Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

DOI Artikel:
Witte, Fritz: Eine Reliefgruppe des Jan Bormans
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0134

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
227

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8-

228

zweifellos die Füllung einer untergeordneteren
Nische in der Bekrönung einer Hauptgruppe,
oder in einer Hohle des Rahmenwerkes.
Darauf ist es zurückzuführen, daß beispiels-
weise die Hände etwas wenig bewegt und
detailliert durchgeführt sind. Im übrigen sind
beide Figürchen mit großer Sicherheit model-
liert und geschnitten, und auch die — leider
etwas schadhaft gewordene — Polychromie
paßt sich der guten Qualität des Stückes an,
sie geht in der Hervorhebung des inhaltlichen
Elementes im Relief mit der Schnitzerei Hand
in Hand und hat besonders in den Köpfchen
nichts Schematisches oder Handwerksmäßiges.
Aus der guten Qualität einer solchen Neben-
gruppe dürfen wir auf eine vielleicht noch
höhere bei den großen Gruppen des Altares
schließen, und von vornherein liegt es nahe,
unter den bedeutenderen Schnitzern des be-
ginnenden XVI. Jahrh. Umschau zu halten.
Auf der Ausstellung in Strängnäs (Nor-
wegen) 1910 war ein bis in die Details treff-
lich erhaltener Schreinaltar aus Jäder in
Södermanland zu sehen, der als Brüsseler Arbeit
mehrfach bezeichnet ist (Abb. 1). Er wurde
allgemein und bedingungslos als eine Pracht-
leistung des Jan Bormans von Brüssel um
1520 bezeichnet.]) Seine Stilverwandtschaften
mit Bormans Altar in Güstrow ist überzeugend
und auch mit den bislang publizierten Schnitze-
reien derselben Herkunft geht er in allen
Einzelheiten prächtig zusammen.2) Ein Ver-
gleich der kleinen Gruppe der Sammlung
Oppenheim mit den Bildwerken im rechten
Seitenstück des Altares in Jäder wirkt über-
raschend insofern, als genau dieselbe Dar-
stellung sich oben in der Bekrönung der
Hauptgruppe findet. Die einzigen gering-
fügigen Unterschiede bestehen darin, daß auf
dem norwegischen Stück die hl. Elisabeth
mehr im Profil, die Madonna aber frontaler
gestellt ist, und unter dem Gewände der
ersteren auch die linke Fußspitze erscheint.
An der Annahme, daß beide Bildwerke aus
derselben Hand hervorgegangen seien, kann
nicht der le'seste Zweifel bestehen. Selbst

l) Ausstellungskatalog Nr. 143. Höhe des Altares
2,80 m, Breite 2,50 m.

i) Schlie, »Kunst- und Geschichtsdenkmäler des
Großherzogt. Mecklenburg-Schwerin«, IV. S. 233 ff.
Schlie, »Das Altarwerk der beiden Brüsseler Meister
Jan Borman und Bernaert van Orley in der Pfarrk.
zu Güstrow., ISS3.

die vorhin erwähnte Schwäche des von Oppen-
heimischen Stückes kehrt wieder, die etwas
oberflächlich behandelte Hand. Daß eine
Kopie nach Bormans vorliege, ist kaum anzu-
nehmen, dazu ist die Übereinstimmung auch
in der prächtigen Polychromie zu genau, und
der seelische Ausdruck der reizenden Köpfchen
zu sehr aus der ganzen Haltung der Figürchen
herausgewachsen. Schon aus diesem Grunde
muß auch eine Zuschreibung etwa an Bormans
Sohn oder an Pasquier abgelehnt werden,
denen Destree den allerdings verwandten
Altar in Notre Dame zu Lombeek in Belgien
zuteilt.3) Diese Arbeiten sind weit hand-
werksmäßiger und seelenloser in den Kom-
positionen. Interessanter noch wird die hier
besprochene Gruppe, wenn wir sie in Be-
ziehung setzen zu einem der bedeutsamsten
flämischen Altarwerke in Westfalen, der in
der Pfarrkirche zu Vreden sich befindet.4)
Die dort in der Predella angebrachte Heim-
suchungsgruppe kann ebenfalls von der unse-
rigen sowie der in Jäder nicht getrennt werden.
Die Meinungen über die Herkunft des Vre-
dener Altares gehen insofern auseinander,
als die Zuweisung zwischen Antwerpen und
Brüssel schwankt. Ich nehme keinen Anstand,
ihn aus rein stilistischen Gründen sowie aus
kostümgeschichtlichen Rücksichten für Brüssel
zu akzeptieren. Die Behauptung, das Hand-
und Wappensignet sei bei der Restaurierung
entfernt worden, klingt gar zu legendarisch,
bezeichneten doch die Antwerpener fast
alle größeren Gruppen mit dem tiefbrennenden
Eisen! Die Heimsuchung in der Predella zeigt
dieselben Kostüme, sowie dieselbe Haltung
bei den Figuren, nur ist die Handlung be-
wegter geworden, insofern Elisabeth weit aus-
schreitend von den Stufen der Haustreppe
der Gottesmutter entgegeneilt.

Ob man beim Vredener Altarwerk nicht an
Bormans Sohn denken darf? Daß die auf der
linken Altarseite in Jäder befindliche Anbetung
der Könige eine überraschende Schulverwandt-
schaft mit dem Bronzeepitaph im Dome zu
Köln verrät, darauf sei nur hingewiesen.
Köln. Witte.

) Destree in Societe de l'art anc. en Belgique
4. Kascicule pl. XXVIII und XXIX. Mit dem Lom-
beeker Altar verwandt ein solcher in englischem Privat-
besitz, abgeb, in L'art ancien a l'exposition nationale
18S0, p. 242. Dieser Altar ist verschollen.

') Abgeb. bei Ludorff, »Bau-und Kunstd. Kreis
Ahaus«, Taf. 43.
 
Annotationen