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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Neuss, Wilhelm: Die christliche Kunst im theologischen Studium
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0087

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 5/6

in Verbindung mit der Seminarbibhothek eine kleine Sammlung an —, nicht
genug empfohlen werden. Wenn ich von Kirchen spreche, so meine ich damit
auch die mit der Kirche verbundenen Anlagen: Friedhöfe, Vereinssäle und Pfarr-
gebäude jeglicher Art wie auch alles, was immer an Werken der Kunst und des
Kunsthandwerkes eine Rolle spielt, die Paramente und die heiligen Gefäße so gut
wie den Schellenzug an der Sakristeitüre, das Vereinsdiplom und das Heiligen-
bildchen für die Kinder. Alles muß edel, muß künstlerisch sein. Denn „die heilige
Kunst ist der Königsmantel, in dem die Kirche durch die Jahrhunderte hindurch-
schreitet", wie es in einem Rundschreiben vom Jahre 1912 des hochseligen Kar-
dinals Fischer so einfach und schön heißt, mag man auch bei aller Pietät manche
Einzelbestimmung dieses Rundschreibens nicht als glücklich anerkennen können.

Ein anderes Bischofswort mag die Aufgaben der kirchlichen
Denkmalpflege programmatisch zusammenfassen : „Die kirchlichen Kunst-
objekte verdienen es, daß sie vom Priester mit derselben Pietät und Liebe erhalten
werden, mit der sie vom Künstler geschaffen wurden. Wer sich bemüht, in das
Verständnis dieser erhabenen Werke einzudringen, sie genauer zu studieren, der
wird sie gewiß auch schätzen lernen und aus dem Schätzen folgt das Schützen.
(Erlaß des Bischofs von St. Polten im Jahre 1912 über Einsetzung eines Kunst-
rates in der Diözese St. Polten für die Pflege und Erhaltung der kirchlichen Denk-
mäler.) Das entspricht ganz den drei Forderungen der modernen
Denkmalpflege: möglichst konservieren statt restaurieren, möglichst jedes
Werk an dem Platz lassen, für den es geschaffen wurde, Stilverschiedenheit nicht
scheuen, sondern als künstlerisch wertvoll erkennen und die Einheit in der Gesamt-
stimmung suchen, die unter Umständen durch geschickte Aufstellung, passende
Farbgebung u. dgl. zu befördern ist. Im Lichte dieser Forderungen sieht man
sogleich ein, daß kein Konservator ohne verständnisvolle Mitarbeit der Geistlichen
seine Aufgaben erfüllen kann. Wenn der Geistliche, dem die kirchlichen Kunst-
werke anvertraut sind, nicht aufpaßt oder ohne Erfahrung auf diesem Gebiete nach
seinem Geschmack darauf losrestaurieren läßt, so kommt der Konservator zu spät.
Wenn aber der Konservator nicht mit dem Geistlichen überlegt, so wird man nicht
die Lösungen finden, die auch den Bedürfnissen des Gottesdienstes gerecht
werden. Ich halte es für unbedingt nötig, daß jeder Theologe im Laufe seiner
Studienzeit mit den Grundzügen der kirchlichen Denkmalpflege vertraut gemacht
wird. Eine einstündige Vorlesung während eines Semesters genügt dazu, wieder
verbunden mit Besichtigungen, die das Gute und das Schlechte vor Augen führen.
Die wertvollste Hilfe bietet wieder die Diözesangeschichte.

Daß alle Unterweisung von der Ehrfurcht vor den Schöpfungen der ver-
gangenen Jahrhunderte getragen sein muß, braucht kaum erwähnt zu werden.
Vorsicht, Zurückhaltung, Zuziehung berufener Fachleute, wenn die Theologen
diese Notwendigkeiten begreifen, dann dürfen wir hoffen, daß endlich der Zerstö-
rung alter kirchlicher Kunst durch ihre berufenen Hüter ein Ende gesetzt wird.

Die Aufgaben der christlichen Kunstwissenschaft sind groß, aber herrlich.
Bisher hat die Kirche noch nie auf die Dauer die Kunst im Stiche gelassen und
die Kunst hat ihr Allerbestes stets für die Kirche geleistet. Auch aus den Zeiten
schlimmster Not, der des Unterganges der Antike so gut wie aus der des Dreißig-
jährigen Krieges, grüßen uns noch heute herrliche Denkmäler kirchlichen Kunst-
eifers. Seien wir in der Not unserer Tage nicht kleinmütiger als unsere Väter.
 
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