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Die Gartenkunst — 12.1910

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Arntz, Wilhelm: Italienische Renaissance-Gärten, [1]: Villa Bettoni bei Bigliaco
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0038

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DIE GARTENKUNST.

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sene Raumwirkung, auf gute Verhältnisse
und schöne Formen. Die Belebung, nach der das
große Publikum immer verlangt, kommt dann aber
erst in zweiter Linie von selbst. Und die Freiheit der
Schönheit liegt in der vollkommenen Erfüllung dieser
Forderungen, nicht in der Ungebundenheit und den
sogenannten freien Linien.

Bücherschau.

„Der Schulgarten des In- und Auslandes. Von Bern-
hard Cronberger, städt. Lehrer in Frankfurt a. M. Deutsche
Landbuchhandlung, Berlin 1909, II. Aufl.". In der Einführung
der vorliegenden Schrift heißt es: „Unsere Jugend wird viel
zu sehr mit toten Begriffen gefüttert, statt daß man die lebens-
volle Anschauung der Wirklichkeit ihr bietet." Und weiter:
„Welch köstliche Werte schließlich der Schulgarten in die
Steinmassen unser deutschen Großstädte bringen kann, bedarf
keiner weiteren Ausführung."

Besonders der letztere Satz sollte ein Appell sein an
alle, die sich mit der künstlerischen Seite der Gartenanlagen
befassen, den Schulgartenbestrebungen mehr als bisher Be-
achtung und Interesse zu schenken. Hier können die Garten-
künstler in erster Linie Jugenderzieher werden und manchen
Sonnenstrahl der Gartenschönheit in die graue Gegenwart
und noch grauere Zukunft des Kindes der Arbeiterviertel
hineinfallen lassen. Wie sagt doch Cronberger so richtig:
„Die meisten Kinder wohnen in den hohen Häusern der engen
Gassen, wohin selten der lebenspende Strahl der Sonne scheint,
wo weit und breit keine Blume, keine Pflanze das Auge er-
freut. In dieser Umgebung verbringen die armen Kinder der
Arbeiter und der Tagelöhner die schönste Zeit ihrer Jugend.
Nur selten einmal kommen sie hinaus aus der ungesunden
Luft der Großstadt, hinaus in Feld und Flur, in Wald und
Wiese, wo sie dann erleichtert aufatmen, der beengende Druck,
der auf ihren Gemütern schon von Jugend auf lastet, plötzlich
schwindet, wo tausenderlei ihnen unbekannte Dinge Geist und
Gemüt lebhaft beschäftigen. Die Natur in ihrer feierlichen
Stille und ihrer erhabenen Ruhe kommt einem solchen Kind
wie ein Paradies vor, das aber leider nur für andere ge-
schaffen ist. . . . Was ist die Folge? Das arme Kind ver-
kümmert oft im steinernen Häusermeer, es wird verbittert,
in sein Herz zieht Gefühllosigkeit und Stumpfheit gegen alles
Schöne und Erhabene ein."

Zahlreiche Wanderungen in Feld und Wald hinterlassen
wegen der großen Zahl der Kinder und der kurzen Dauer
nur oberflächliche Eindrücke. Man kommt immer mehr zu der
Einsicht, daß man es umgekehrt machen muß: nicht die Kinder
in großen Scharen flüchtig durch die Natur führen, sondern
ein Stück Natur ihnen dauernd möglichst nahe zu bringen
suchen! Dazu sind schon die zum teil geräumigen Schulhöfe
nicht ungeeignet.

Der Schulgarten kommt hier zunächst als Lehrmittel für
den naturkundlichen Unterricht in Betracht und bietet als
solches ein unersetzliches Veranschaulichungsmaterial. Weiter
tritt erfreulicherweise in unseren Schulen an die Stelle der
morphologisch-systematischen Betrachtungsweise immer mehr
die biologische, die das Leben der Organismen in erster Linie
berücksichtigt. Mancherlei interessante Beobachtungen und
Versuche lassen sich im Schulgarten an der lebenden Pflanze
anstellen über die Abhängigkeit von den Bodenverhältnissen,
von Licht, Wärme etc.

