Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Gartenkunst — 12.1910

DOI Artikel:
Lux, Joseph August: Wiener Gärten aus der Barockzeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0207

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XII, 12

DIE GARTENKUNST.

199

Wiener Gärten aus der Barockzeit.

Mit 6 Abbildungen.
Von Joseph Aug. Lux, Dresden.

Die meisten alten Residenzstädte, Wien ist unter
diesen, besitzen ein dreifältiges Gartenwesen: die ba-
rocken Gartenschöpfungen des 16. Jahrhunderts, ur-
sprünglich zum Sommerpalast eines Fürsten gehörig
und nunmehr der Öffentlichkeit übergeben; die alte
volkstümliche Gartenkultur im ländlichen Umkreis der
Stadt; und die neuen städtischen Park- und Garten-
anlagen.

Die erste Art, jene alten barocken Gartenschöpfungen
gehören in gesundheitlicher und gartenkünstlerischer
Beziehung zu den wertvollsten Gütern einer Stadt, deren
Physiognomie sie wesentlich mitbestimmen. Sie über-
liefern einen Schatz vorbildlicher, gartenarchitektonischer
Grundsätze hinsichtlich Ausnützung der Terrainverhält-
nisse, der Anlage der Beete, Treppen, Wege und der
geschnittenen Laubwände, die geradlinig auf einen
zentralen Punkt zulaufen, darin sich eine schöne Statue,
ein Brunnen, eine Gartenplastik wie von einem Hain
umschlossen erhebt. Sie sind Gartenkunst.

Sie sind mit den Wiener Palästen in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden, und von daher
mit den Namen des künstlerischen Dreigestirns, Fischer
von Erlach, Lukas von Hildebrand, Martineiii ver-
bunden. Das Beispiel Ludwig XIV. weckte den Ehr-
geiz, der gesicherte Frieden nach abgewendeter Türken-
not gab die Möglichkeit äußerer Prunkentfaltung. Die
Ruhmsucht, die keine Gelegenheit mehr fand, in kriege-
rischen Taten zu glänzen, überbot sich nun im Glanz
der Repräsentation. Die räumliche Rücksicht innerhalb
der Stadtbefestigung setzte der Großzügigkeit archi-
tektonischer Monumentalanlagen enge Grenzen, und ver-
wies auf die offene Landschaft in der Umgebung. Da
kein Feind zu fürchten war, wurden die Jagdschlösser
zu Sommerresidenzen erweitert oder neue Schlösser
erbaut, monumental in der Anlage und als Sommer-
palais, maison de plaisance, während der guten Jahres-
zeit benützt. Die Winterpalais befanden sich in der Stadt.
In der offenen Landschaft unbeengt, entstanden mit
dem Sommerpalais die großen Gartenschöpfungen, nicht
als organische Entwicklung der Stadt, sondern als An-
hängsel, einstmals ziemlich fernab gelegen, heute wie
von einem festen Ring umschlossen, Belvederegarten,
Schwarzenberggarten, Augarten und zum Teil der Park
zu Schönbrunn, von anderen herrlichen Gartenschöp-
fungen, die untergegangen sind, nicht zu reden.

Die genannten Gärten mit Ausnahme des Au-
gartens, der eben und tief gelegen ist, stellen glück-
liche gartenarchitektonische Lösungen des aufsteigenden
Terrains dar. Hier hätte der heutige Gartenkünstler

viel Gelegenheit, Wirkungen zu studieren. Das Lust-
schloß von Schönbrunn, ehemals Jagdschloß und von
J. B. Fischer von Erlach zur Sommerresidenz erweitert,
mit großem Blumenparterre, Bassins, Springbrunnen
und mit dem Gloriette auf der Anhöhe als krönenden
Abschluß der Perspektive ist ein genialer Wurf, was
die Ausnützung des schwierigen, ansteigenden Terrains
betrifft. Le Blond, ein Schüler Le Notres, des be-
rühmten Gartenarchitekten Ludwig XIV., hat die Garten-
anlage geschaffen.

Indessen, es zwingt uns nichts, Namentafeln auf-
zurichten. Der Stil war Gemeingut der Zeit und wurde
mit gleicher Geschicklichkeit und gleichem Raumver-
ständnis von allen Künstlern behandelt. Im Belvedere-
und Schwarzenberggarten liegen auf kleinerem Gebiete
ganz ähnliche Verhältnisse vor. Schloß und Garten,
in beiden Lagern, von Fischer von Erlach entworfen, sind
als raumkünstlerische Einheiten entzückend. Sie zeigen
ein feines Wiederspiel: Im Belvedere und Schloßhof garten
bei Wien steht das Schloß auf der Höhe, und der Garten
fällt in Terrassen ab ; im benachbarten Schwarzenberg-
garten ist es umgekehrt der Fall. Aber immer ist die
Lösung vollendet. Nach dem heutigen Zustande ahnen
wir kaum, was es war. Man muß die alten Bücher und
Stiche zurate ziehen, um das Wunder zu kennen. In stein-
gemauerten Kaskaden, von plastischen Gruppen und
Wasserkünsten belebt, hob sich Terrasse über Terrasse,
von Strahlenbogen der Fontänen überschnitten, in ge-
schlossenen Wandflächen setzten sich in der Perspektive
die dicht verwachsenen, geschorenen Laubwände fort,
überragt von den höheren regelmäßig geschorenen ge-
schnittenen Kronen, Würfel schob sich an Würfel, Frei-
treppen stiegen links und rechts empor zu höheren
Bassins und abschließenden Kaskaden und Wasser-
werken. Nischen in den Laubwänden beherbergten
Gartenplastiken, den ganzen mythologischen Götter-
himmel, das Blumenparterre vor dem Schloß bot in
komplizierten Arabesken eine Fülle seltener und er-
lesener Blütenpracht, kegelförmig gestutzte Bäume bilde-
ten eine grüne Architektur und lange Kübelreihen von
kugelförmig geschnittenen Orangenbäumen führten archi-
tektonische Leitlinien durch die verwirrende Zeichnung
der Blumenparterres. Eine Orangerie gehörte zu den
Requisiten der fürstlichen Hofhaltung.

Was wir heute davon sehen, ist ein Schatten des
einstigen Zustandes. Die Kostspieligkeit der Instand-
haltung, der veränderte Zeitgeschmack, die romantische
Naturschwärmerei zu Anfang des 19. Jahrhunderts, die
nach angeblich englischem Muster das Wildwachsen
 
Annotationen