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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Supka, G.: Beiträge zur Darstellung der Luftfahrt Alexander des Großen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0177

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311

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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bar ist. Und hier muß ich Herrn Dr. Panzer
widersprechen, wenn er als ausgemacht an-
nimmt, daß die S. Marco-Platte „unbezweifelt
byzantinischer Herkunft" wäre. Schon Sac-
cardo hält es in seiner zitierten Arbeit —
ohne die ortokidische Analogie zu kennen —
für möglich, daß das Stück vom Orient im-
portiert wurde. Byzantinisch beeinflußt ist
das Herrscherbild der Ortokidenschüssel von
der Mitte des XII. Jahrh. — da eben das By-
zantinische zu dieser
Zeit (nach der sog.
Omajjidischen ,.Re-
naissance") überall im
Oriente Mode war.
Aber der edelstein-
besetzte Helm des
S. Marco-Reliefs ist
nicht byzantinisch;
seine Form ent-
spricht jener, die
wir als charakte-
ristisch für die Orien-
talen der Völker-
wanderung kennen.
Zur größeren Sicher-
heit sehen wir noch
außer den Pende-
loques, hinter dem
Nacken des Herr-
schers auch die bei-
den für orientalische
Fürsten in nachsassa-
nidischer Zeit be-
zeichnenden Bänder,
aus dem Helm (und
nicht „Krone") auf
die Schulter hervor-
quillen7). Man be-
trachte in dieser Be-
ziehung auch die
eigentümliche Flügelbildung der beiden Greifen:
dieselben sind zweigeteilt, wobei die obere
Hälfte vollständig vergeometrisiert wurde, wie
wir dies aut unzähligen Exemplaren orienta-
lischer Teppiche (vgl. Lessings Teppichwerk
Bd. VI. pass.) wiederfinden werden. Es besteht
eben ein zeitlicher Unterschied zwischen beiden
Analogien, wobei die Schüssel (XII. Jahrh.)
als das jüngere Stück betrachtet werden muß,
während die Platte vor ihrer Übertragung

Abb. 3. Relief an der Vorderseite von S. Marco in Venedig.

7) Ich schreibe darüber an anderer Stelle in Be-
ziehung mit einer Darstellung des Iskender-DQlqarnein.

durch die Veneter, als das Vorbild dienen
mußte.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch
eine Vermutung aussprechen. Unweit der
Alexanderplatte findet man auf der Nord-
wand von S. Marco ein Relief, das bisher so-
viel wie ungedeutet blieb. Es ist eine be-
krönte Frauengestalt in weitem Kleide, die in
der Rechten einen Kranz über eine Zypresse
oder Palme erhoben hält, in der Linken aber

eine Art Füllhorn.
(Abb. 3). Man ver-
suchte die Gestalt auf
verschiedene christ-
liche Heilige, so unter
anderem auch auf die
hl. Katharina zu deu-
ten. Nun läßt sich
auf den ersten Blick
feststellen, daß diese
Gestalt gar nichts
mit einer christlichen
Heiligen zu tun hat;
es ist vielmehr die aus
der späthellenisti-
schen Kunst bekannte
Stadtgöttin, die sich
auf syrischer Erde
in eine Nike ver-
wandelt, um dann in
der seldschukischen
Kunst als Genie
wieder aufzutreten,
wie wir sie auf Platten
aus Konieh finden.
Das dreifache Em-
blem: Palme (Le-
bensbaum), Füllhorn,
Kranz bezieht sich
auf den, in orien-
talischen Glück-
wunschformeln gebräuchlichen dreifachen
Segen: Leben, Reichtum und Ruhm. M. E.
steht nun diese Platte eigentlich nicht so isoliert
da, als wie es auf den ersten Blick scheinen
möchte: sie gehört vielmehr höchstwahrschein-
lich mit zu der Alexandergruppe, und ist eine
Umformung (auch inhaltlich) jener Szene, die
wir aus Pseudo-Kallisthenes und dem jerusa-
lemischen Talmud kennen : der König begegnet
in der Höhe einem Vogel von menschlicher
Gestalt, der ihn drohend auffordert, sofort auf
die Erde zurückzukehren. Dieser „Vogel in
 
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