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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Podlacha, Ladislaus: Abendländische Einflüsse in den Wandmalereien der griechisch-orientalischen Kirchen in der Bukowina, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0144

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247

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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Legat Markus Bandini bei der Wasserweihe
im Jahre 1647 gesehen und in seiner Visitation
beschrieben0). Selbst die episodisch gehal-
tenen Zutaten sind entweder den griechischen
Psalterien oder dem Evangelium entnommen
und nicht durch die abendländischen Vor-
bilder in die Komposition eingeführt. In
solcher stilistischer und inhaltlicher, nur der
byzantinischen Kunst eigenartiger Auffassung,
tritt uns das Jüngste Gericht auf der West-
wand der Kirchen zu Woronetz, Suczawitza,
Homora und Watra - Moldawitza entgegen,
derjenigen Kirchen, in welchen der abend-
ländische Einfluß stellenweise eine nicht un-
bedeutende Rolle spielt. Das Bild sieht noch
strenge und hieratisch aus, wie vor Jahrhun-
derten; als einziges Merkmal der Neuzeit ist
anzusehen die Einführung der allerdings aus
dem Abendlande geholten Halbfigur des Gott-
Vaters über dem Erlöser in Woronetz und
Moldawitza und die drastische Aussprache
von antiunischen Anschauungen: die letztere
fand ihren Ausdruck darin, daß der Maler
die lateinischen Gegner seines Bekenntnisses
unter die Verdammten gesetzt hatte.

Was die Abendmahlsbilder anbetrifft,
so hat der Verfasser schon anderswo zu zeigen
versucht, wie unter dem Einflüsse des Abend-
landes in das frühere byzantinische Schema
manche Modifikation eingetreten ist. Zeigen
die Bukowiner Wandgemälde noch recht viele
ikonographische Überreste aus dem christlichen
Altertume, wie z. B. den sigmaförmigen Tisch,
den in cornu de.xtro sitzenden Christus, den
nach dem Bissen greifenden Judas usw., so
sind anderseits auch manche abendländische
Anleihen nicht zu verkennen. Zu diesen ge-
hört der Umstand, daß der Maler sich nicht
mehr der sigmatischen, sondern einer anderen
Form des Tisches bedient, daß infolgedessen
auch eine andere Gruppierung der Apostel
bevorzugt und der Erlöser in der Mitte hinter
dem Tische gesetzt wird, was natürlich auch
Änderungen in der ganzen Komposition zur
Folge haben mußte. In Sant-Illie wird noch
das ältere Schema beibehalten, in Moldawitza
zeigt das Bild die Apostel mit dem Herrn in
der Mitte, und die ganze Anordnung erinnert

9) Bandini, »Visitatiogeneralisomnium ecclesiarum
catholici Romani ritus in provincia Moldaviae, Anno
Domini 1648«, herausgegeben als „Codex Bandinus"
von V. A. Urechia in Anal. Academ. Romane
historische Sektion, Bd. XVI (Bukarest 1895), S. 318.

an diejenige der Freskogemälde in dem Speise-
saal zu Lawra vom Jahre 1536 und im Pro-
taton zu Karyais vom Jahre 1535—36, beide
auf dem Berge Athos10). Ist einmal das
überlieferte Schema gebrochen, so geht der
Künstler oft noch weiter und gruppiert die
Apostel in verschiedenster Weise, ja, er setzt
manche Personen im Vordergrunde, d. h. dies-
seits des Tisches, in der Weise, wie das in
den lateinischen Tafelbildern und Kupfer-
stichen der Fall ist, oder gar bei den Füßen
des auf einem Stuhl links oder rechts sitzenden
Meisters. Die letztere Anordnung der Abend-
mahlsszene tritt uns in dem Bilde zu Su-
czawitza und Parhoutz entgegen. In der
Demetrioskirche zu Suczawa gewahrt der
Beobachter ein selten vorkommendes Motiv:
das Motiv eines abgesondert im Vordergrunde
sitzenden Jüngers. Ob der Maler in diesem
Jünger wirklich den Verräter Judas darzustellen
beabsichtigte, wie das im Abendlande üblich
war, läßt sich nicht angeben. Aber das ist
auch gleichgültig. Man braucht nur zu wissen,
daß diese Anordnung der Personen von italieni-
schen Künstlern des XV. und XVI. Jahrh.
befolgt wurde, und daß in Werken byzantini-
scher Herkunft das Motiv des abgesondert sitzen-
den Judas bezw. eines abgesondert sitzenden
Jüngers nicht vorkommt, die Kenntlichmachung
des Verräters in der Regel durch das Greifen
nach dem Bissen geschieht11).

Stark von lateinischen Vorlagen beeinflußt
erscheinen auch die Leidensszenen Christi,
was man beispielsweise in der Georgskirche
zu Suczawa und in der Kirche zu Molda-
witza am besten gewahrt. Die einfache Auf-
fassung der einzelnen Szenen, wie man ihr in
der Kirche zu Sant-Illie oder Woronetz be-
gegnet, ist zugunsten einer komplizierten
Handlung gewichen. Statt weniger, die Hand-
lung nur andeutender Personen, erscheinen im
Bilde der Kreuztragung und der Kreuzigung

10) Vgl. Dobbert E., »Das Abendmahl Christi in
der bildenden Kunst«, Repcrtori um für Kunst-
wissenschaft, Berlin und Stuttgart, Bd. XV (1892)
S.377—378, 384; Pokrowski, »Das Evangelium«
S. 274.

n) Näheres bei Podlacha L. , »Das hl. Abend-
mahl in den Wandgemälden der gr.-or. Kirchen in der
Bukowina«, Kunst gcsch i ch tl ich es Jnh r buch der
k. k. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung
der Kunst-und historischen Denkmale, hrsg. von Prof.
Max Dvorak, Wien, Beiblatt zum Bd. IV (1910)
S. 147, 151-152, 153—154.
 
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