildung der Aufnahmen
kümmern, sie bringt uns nur die unfrisierte Wahrheit,
und sei sie auch nur vom Amateurapparat unter
schwierigsten Umständen festgehalten. Witte
 
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