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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Podlacha, Ladislaus: Abendländische Einflüsse in den Wandmalereien der griechisch-orientalischen Kirchen in der Bukowina, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0148

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255

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

256

der byzantinischen Überlieferung gemäß, in
der linken Hand jeder eine Pergamentrolle.
Dabei ist Gott -Vater, wie immer, weiß ge-
kleidet; seine bildliche Darstellung ist in der
byzantinischen Kunst des XVI. Jahrh. eine
etwas fremdartige Erscheinung und nach der
Aussprache der Moskauer Synode vom Jahre
1666—67 ein Verstoß gegen die rechtgläubige
Tradition19). Wenn sie sich aber schon in
der Kunst eingebürgert hat, wird Gott-Vater
als „der Alte der Tage" dargestellt, um
wenigstens den biblischen Textstellen Genüge
zu tun20). Oben im Bilde sieht man Wolken,
darunter den geöffneten Himmel, und aus ihm
steigt der hl. Geist in einem Lichtstrahle auf
das Haupt der hl. Jungfrau hernieder — ein
Motiv, das uns aus den bildlichen Darstellungen
der Verkündigung bekannt ist. Maria steht
mit ausgestreckten Händen als eine Orantin,
wie man ihr in der byzantinischen Kunst
unzählige Male begegnet, hier noch umgeben
von einer geometrischen Aureole. Was aber
merkwürdig erscheinen muß, ist die Mond-
sichel unter ihren Füßen, ein Element, das
unter dem direkten Einflüsse der Apokalypse
(12,i) auftauchen konnte, doch nach unserer
Meinung eher den bildlichen Vorlagen der
italienischen oder, was wahrscheinlicher, der
westnordischen Kunst seine Einführung ver-
dankt. Schon der Dürerschen Kunst ist dieses
Element durchaus nicht fremd, wir sehen es
in seiner Offenbarung Johannis und in dem
Titelbilde zum Marienleben, aber auch in
einigen Kupferstichen selbständig auftreten21).
Stellt die hier beschriebene Krönung
Maria ein Beispiel dar, in wie großem Um-
fange ein abendländisches Sujet in die byzanti-
nische Kunst herübergenommen und in welchem
Grade es bei dieser Herübernahme modifiziert
wurde, so ist die Darstellung „Christus im
Grabe" als ein Beispiel anzuführen, wo die
Modifikation, wenigstens nach der formalen
Seite hin, so gut wie nicht stattgefunden hat.

19) Pokrowski, >Das Evangelium« S. LH An-
merkung 3 und S. 21.

20) Buch Daniel 7,9; Offenbarung 1,h. Einige
Beispiele dieses selten vor dem XVI. Jahrh. vorkom-
menden Motivs bei Strzygowski, »Der Bilderkreis
des griechischen Physiologus« \v. o. S. 114; Po-
krowski, »Das Evangelium» S. XXIll, 21; Kon-
dakow, »Histoire de I'art byzantin considere principale-
ment dans lesminiatures« (Paris 188G—1891), HS. 140.
Vgl. auch »Handbuch der Malerei« S. 41''.

«) v. Bartsch w.o. VII, CO—33, 60, 71, 7(1.

Das Bild erblickt man in der Regel in der
Proskomidie, d. h. in dem nördlichen Seiten-
raume des Altars; es zeigt die nackte, in einem
steinernen offenen Grabe stehende Halbfigur
Christi. An dieser Stelle der Kirche findet
man es in Sant-Illie, Moldawitza, Suczawa
(hier sowohl in der Klosterkirche als auch in
der Demetrioskirche), in Suczawitza sieht man
es in der südlichen Apsis in den Zyklus von
drei Bildern mit eingeschlossen. Der Erlöser
wird manchmal, wie in den Suczawer Kirchen
und in der Kirche zu Suczawitza, von seiner
Mutter gestützt und beweint. In der Kom-
bination von drei Szenen, wie dies in Sucza-
witza auftritt, erschien das Bild zuerst auf
dem Boden Rußlands, und wir finden es in
der Nowgoroder und Pskovver Malerschule
des XVI. Jahrh. des öfteren. Es ist das „Der
einzige Sohn, Wort Gottes", eine Darstellung,
welche die Idee der Erlösung und Bekämp-
fung des Hades veranschaulicht. Im oberen
Bilde der Suczawitzer Apsis sieht man den
thronenden Gott-Vater und unter ihm den
jugendlichen Christus; der letztere ist als der
auf die Welt mit dem Willen seines Vaters
kommende Emmanuel aufgefaßt. Das zweite
Bild zeigt uns den nackten Erlöser, von der
Gottesmutter betrauert. In dem dritten Bilde
ist Christus im Mannesalter als Krieger, das
Schwert in der Hand, dargestellt; er sitzt als
Sieger auf einem griechischen Kreuze, welches
in die sich zu unterst öffnende Hölle dringt.
Wir kehren zu dem Bilde „Christus im
Grabe" zurück. Auf dem hl. Berge sind dieser
Komposition, nach Brockhaus' Angaben, ge-
wöhnlich die Anfangsworte eines Ostersonn-
abend-Gebetes beigeschrieben, das sich im
Triodion befindet: „Oben auf dem Throne
und unten im Grabe dich erblickend, wurden
die Überirdischen und die Unterirdischen
erschüttert, mein Heiland, durch deinen
Tod"2'). In Xenophontos schien die Dar-
stellung dem Maler eine Kreuzabnahme zu
sein23), in Rußland faßt der Maler sie gewöhn-
lich als ein Gespräch zwischen der Gottes-
mutter und dem Heiland auf, und zwar in
Anlehnung an die Worte der Sonnabendlieder,

22) Brockhaus, »Die Kunst in den Athos-
Kiöstcrn« S. 04 — (55, 101; die betreffende Textstelle
im »Fasten- und B lumcn -Tr i odion der orthodox-
katholischen Kirche des Morgenlandes«, deutsch und
slawisch, von A. v. Maltzew (Berlin 1899), S. 616.

'■") Brock haus, daselbst S. 05, Anmerkung 3.
 
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