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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Gruber, Otto: Der Westbau der Benediktinerkirche in Reichenau-Mittelzell
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0048

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38

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 3

&

die große Ordnung einer baugeschichtlichen Typenentwicklung einzureihen und
vom Geiste, der solche großartigen Räume schuf, für sein eigenes Schaffen zu lernen.
Wein sich hierbei über dieses Ziel hinaus Ergebnisse für die Geschichte des
Einzelmonumentes finden lassen, so wird er dies im Interesse des ihm durch seine
Arbeit heb gewordenen Baues freudig begrüßen.

Dem Westbau des Reichenauer Münsters, also dem westlichen Querschiff mit
seinen Eingangshallen und der Westapsis mit dem darüber aufgebauten Turme gilt
im besonderen diese Arbeit, zu der die Vorstudien während dreier wundervollen
Augustwochen im frohen Freundeskreise entstanden.

Betrachtet man die Westseite der Kirche von außen, so wird selbstverständlich,
daß der über dem oberen Rundbogenfries stehende Turmteil mit den breiten Ar-
kaden der Schallöffnungen und dem Dache, trotz Ver-
—IT- \i— "^ wendung alter Werkstücke, nicht der ursprünglichen

Fassung angehören können.

Die Lisenengliederung des unteren Turmteiles ver-
langt eine Fortsetzung und Lösung im Obergeschoß,
und die gebrochenen Linien der Nord- und Südgiebel
mit den charakteristischen Krüppelwalmen sind deut-
lich eine Zutat aus renaissancistischer Zeit oder gar
des Barock.

Die Pultdächer über den Eingangshallen mit den
durch sie überdeckten Räumen, die sich in den be-
kannten schönen Arkaden nach dem westlichen Quer-
schiff öffnen, sind von Adler wohl richtig rekonstruiert *
(Abb. 2). Ein Beweis hierfür sind die seitlich nach
außen geschobenen Rundfenster der westlichen Quer-
schiffwand, die nur durch diese Pultdächer verständ-
lich sind.

Im Inneren ist die Westvierung durch Bogen vom
Mittelschiff des Langhauses den Seitenräumen des
westlichen Querhauses und der Westapsis getrennt
(Abb. 1 u. 3). Diese Seitenräume öffnen sich in zwei
Abb. 1. Bogen, die in der Mitte auf Säulen zusammenkommen,

nach den Seitenschiffen, eine Anordnung, die sich
nur noch in der aus der gleichen Zeit stammenden Benediktinerkirche St. Michael
in Hildesheim findet. Die Seitenschiff mauern, offenbar die ältesten Teile des auf
uns gekommenen Münsterbaues, sind auf der Nordseite weniger, auf der Südseite
stärker nach außen geknickt, um den Anschluß an die Seitenteile des westlichen
Querhauses zu gewinnen.

Der Triumphbogen der Westapsis hat die gleiche Höhe wie die übrigen Tren-
nungsbogen, die Apsis selbst ist mit einer Halbkuppel überwölbt. Sämtliche Bogen
zeigen den charakteristischen Schichtenwechsel roter und grauer Werksteine, der
dem Bau das Gepräge der Zeit um das Jahr 1000 verleiht.

Das Mittelschiff des Langhauses und alle drei Teile des anschließenden Quer-
schiffes sind gleich hoch und heute flach gedeckt. Der Halbkreis der Westapsis

3 Adler, Kloster und Stiftskirchen auf der Insel Reichenau. Bl. V.
 
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