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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Witte, Fritz: Diktatur oder legale Gewalt?
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0158

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Nr. 11/12 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. \45

eingereichten Plänen heranziehen wollten; wir würden ganz gewiß die Erscheinung
erleben, daß weit mehr hervorragende Talente der Kirche zur Verfügung stehen.
Warum soll das hier nicht offen gesagt werden, daß die christliche Kunst seit
Jahrzehnten schwer krank ist an einer oft vollkommen ununterrichteten Begut-
achtung eingereichter Pläne? Auch hier sagt der hessische Kalendermann seinen
Lebensspruch. Nicht darum ist einer urteilsfähig und urteilsberechtigt, weil er
eine hohe — in diesem Falle kirchliche — Würdenstellung einnimmt, sondern
nur dann, wenn die Kunst seine Sache, ich möchte sagen, seine Lebensaufgabe
ist. Hier sei jeder Stelle mit dem Maße voller Objektivität zugemessen. Auch
die Kunst ist — Beruf.

Das zur Klärung und Erklärung.

Wer diese Zeitschrift in den letzten Jahren halbwegs aufmerksam verfolgt hat,
der wird auch der Erkenntnis sich nicht haben verschließen können, daß hinter
der Liebe zur Sache auch die Liebe zum Frieden, mehr noch: zu gemeinsamer
Arbeit stand. Und auch heute noch. Das Institut sucht Anschluß zu bekommen
an a 1 1 e K ü n s 11 e r. Es wünscht, daß alle mit ihm arbeiten; einerlei, wer
sie sind, wo sie wohnen. Ihnen, den Künstlern, will es dienen, indem es der Kunst
dient. Das Institut würde es für ein Vergehen halten, wollte es aus irgendeiner
Diözese Auf träge herausholen und in „Günstlingswirtschaft" an bekannte Künstler
„vergeben". Es will den Künstlern der einzelnen Diözesen zur Hand gehen,
ihnen helfen, gute Kunst zu liefern und zu leben! Ich möchte die
Künstler, welche bislang mit unserer Einrichtung zu tun hatten, auffordern, zu
erklären, ob sie nicht freudig bereit sind, unter den gestellten Anforderungen weiter
mit uns zu arbeiten; bislang hat noch keiner sich beklagt, auch nicht einmal über
die Diktatur Witte. Wohl aber haben viele dankbar die Anregungen u. s. f. ent-
gegengenommen, die ihnen vom Institut aus nach mehr als einer Richtung ge-
geben wurden. Daß die Geistlichkeit besonderes Vertrauen zu dem Institut
gefaßt hat, wer kann es ihr verwehren angesichts der greifbaren Vorteile, welche
das Institut künstlerisch wie wirtschaftlich ihr bietet ? Ich wäre den Goldschmieden
dankbar, wenn sie mich aufforderten, der Geistlichkeit die Beweise dafür zu er-
bringen, daß ihr eine möglichst enge vertrauensvolle Verbindung mit dem Institut
nur Vorteile bringen kann. Die mißliche Lage der christlichen Künstler erkennen
wir sehr wohl, aber auch die der Kirchen; beiden Teilen wollen wir helfend zur
Seite stehen, und zwar objektiv und — selbstlos bis zum Punkt auf dem i.

Da wir der christlichen Kunst dienen wollen, führen wir ein Dienerleben;
unsere Tätigkeit soll die des Opfers sein und ist es. Das zu sagen genüge heute;
einsichtige Menschen gestehen das zu. Daß diese Opfer solche wirtschaftlicher
wie geistiger Art sind, sei hier nebenbei bemerkt, aber sie sind da, zahllos, hervor-
gerufen durch hingebende Arbeit, durch Enttäuschungen und — das ist häßlich
immerhin — durch unnütze und vielfach aus dem Rücken kommende Anfeindun-
gen. Warum schlägt der Artikelschreiber der Goldschmiedezeitung nicht ehrlich
sein Visier auf? Erst dann wird er vor allem bei der Geistlichkeit Gehör finden;
daß er es nicht tut, macht letztere auf langer Linie stutzig.

Sagen wir uns weiterhin offen und ehrlich die — Wahrheit.

Witte.
 
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