Um diesen Forderungen aber voll zu genügen und das
Großstadtkind mit der heimischen Pflanzenwelt vertraut zu

machen, hätte der Schulgarten alle Verhältnisse der freien
Heimatnatur zur Darstellung zu bringen: Wald, Wiese, Sumpf
etc. An jeder Schule läßt sich eine solche biologisch-ökologische
Anlage naturgemäß nicht schaffen, es genügt auch, wenn jede
Großstadt, soweit sie entsprechende Naturdenkmäler in nächster
Nähe nicht retten und ergänzen kann, für einen größeren zen-
tralen „ Heimatnaturpark " sorgt, in dem in künstlich der Natur
nachgeschaffenen Vegetationsverhältnissen das Pflanzen- und
Kleintierleben der Heimat möglichst anschaulich und harmonisch
sich entwickelt. Solche größeren Anlagen sind, außer in
einigen Universitätsgärten (z. B. Dahlem), auch in den An-
lagen einiger Großstädte (Königsberg, Frankfurt a. M.) im
Entstehen begriffen. Bei genügend großem und günstigem
Gelände und ausreichenden Geldmitteln ließen sich so auch
für die erwachsenen Großstädter neben weiten Spielparks und
gemütlichen öffentlichen Blumengärten wertvolle Anlagen für
stille Naturbetrachtung und Heimatkunde schaffen, die unend-
lich reicher wären an Form und Inhalt als die üblichen „Grün-
anlagen ".

Doch so weit gehen die Wünsche des vorliegenden
Buches noch gar nicht, und das Nächstliegende für den Schul-
mann ist wohl der unmittelbar benutzbare Garten an der
Schule. Aber auch hier weiß der fühlende Lehrer den er-
zieherischen Wert der Schönheit zu schätzen: „Ein hübsch
eingerichteter, gut gepflegter Schulgarten, besonders wenn er
in geschmackvoller Weise unsere Blumen berücksichtigt, kann
auf den Schönheitssinn und die ästhetischen Gefühle nicht ohne
günstigen Eindruck bleiben." Hier setzt, wie bereits betont,
eine wichtige Arbeit auch des Gartenkünstlers an der Schul-
jugend ein: eine Möglichkeit und damit Verpflichtung der Er-
ziehung der heranwachsenden Generation zum Schönheits- und
Natursinn, wie sie kaum einem Anderen geboten ist. Leider
wird diese ernste Aufgabe in Kreisen der Gartengestalter
meistens noch nicht beachtet; sie halten den Schulgarten immer
noch lediglich für einen lästigen Anzuchtacker von allerlei Un-
kräutern, an denen sich die Jugend im Zählen von Staubge-
fäßen und Lernen von Namen üben soll. — Möchten die so
selbstverständlichen Worte Cronbergers grade in Garten-
künstlerkreisen viel Beachtung finden! Um so mehr, als der
Hauptteil des vorliegenden Buches, eine fleißige Schilderung
dessen, was vonseiten deutscher Gemeinden bereits auf dem
Gebiet des Schulgartenwesens getan wird, zeigt, daß noch
manches im Argen liegt.

Mehr Beachtung verdienen auch die weiterhin besprochenen
in verschiedenen Gegenden bestehenden, praktischen Garten-
bau-Unterrichtszwecken dienenden Schulgärten auf dem Lande.
Gerade dieser Unterricht sollte an städtischen Schulen einge-
führt und gepflegt werden. Einmal bringt er gesunde und
nützliche Körperarbeit mit sich, was auch für den späteren
Fabrik- und Ladenmenschen erzieherisch ist, dann aber könnte
er sehr wohl der vielbeklagten Landflucht eine Stadtflucht
entgegensetzen helfen, denn das Großstadtkind, das an der
Pflanzenzucht Gefallen gefunden hat, wird Fabrik- und Laden-
arbeit möglichst meiden und vor den Toren im Gartenbau
sein gesundes Brot suchen, selbst auf die Gefahr hin, weniger
zu verdienen. So kann auch die Schule für die Gartenstadt
der Zukunft erziehen. — Obenein gehen Millionen für Obst
ins Ausland, die sehr wohl bei vernünftigeren Erwerbsneigungen
unseres Volkes im Lande bleiben könnten. Und schließlich
wäre vielleicht die wertvollste Wirkung einer gründlichen
Förderung des Obstbaues durch die Schulen eine gewaltige
Hebung des Verbrauchs eines reinen Genuß- und gesunden
Nahrungsmittels gegenüber dem schädlichen Tabak-, Alkohol-
und überschätzten Fleischgenuß. Die Zukunft unseres Volkes
erfordert eine Erziehung zu gesunder, einfacher Lebensweise,
nicht eine blinde Förderung des Industrialismus, der Elend
und kranke Genußsucht mit sich bringt.

Cronbergers zusammenstellende Arbeit zeigt, daß wir in
dieser Hinsicht wieder einmal vom Auslande lernen können,
besonders von Österreichs und Englands Schulgesetzen, wie
auch von privaten Unternehmungen in Nordamerika.
 
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