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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Tepe, Alfred: Malerisch, [2]: Eine entwicklungsgeschichtliche Kunststudie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0203

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359

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

360

Malerisch.

Eine entwicklungsgeschichtliche Kunststudie.
(Mit 5 Abbildungen.)

II. (Schluß.)

usik und Poesie, vielleicht begegnen
wir euch noch auf unserem Wege :
jetzt zurück zur Baukunst. Man
hat die Romantik einer Wunder-
blume verglichen, entsprossen zwar dem
dunklen Schlamm der Erde, erblüht an dem
alten knorrigen Stamm der Menschheit, aber
hervorgelockt von einer überirdischen Sonne,
genährt vom edelsten Blut sehnender Menschen-
herzen, betaut von den Tränen des Erdenüber-
drusses und himmlischen Verlangens.

Nun, es war auch keine Zeit für die guten
Söhne Teuts, sich mollig und knollig auf
Bärenhäuten zu dehnen, an beiden Ufern des
Rheins. Das Joch der Fremdherrschaft drückte
Nacken und Schultern wund, und als sie's
endlich abgeschüttelt, da kamen die lieben
eignen Regierungen und legten ihren „Unter-
tanen" eins auf, das dem abgeschüttelten ver-
zweifelt ähnlich sah. Der Bund mit dem
Bundestag entsprach wenig dem Ideal, das
den todesmutigen Freiheitskämpfern vorge-
schwebt, und der in Kampf und Not neu er-
wachte Gottesglaube bäumte sich auf gegen
den flachen Rationalismus und blutlosen
Indifferentismus der Zeit.

Da standen sie auf, die Novalis, Wacken-
roder, Tieck, Schlegel und Genossen, und
verkündeten ihr Evangelium. Reibt euch den
Schlaf aus den Augen, ihr deutschen Brüder,
und blickt rückwärts in euere glorreiche und
glänzende Vergangenheit. Glänzend im Lichte
des Glaubens und der Poesie. Von eueren
Bergen winken die Burgruinen, in euerem
Waldfrieden schlummern verlassene Klöster,
in eueren Städten ragen noch die Dome,
herrliche Zeugen des Glaubens und der Tat-
kraft. Der Ritter zieht in die Schlacht und
zersplittert im Turnier seine Lanzen. Von
der Tribüne schaut die Holdseligste nieder,
Töne der zartesten Minne durchklingen den
würzigen Abend, prunkende, farbige Festgelage
beschließen den fürstlichen Tag. Doch, muß
nicht auch diese Herrlichkeit vergehen ? Nein,
nein: die Nebel trüber Zeiten möge sie ver-
schleiern, aufleben wird sie wieder, aufsteigen
und sich verewigen in Regionen, die dem
unruhigen Augenblick, dem Wechsel der Ver-
gänglichkeit ihre goldenen Tore verschließen.

Dieser Traum, diese Sehnsucht, diese
Bestrebungen kamen dem Mittelalter zugute.
Man hat es dem wachgeküßten Dornröschen
verglichen, dem gewaschenen, geschmückten
Aschenbrödel, der erkorenen Prinzenbraut.
Die Wissenschaft machte sich auf, das so nahe
und doch so ferne Paradies zu erforschen,
die Poesie besang seine Wunder. Plötzlich
erkannten und bestaunten die Jünger der
Kunst die Riesenwerke, an welchen sie so
lange achtlos und verächtlich vorübergegangen.

Als die Baukunst sich so erkannt und ver-
ehrt sah, besann sie sich auf ihre Würde und
ihr Mutterrecht. Architectura, Erzkunst, Er-
zeugerin, Pflegerin und Hüterin der Töchter-
künste und ihnen vereint die Gottheit ver-
herrlichend. Mit Konstantin ward sie getauft.
Gewaltig ist ihre Geschichte; allen Augen
sichtbar, zeigt sie die Entwickelung der Zeiten
und Völker. Sie war am Ende ihrer Lauf-
bahn angekommen, sie hatte nichts Neues,
Bedeutendes mehi zu verkünden. Sollte sie
sterben, verarmt, müde und abgelebt? Nein!
sprachen die Romantiker; an neue Quellen
wollen wir sie führen, Verjüngungsquellen,
unversiegbare Quellen des Lebens.

Schinkel zog nach Griechenland. Durch
die Brille des Römers und Italieners hatte
West- und Nordeuropa die klassischen Formen
geschaut; sein klares Auge erblickte sie in
ursprünglicher Reinheit, in edelster Einfalt,
in vollendetem Ebenmaß. Seine Werke zeugen
für ihn; und waren sie nicht dem vater-
ländischen Boden, dem nationalen Empfinden
entsprungen, viele haben sie zur Erkenntnis
geführt. Zur Erkenntnis der Harmonie, des
Zusammenklangs, der Klarheit, der Selbst-
beschränkung , welche das begabteste aller
Kunstvölker der Menschheit offenbart hat.

Aber noch ein anderer gewaltiger Lehr-
meister trat auf, ein einheimischer, boden-
ständiger:

Am Rhein, am grollen Strome.
Da spiegelt sich in den Wellen,
Mit seinem großen Dome
Das alte heilige Köln.

Und er fing an zu reden nach langem,
langem Schweigen: Ihr Suchenden, ihr Seh-
nenden, hemmt euere Schritte; betrachtet
meine Mauern, sammelt euch innerhalb meiner
 
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