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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Hoff, August: Die Monumente Johan Thorn Prikkers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0101

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 7

seit 25 Jahren benutzt der Maler kein Modell. Die Figuren verlieren da-
durch die Nähe sinnlichen Lebens, gewinnen aber an seelischem Leben;
das ganze Werk gewinnt so die Einheit großer Konzeption. Die Augen der
Figuren sind meist niedergeschlagen, weisen nach innen, deuten auf die
Seelenzugewandtheit ihres Schöpfers. Die äußere Bewegung ist verhalten;
wird sie gegeben, dann mit großer Wucht: z. B. das Schreiten des großen
„Sämanns" der Galerie Flechtheim. Nur wenige Gestalten, meist nur zwei,
sind auf der Fläche in rhythmischem, seelischem, geschichtlichem Widerspiel.
(Adam und Eva, zwei Apostel, zwei Tauzieher, Kam und Abel, David und
Saul.) Für die äußerste Geschlossenheit der Komposition von oben nach
unten, von links nach rechts, gibt „Kain und Abel" im Folkwangmuseum
das beste Beispiel. Im „David und Saul" des Pfarrers Geller ist diese
Komposition schon freier, selbstverständlicher geworden. Die architekto-
nische Bestimmung und der Charakter der Wand bedingen die konstruktive,
herbe und dennoch lyrische Linienführung, die erdfarbenen kalkigen Töne
voll von verhaltenem Leuchten. Um dieses Leuchten zu erhöhen, versuchte
Thorn Prikker es mit dünner Ölfarbe in den gewaltigen, pflanzenhaft glück-
lichen und doch die Erbsünde unseres Daseins ahnenden Stammeltern der
Sammlung Geller. Natürlich verzichtete er auch hier auf ein eigentliches
Malen mit diesem Material; es bleibt die flächige, von der Wand geforderte
Empfindung. Wer diese Kartons mit Glaskartons verwechselt - wie das die
Tageskritik fast ausnahmslos tut - hat weder Glas noch Wand verstanden.

Opferung Isaaks ist das Stichwort des Freskos, das 1912 in der Concha
der Kapelle des katholischen Gesellenhauses in Neuß entstand. Der erste
Blick in die Kapelle zeigt, wie der Meister mit der architektonischen Ge-
gebenheit gerungen hat. Im Halbdunkel geht ein seltsam ergreifender Klang
von den erdfarbenen Flächen dort oben aus. Erst allmählich löst sich aus
diesem Akkord die Anekdote los: links der Gang zur Opferung, rechts der
Opfermoment, dazwischen der Engel. Derselbe Klang der Farben auch in
den Gestalten in ergreifendem Widerspiel zarter Glieder und massig emp-
fundener Füße und Hände. In künstlerischer Ehrlichkeit hat der Künstler
die geometrischen Konstruktionen von Horizont und Blickpunkt zu Bild-
motiven verwandt. Das Werk mag der Gemeinde stofflich auszudeuten auf
den ersten Blick schwer fallen - es sind keine guten Bilder, die sogleich
alles offenbaren -, dem inneren Reiz wird keiner sich entziehen, der eine
empfindende Seele hat.

Dies Fresko blieb unbekannt; die Kartons sind irgendwo verborgen.
Glas- und Mosaikmonumente haben den seltsamen Namen des eigenwilligen
Mannes in die Kunstgeschichte unserer Zeit geschrieben.

Das Bahnhofsfenster in Hagen 1910 war der erste Versuch profaner
Monumentalkunst; die Industriearbeit ist Monumentalidee. Sie bedingte den
harten Rhythmus der offenen Eisen- und Bleigerüste; die Farbenwahl matter
erdfarbener Gläser, die in ähnlichem Klang in den Ornamentfenstern des
Krupp-Raumes in dem Magdeburger Museum verwandt wurden; sie zwang
den Künstler, die schwer aufteilbare Gewandung eines heutigen Arbeiters
in diesen 4 m hohen Gestalten zu verwenden. In den nächsten Jahren
wurde das Motiv der Arbeit auch in Freskokartons gestaltet.
 
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