Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0199

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Tempel der Athene oder der Parthenon zn Athen.

(Der Text nach Ernest Breton und Jules Gailhabäud.)

Die grosse Epoche der Kunst bei den Griechen ist die Zeit von der 80. bis zur 111. Olympiade,
vom Jahre 460 bis 336 vor Chr., sie umfasst das Zeitalter des Perikles und des Alexander; ihr gehören
die bewunderungswürdigsten Meisterwerke an, die auf uns gekommen sind. Schon seit langer Zeit hatten
die politischen Ereignisse diesen hohen Aufschwung der Kunst vorbereitet. Der Perserkrieg; der ganz Grie-
chenland in Bewegung setzte, hatte den Geistern eine Bewegung, eine Thätigkeit gegeben, die eine der
Hauptursachen dieser ausserordentlichen Entwickelung war. Athen war der Mittelpunkt dieses Schauspieles.
Der glückliche Erfolg begeisterte das Volk, durchdrang es mit dem Bewusstsein seiner Grösse und flösste
ihm einen edlen Stolz ein, der seine geistigen Fähigkeiten nur um so mehr heben musste. Daher jener
erstaunliche Aufschwung, der vornemlich in Attika sich bemerkbar machte, und dessen Beginn Herodot*)
von dem 4. Jahr der 67. Olympiade datirt.

Athen hatte das Glück einen Cimon und Perikles gerade in der Epoche hervorzubringen, wo sein
Ruhm, seine Macht, seine Einkünfte auf den höchsten Punkt gestiegen waren. Der Missbrauch seiner
Macht und seines Selbstvertrauens, der in den Augen des Künstlers und Archäologen nur durch die Mei-
sterwerke, die er hervorrief, gerechtfertigt werden kann, erleichterte die Ausführung so vieler Monumente,
die wie durch Zauber das alte Athen zur wunderreichsten Stadt der Welt und zur ewigen Schule der
Architecten und Bildner aller Völker und Zeiten machten.

So wie die griechischen Völkerschaften von der Herrschaft der Perser befreit waren, hatten sie unter
sich einen Bund geschlossen, um den Krieg gegen den grossen König zu unterhalten. Die attischen Staats-
männer wurden beauftragt den Beitrag jedes Volkes zu bestimmen. Anfangs war dieser Beitrag (y6Qog~)
nach dem Vorschlage des Aristides massig, er belief sich im Ganzen nur auf die Summe von 460 Talenten,
(etwa 524,220 Thaler). Dies war der erste Tribut, den Athen in seiner Hegemonie empfing. Dieser Schatz
wurde Anfangs auf der Insel Delos niedergelegt, die nur von Priestern bewohnt und durch ihre Heiligkeit
vor Beraubung gesichert war. Als in der Folge die Macht und der Ehrgeiz Athens wuchs und damit auch
die Neigung und die Gelegenheit zum Missbrauch derselben, wurden die Beiträge vermehrt, und endlich
brachten die Athener den Schatz in ihre Stadt, wo er unter Perikles auf 1200 Talente stieg; er ward, wie
wir nachher sehen werden, im Opisthodom des Tempels der Athene niedergelegt. Allmälig wuchs die-
ser Schatz immer mehr durch die UebergrifFe, die sich die Macht Athens erlaubte, bis es endlich dahin
kam, dass man den grössten Theil dieser Summe zuerst auf Werke zum Nutzen der Stadt, bald aber auf
Gegenstände der Kunst und des blossen Luxus verwendete. Dies erklärt die Möglichkeit so ungeheurer
Arbeiten, die unter der Verwaltung des Cimon und Perikles ausgeführt wurden. Aber indem Perikles sol-
chergestalt die Kriegsgelder zu Gunsten des nationalen Egoismus, zur Verschönerung Athens, verwandte,
brachte er die meisten Völker Griechenlands gegen diese Stadt auf, und bereitete eine Reaction vor, die
seiner Vaterstadt den Untergang brachte. Ein tiefer Philosoph, ein geschickter Redner, von grosser Kühn-
heit und weit umfassenden Ideen, in seiner äusseren Erscheinung voll Würde und Majestät, die ihm den
Beinamen des ,,Olympischen" einbrachte, verband Perikles mit diesen glänzenden Eigenschaften einen
geläuterten Kunstgeschmack; der beste Beweis davon ist, dass er dem Phidias die Oberaufsicht über alle
Werke übertrug, die er ausführen liess. Das merkwürdigste unter diesen Werken ist in jeder Hinsicht
dasjenige, von dem wir hier zu sprechen haben.

Mitten auf der Akropolis oder der Burg Athens wurde ein Tempel der Athene errichtet, der Parthenon,
so genannt zu Ehren der Jungfräulichkeit der Göttin, der er geweiht war. Man nannte ihn auch 'Exaroi-medov
(den Hundertfüssigen) wegen seiner Ausdehnung, die an der Fronte 100 Fuss betrug; einige Schriftsteller
haben dieses Maass auch noch auf andere Richtungen bezogen, was aber falsch ist.

Nachdem Xerxes die Ländereien der Phocäer zerstört und vergeblich den Tempel zu Delphi zu be-
rauben versucht hatte, drang er in Attika ein, zerstörte Athen von Grund aus, übergab alle Tempel den
Flammen, auch den der Athene nicht ausgenommen, der der älteste der Stadt und der von den Athe-
nern verehrteste war. Dies geschah im ersten Jahre der 75. Olympiade oder 480 vor Chr. Geb. Man
hat in neuester Zeit einige Spuren desselben entdeckt. Unter den Trümmern hat man Ziegel, Stirnziegel
von gebranntem Thon, kleine Bronzen, sogar eine Menge Zeichenstifte gefunden, die ohne Zweifel von
den Architekten zum Zeichnen auf den Marmor angewendet wurden, dazu auch noch Gefässe mit blauer
und rother Farbe, um die verschiedenen architektonischen Glieder zu bemalen.

Der neue Tempel, den Perikles errichten liess, wurde auf dem höchsten Punkte der Akropolis erbaut
Von welcher Seite man auch nach Athen kommen mag, so fällt der Blick doch jedesmal zuerst auf dieses

*) B. V. c. 78.

Denkmäler der Baukunst. XXX. Lieferung.
 
Annotationen