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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Witte, Fritz: Zur Frage nach der Heimat des transluziden Emails (Reliefschmelz) im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0169

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295

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10

29ö

Daran ist nicht zu zweifeln, wie die Kreu-
zigung im Fuß, so sind alle übrigen Bilder,
auch die Köpfe auf den Noduszapfen, für
transluzides Email zum mindesten hergerichtet,
wahrscheinlich sogar auch ursprünglich so
ausgeführt. Möglich, daß bei einer späteren
Neuvergoldung — und die ist augenscheinlich
vorgenommen — die Emails zerstört wurden.
Die einzelnen Platten im Fuß sind festgelötet,
nur die der Kreuzigung wird von einem
Hakenrand ohne Lot gehalten; sie ist jeden-
falls bei einer Neuvergoldung im Feuer vor-
her abgenommen worden. Der Schnitt der
Einzelfiguren ist ganz der des Reliefschmelzes,
mitleichten Unterschneidungen der Ränder —
wie Benvenuto Cellini es vorschreibt — da-
mit die Emailmasse besser hafte; die Fleisch-
teile sind wie beim Kruzifixus in der ursprüng-
lichen Flächenhöhe der Silberplatte stehen
geblieben, die höchstliegenden Partien der
Gewänder aber liegen um ein geringes nie-
driger, um die Emailschicht als Decke auf-
nehmen zu können. Deutlich ersichtlich wird
die ursprüngliche Emailierung bei dem Figür-
chen der Madonna, bei dem das Kopftuch
tiefer liegt als das umrahmte Gesicht. Wenn
Christus an dem Noduszapfen in seiner
Gloriole noch das Email aulweist, so ist das
noch keineswegs ein Zeichen dafür, daß eben
nur diese Stelle emailliert gewesen sei; der
Grund für die Erhaltung liegt in dem wider-
standsfähigeren Material des fast stets opaken
roten Emails. Eines fällt beim Vergleiche
der vorhin genannten Kelche in Sigmaringen,
Mainz, Wipperfürth und Köln auf: die eigen-
artige Gestaltung des Fußes und seine Auf-
teilung in Felder, die sich zwischen der Herz-
und Trapezform bewegen (vgl. Abb. 2). Die
ältere Zeit (Sigmar.-Mainz) bevorzugt die
Herzform, die spätere neigt zum Trapez. Zu
den beiden letztgenannten Kelchen ist noch
ein weiterer zu stellen, der sich im Louvre
befindet und dort als spanisch-flämisch (?)
bezeichnet ist8). Die Übereinstimmung in der
äußeren Form mit dem fast unmittelbar aus
der Fußplatte aufsteigenden Schaft, die Ein-
teilung des Fußes und die Ausschmückung
mit Reliefschmelz würden allein genügen, um
auf verwandtschaftliche Beziehungen hinzu-
weisen; hinzu kommt aber noch das bedeut-

") Abgeb. bei Ventura, «Storia dell'arte ital.«
IV, Fig. 751, S. 901, „ascritto all'arte ispano-
fiamminga, maconismalti translucidi senesi."

samere Moment der ausgeprägten stilistischen
Verwandtschaft. Zeichnerisch am bedeutendsten
ist der Kelch der Sammlung Schnütgen, der
in den Fußplatten dem in Köln um ]400 ge-
läufigen Stile recht nahe kommt, ihn aber
in Einzelheiten doch nicht ganz wiedergibt.
Befremdlich klingen erst recht die Köpfchen
des Nodus, die sich in ihrer Anlage bedenk-
lich den italienischen, speziell den sienesischen
Niellen und Emails des XIV. Jahrb.. nähern.
Die Figuren sind auch untersetzter, breiter als
Bilder der Kölnischen Schule jener Zeit, und
vor allem ist der Typus der Madonna der
Kölner Kunst nicht geläufig. Dagegen sind
einzelne Gewandstilisierungen, wie vorerst bei
dem reizenden Barbarafigürchen, für die
heimische französisch-rheinische Kunst an-
nehmbarer. Überraschend wirkt ein Vergleich
des Figurenschmuckes auf den angezogenen
Kelchen mit dem in transluzidem Email aus-
geführten Prachtaltare im Dome von Orvieto
(Altare del SS. Corporale)9) von Ugolino di
Vieri aus Siena. Hier wie am Knaufe des
Kölner Kelches dieselben Kopftypen bei Christus
und Aposteln, dieselben fein empfundenen
Baurastilisierungen, die Frisuren der Apostel,
die geschlitzten breiten Augen usf. Es
soll nicht bestritten werden, daß die Zeich-
nungen des Kelch fußes damit nicht ganz zu-
sammengehen, dennoch verraten auch sie
fremde Elemente. Übereinstimmend bei allen
Kelchen ist der schraffierte Untergrund des
Maßwerkschmuckes am Schaft, sowie das bei
mehreren wiederkehrende Sternchenmotiv in
einzelnen Hohlkehlen. Selbst der Stab des
Kölner Domschatzes steht der italienischen
bzw. sienesischen Emailkunst nicht absolut
fern; die Tierfiguren in den kleinen Schmuck-
plättchen kommen an den sienesischen Kelchen
sowohl vor wie an den französischen und
rheinischen Gestühlen usf. Trotz alledem
kann man nicht ohne weiteres Siena als Werk-
stätte für so manche in den Rheinlanden auf-
tauchende Arbeiten ansprechen. Ob der
Wipperfürther Kelch da nicht einen Finger-
zeig zu geben vermag? Auf dem Bilde der
Kreuzigung kniet der Stifter, und neben
ihm schwebt ein Spruchband mit einer leider
nicht ganz leserlichen Inschrift, in der aber

9) Abgeb. bei Venturi a.a.O. Fig. 782. Vgl.
über Ugolino di Vieri da Siena, Rosini, Storia della
pittura ital. II 55 sowie Luigi Fumi, II duomo
di Orvieto, p. 303,2.
 
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