Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

DOI Artikel:
Beitz, Egid: Grünewalds Golgatha
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0140

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 9/10

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

127

sinkt lautlos in den Armen des Lieblingsjüngers, der nun die Sorge um sie
hat, zusammen.

Grunewald schreckt vor keinem Mittel zurück, um die Schauerlichkeit und das
Erschütternde des Begebnisses in den Figuren und in der Landschaft zum Aus-
druck zu bringen. Er erspart dem Beschauer nichts an Schmerz und Trostlosigkeit.
Und doch vermag er ihn zugleich zu trösten. Dieser Trost quillt aus der Tatsache,
daß der Gekreuzigte tot ist. Das Erlösungswerk ist vollbracht, nun tropft aus den
Wundmalen der Se-
gen auf die Mensch-
heit nieder. Der
Täufer weist darauf
hin, während die
andern Personen
teilweise noch zu
sehr vom irdischen
Schmerze befangen
sind, als daß ihnen
jener geistige Trost
schon zum Bewußt-
sein gekommen sein
könnte.

Ähnlich ist es
auf den andern Gol-
gathadarstellungen
Grünewalds. Dort
beginnt auch immer
das Motiv mit einem
starken Akkord auf
der rechtenBildseite.
So auf der frühen
Baseler Kreuzigung,
wo der Hauptmann
die Hand erhebt und
in die Worte aus-
bricht : Vere filius
Dei erat ille. Johan-
nes der Evangelist
ist nahe an den Ge-
kreuzigten herangetreten und äußert mit Blick und Hand seinen unfaßbaren
Schmerz. Auf der linken Bildseite ist es auch hier stiller geworden. Dort sind zwei
der Frauen niedergesunken, und Maria steht bei ihnen. Sie hat die Hände stumm
gefaltet und blickt wie geistesabwesend zum Kreuz. Was Blick und Gesten der
Personen ausdrücken, wird durch den Faltenwurf der Gewänder noch unterstützt.
Besonders tritt ein solches Zusammenspiel künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten
auf der Karlsruher Kreuzigung in die Erscheinung. Nur zwei Personen stehen
dort unter dem Kreuz: rechts Johannes, links Maria. Die Temperamente beider
sind hier besonders stark herausgearbeitet. Der Mann in wildem, fast anklagendem

Abb. 3.

Grünewald, Johannes aus der Karlsruher Kreuzigung.
 
Annotationen