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Die Gartenkunst — 12.1910

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Arntz, Wilhelm: Italienische Renaissance-Gärten, [3]: Florentiner Villen
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Berg, Max: Die Wohnstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0070

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62

DIE GARTENKUNST.

XII, 4

der Gegend von Florenz auch im Winter ein sommer-
liches Ansehen. Die immergrünen Gehölze machen
hier durchaus nicht den düstern, schwermütigen Ein-
druck wie in unsern koniferenreichen Gärten in Deutsch-
land, und unter ihrer Fülle lernt man auch die Schön-
heit des kahlen Geästes von Eichen, Platanen u. a.
richtig schätzen. Palmen (Chamaerops, Phoenix, Brahea)
finden sich glücklicherweise nur selten in den alten
Gärten. Ihre Erscheinung hat auch hier noch etwas
Fremdes, trotz der reichen Verwendung in neuen
Gärten und städtischen Anlagen. Viel besser gehen
mit den einheimischen Koniferen und Laubhölzern zu-

Villa La Gamberaia (Principessa Ghyka) bei Settignano
vor Florenz. Ostliche Hauptachse.

sammen die Agaven. Als einzelne Bäume oder in
Rhythmen verwendet findet man außerdem Oleander
(oft riesige Büsche), Eriobotrya japonica (im Winter
mit zahlreichen duftenden Blüten in den Achseln der
großen Blätter), einen Liguster mit sehr großen win-
tergrünen Blättern (auch beliebter Allecbaum, nicht
Ibota), Crataegus glabra (immergrün), Kirschlorbcer,
Aucuben (mit schönen roten Früchten), echte Aka-
zien, Orangen, Zitronen, Granaten und viele andere.
Aber in den alten Gärten sind sie immer mit Maß
und sicherer Absicht verwendet. Die neueren Gär-
ten sind botanisch ungleich interessanter, aber auch
an Schönheit unendlich ärmer, so arm, daß sie kaum
etwas besitzen, was eine der großen und zahlreichen

Häßlichkeiten wett machen könnte. Hier gibt es an-
scheinend keine Kunst mehr im Garten. Sie scheint
mit der letzten Blüte der Renaissance erloschen zu sein.

Die Wohnstadt.')

Von Stadtbaurat Berg, Breslau.

Es steht statistisch fest, daß die Zunahme der Großstadt-
bevölkerung nicht aus sich heraus geschieht, sondern durch
Zuzug vom Land und von der Klein- und Mittelstadt. Unsre
Großstädte bilden den Sumpf, in dem der Überschuß
der Bevölkerung dauernd versinkt. Die Statistik der
Gefängnisse und Irrenhäuser, der Sterblichkeitsverhältnisse
der Militäruntauglichkeit, Schwindsuchtsstatistik und Kriminal-
statistik beweisen, daf3 unsre Großstädte die moralischen und
körperlichen Degenerationszentren unsres Volkes geworden
sind. Noch vermag unser Volk infolge der Kraft und Gesund-
heit seiner außergroßstädtischen Bevölkerung dem unsre Volks-
kraft und Volksvermehrung herabziehenden Strudel der Groß-
städte das Gegengewicht zu halten. Beängstigend für die Zu-
kunft ist es jedoch, zu sehen, in welch abschreckendem Ver-
hältnis zur Außergroßstadtbevölkerung die Großstadtbevölke-
rung dauernd zunimmt.

Die Entwicklung unsres modernen Städtebaues hat deshalb
vor allem andern ein wichtiges Ziel. Sie muß erstreben, die
Großstädte auf einen solchen Standpunkt zu bringen, daß si'e
einen gesunden Nachwuchs wenigstens zum großen
Teil aus sich selbst heraus zu erzeugen vermögen.
Wohl ist dem Städtebau allein nicht möglich, dieses Ziel zu
erreichen. Änderungen der großstädtischen Lebensführung,
Einschränkung des Alkoholgenusses und vieles andere gehört
mit dazu. Die Möglichkeit jedoch, die Lebensführung auf ge-
sunde Grundlage zu stellen, muß zum größten Teil der
Städtebau schaffen.

Die Luft ist das wichtigste Nahrungsmittel aller Organis-
men. Die Luft unsrer Großstädte ist von einer die Gesundheit
aufs äußerste schädigenden Beschaffenheit. Vor allem sind der
Mangel der Vegetation und die durch die Verbrennung von
Kohle erzeugten schädlichen Gase (wie schweflige Säure usw.)
die Ursachen der Luftverschlechterung. Der Gehalt der Groß-
stadtluft an Schwefelsäure allein beträgt nach Ilüppe ungefähr
das Vier- bis Sechsfache des entsprechenden Gehaltes der Land-
luft. Wir wissen, daß die Bäume der Großstadt nur ein kurzes
Leben haben, wir beobachten in unsrer Zeit eine viel schnellere
Verwitterung der Baumaterialien. Gesteine, die früher Jahr-
hunderten standgehalten haben, zerfallen und verwittern heute
in Jahrzehnten. Zinkdächer sind jetzt nach einem Vierteljahr-
hundert durchgefressen. Ist es da ein Wunder, wenn auch der
menschliche Organismus durch die Großstadtluft allmählich
zerstört wird, wenn der Großstadtmensch, der von Kindheit
an nichts andres zu atmen erhält, degeneriert? Und diese
Luft ist sogar noch die sogenannte „frische" Luft, die man
zum Ersatz der verdorbenen in die geschlossenen Räume führt.

Wie die Zuführung gesunden Wassers und die Entfernung
der festen und flüssigen Abfallstoffe immer noch eine Haupt-

*) Im Kunstwart, 2. Januarheft 1910, veröffentlicht der
Breslauer Stadtbaurat Berg eine Studie, in der er Gesichts-
punkte für die Beurteilung des Wettbewerbes Groß-Berlin und
über seine Bedeutung für die Entwickelung des modernen Städte-
baues überhaupt entwickelt. Mit Zustimmung des Verfassers
geben wir hier denjenigen Teil, welcher sich mit der Gestaltung
der „Wohnstadt" befaßt, wieder, weil er in weitgehender Weise
der Wichtigkeit der Grünanlagen im Bereiche der Stadt gerecht
wird und deshalb für die Leser der „Gartenkunst" von Inter-
esse ist. Die Schriftleitung.
 
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