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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Neuss, Wilhelm: Die christliche Kunst im theologischen Studium
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0086

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Nr. 5/6__________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.____________Y5

vertreten wird, wie in Freiburg i. B. und Bonn, wird man von selbst wenigstens
zweistündige Vorlesungen halten. Auch dann wird man kaum mit weniger als
4 Semestern auskommen, will man den Studenten einigermaßen ein Gesamtbild
von der Geschichte der christlichen Kunst geben. Wie viele Semester die Theo-
logen verpflichtet werden sollen, sie zu hören, ist eine Frage, die sich nur im
Zusammenhang mit dem Gesamtplan beantworten läßt. Zu wünschen ist jeden-
falls, daß alle die Grundzüge der gesamten Geschichte kennenlernen und daß wir
dem päpstlichen Programm doch wenigstens einigermaßen nahekommen.

Ein Fach, das der christlichen Kunstgeschichte die wichtigsten Dienste leisten
kann und wieder von ihr befruchtet wird, ist die kirchliche Heimats-
geschichte, vor allem in Bistümern, die an kirchlichen Kunstdenkmälern
und an großen Ereignissen so reich sind, wie so manche Bistümer in Deutschland.

2. Kunsthistorische Bildung birgt die Gefahr der einseitig historischen Stellung
zur lebendigen Kunst der Gegenwart in sich. Als Pfleger der neuen
Kunst bedarf der Theologe aber vor allem eines offenen Auges für die Werke
des modernen Schaffens und des Verständnisses für den lebenden Künstler.
Der kunstgeschichtliche Unterricht muß daher immer wieder
darauf hinweisen, daß die Alten uns nicht fertige Lösungen
zum Nachmachen hinterlassen, sondern uns gezeigt haben, wie
sie es verstanden, den Bedürfnissen ihrer Zeit auf ihre Art
künstlerisch gerecht zu werden und wie sie uns dadurch
auffordern, auch heute aus dem Geiste unserer Zeit und für
die Bedürfnisse unserer Zeit zu schaffen. Auch das'gilt heute
wie früher, daß nicht die Gelehrten und auch nicht die Kunstfreunde die Kunst-
werke schaffen, sondern die Künstler. Daher soll sich der Geistliche nicht ein-
bilden, durch einige kunsthistorische Kenntnisse befähigt worden zu sein, sich
an die Stelle des Künstlers zu setzen. Wo es geschehen ist, sind die Erfolge nichts
weniger als verlockend. Freilich darf er auf der andern Seite auch nicht in die
moderne Schwäche verfallen, vor dem Künstler gänzlich zu kapitulieren, keine
Kritik zu wagen und an jedem objektiven ästhetischen Maßstabe zu verzweifeln.
Der tüchtige Künstler freut sich der geistigen Mitarbeit und lernt aus der Kritik.
Alle großen Zeiten der Kunst hatten kritische Besteller und eine kritische öffent-
liche Meinung und sie glaubten an ästhetische Gesetze; aber sie fanden innerhalb
dieser Gesetze immer wieder neue Lösungen. Es ist eine Aufgabe, die nicht leicht,
aber ebenso wichtig wie reizvoll ist, die jungen Theologen auf die Pflichten, die
ihrer als Förderer der lebendigen Kunst harren, vorzubereiten. Wo der Geschichte
der christlichen Kunst hinreichender Raum gewährt wird, läßt sich eine b e -
sondereBehandlungder modernenProbleme kirchlicher
Kunstpflege als Abschluß und Krönung der Geschichte der neueren Kunst
anfügen, soweit nicht schon die gelegentlichen Hinweise bei der Geschichte der
früheren Zeiten vorgearbeitet haben. Sonst würde es sich empfehlen, den Theo-
logen Gelegenheit zu geben, einmal während ihrer Studienzeit, vielleicht in einer
einstündigen Vorlesung, sich mit diesen Problemen systematisch vertraut zu
machen. Noch wichtiger als die Theorie ist aber die Anschauung. Daher
können Besichtigungen neuerer Kirchen und neuerer kirchlicher Kunstwerke,
Besuche bei Künstlern, Vorführung geeigneter Proben und Bilder, guter als
Muster und schlechter als abschreckende Gegenbeispiele — am besten legt man
 
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