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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Gruber, Otto: Der Westbau der Benediktinerkirche in Reichenau-Mittelzell
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0047

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Nr. 3 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

37

DER WESTBAU DER BENEDIKTINER-
KIRCHE IN REICHENAU-M1TTELZELL.

(Mit 8 Abbildungen.)

Das Benediktinerkloster Reichenau-Mittelzell ist im Jahre 724 vom hl. Pir-
minius gegründet worden. Auf der Insel, die vorher herrenloses Land und
verödet und verwildert war, entstand das Kloster, das für ganz Schwaben
und Alemannien zusammen mit St. Gallen und Petershausen im frühen Mittelalter
ein Kulturzentrum wurde.

Der Chronist der Reichenau, der Mönch Gallus Ohem, berichtet über die Taten
des Gründers auf der Insel folgendes1:

„Uff und nach söllichem hatt der tapfer und fürpunthch ackerman mit sinen
Brüdern, dero er viertzig, zwayer minder oder mer, mit im in die insel bracht, och
ander »zugesehen christglöbigen hilff angefangen mit nthowen, bickeln, karsten
und schuffla die unnützen schoß, dorn, tistel und alles ungebuwen gestüd und heger
uszerütten, hatt nit nachgelassen, bis alles ungesuber und unholtz usgerüt, verderbt
und verprent worden ist, und also der sunenglast und senfftem Lufft am bekomen-
lich ort gemacht; und ist in kurtzer zit ain wunnsamer blatz und ain tögig geschickt
wonung den menschen da worden, do vormals gestanden syen die löcher und hühnen
der unmenschlichen eggaissen und wurmen."

Ein „wunnsamer blatz" ist die Reichenau heute noch, und wer dort länger
weilen durfte, der weiß auch, daß der hl. Pirmin „der sunnen glast" und. „senfftem
Lufft ain bekomenhch ort" gemacht hat.

Vom Kirchlein und den übrigen Gebäuden des ersten Klosters, die einfach
genug und wohl aus Holz gewesen sein mögen, ist nichts mehr auf uns gekommen.
Die erste große Kirche hat wohl der von 806—822 regierende Abt Hatto gebaut.
Dieser Zeit scheinen nun die heute stehende Kirche, das Langhaus mit den Seiten-
schiffen, wenigstens in der Hauptsache anzugehören, wenn auch später an den ge-
nannten Teilen mancherlei geändert wurde. Eine genaue Untersuchung des Baues
fehlt uns, und seit Adlers Untersuchungen aus den siebziger Jahren2 des vorigen
Jahrhunderts hat kein Architekt sich mehr eingehender mit dem Reichenauer
Münster beschäftigt. So bietet der Bau als eine der frühesten Benediktinerkirchen
Deutschlands noch eine große Anzahl von Problemen. Die Kirche hat, wie die
meisten frühen Benediktinerkirchen — man vgl. auch den St. Galler Kloster-
grundriß von 820 — einen Ost- und einen Westchor (Abb. 1). Die ursprüngliche
östliche Choranlage ist durch einen spätgotischen, netzgewölbten, langen Chor er-
setzt, so daß sich das frühere Aussehen dieses Teiles nicht mehr wiederherstellen läßt.

Um so mehr wird der Architekt, der sich heute mit der geschichtlichen Unter-
suchung des Reichenauer Münsters befaßt, sein Interesse dem Westbaue zuwenden
ob der Großartigkeit dieses Bauteils als räumliches Gebilde.

Für ihn wird es sich weniger darum handeln, rein kunsthistorisch-philologische
Studien am Einzelmonument zu betreiben, als vielmehr die Einzelerscheinung in

1 Brandi, Quellen und Forschungen zur Geschichte der Abtei Reichenau, „Die
Chronik des Gallus öhem"'.

2 Adler, Kloster- und Stiftskirchen auf der Insel Reichenau.
 
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