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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Beitz, Egid: Eine kölnische Standmadonna aus der zweiten Hälfte des XIV. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0043

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Nr. 3 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. 33

EINE KÖLNISCHE STANDMADONNA

AUS DER ZWEITEN HÄLFTE DES XIV. JAHRH.

(Mit Tafel I und 2 Abbildungen.)

Die hier auf Tafel I abgebildete Standfigur der Muttergottes befand sich vor
wenigen Jahrzehnten in der Gegend des 1882 abgebrochenen Friesentores,
vielleicht an diesem selbst; und der Umstand, daß im wesentlichen nur die
Ansatzstelle des verloren gegangenen rechten Unterarmes und der Sockel der Ma-
donna durch Witterungseinflüsse vermorscht sind, läßt darauf schließen, daß das
Bildwerk zwar draußen, aber gegen Wind und Wetter noch immerhin ziemlich ge-
schützt gestanden hat. Die Madonna hat nach Entfernung von ihrem ursprüng-
lichen Standort nur wenige Male den Besitzer gewechselt. Sie wurde vor kurzem
von dem Unterzeichneten bei einer nahezu achtzigjährigen Frau wieder aufgefunden,
die seit 20 Jahren ein kümmerliches Dachkämmerchen mit ihr teilte. Die Friesen-
tormadonna ging inzwischen an das Schnütgen-Museum über und kam somit aus
engem privaten Kreise wieder in den Besitz der Kölner Öffentlichkeit, der die kostbare
Schöpfung ihrer Vorfahren bereits längst aus dem Gedächtnis entschwunden war.
Die Figur ist 1,32 m hoch und aus Nußbaumholz. Außer den eiwähnten, auf
Witterungseinflüsse zurückzuführenden Beschädigungen fehlt noch der rechte
Unterarm des Kindes. Das Werk trägt heute einen blauen, glänzenden Olfarben-
anstrich als Hauptfarbe, aus der sich die Fleischpartien, die braunen Haare
und der gelbgestrichene Stucksaum des Kleides herausheben. Der dicke Auftrag
einer vielfachen Bemalung im Laufe der Jahrhunderte erweist, daß dieses Mutter-
gottesbild einmal in Köln ein sorgsam gepflegter Gegenstand der Verehrung
gewesen ist. Die ursprüngliche Bemalung ist zum großen Teile noch unter dem
spätem Farbenauftrag erhalten. Danach muß die Madonna einmal ein Werk von
ganz seltsamer mystischer Wirkung gewesen sein. Mantel, Ärmel, Untergewand,
die Haare von Mutter und Kind waren golden, das Futter des Mantels silbern, die
Stuckborte wieder golden und das Kopftuch weiß. Das Gewand des Kindes war
ebenfalls weiß und der Vogel in seiner Hand bunt1. Vom Halsausschnitt ab-
wärts verläuft ein Riß im Holzblock bis auf das rechte Bein, der wahrscheinlich
schon von Anfang an mit einem Leinwandstreifen belegt worden ist, um die Stelle
zu schließen und ihr für die Polychromie die nötige Elastizität zu geben. Auch am
Schleier auf der Rückseite der Figur, wo das Holz anscheinend Fehlstellen auf-
gewiesen hat, und am Gewand des Kindes befinden sich Leinwandunterlagen Das
Haar der Muttergottes ist am Hinterkopf teilweise in Stuck modelliert, auf der
Schädeldecke ist es nicht herausgearbeitet, da wegen der hier ursprünglich auf-
gesetzten Metallkrone kein Bedürfnis dafür vorlag. Im übrigen ist die Rückseite
der Figur nicht wie sooft schlechthin vernachlässigt, sondern auch hier ist die
Faltengebung der Gewandung in großen Zügen durchgeführt.

Das Werk ist als Großplastik im Rahmen der Architektur auf eine gewisse Fern-
wirkung von einem erhöhten Standpunkt aus gearbeitet. Das erklärt manche
Flüchtigkeit, besonders die grobe Behandlung der linken Hand der Muttergottes,
es erklärt ferner den völligen Verzicht einer Bemusterung der Gewänder durch

1 Die alte Bemalung ist inzwischen ganz freigelegt worden. Der Zauber des Werkes
kommt nun erst voll zur Geltung.
 
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