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Die Gartenkunst — 12.1910

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Ravené, Louis; Albert, Heinrich Friedrich: Die Deutsche Gartenkunst auf der Brüsseler Weltausstellung
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0185

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xn 10 DIE GARTENKUNST. 177

hat solche Leute. Diese Leute in solchen Fällen auf den
richtigen Posten zu stellen, das ist eine der wichtigsten
Aufgaben der Ausstellungsleitung.

Auch bei Gruppe III, Ausstellung von Plänen, und Model-
len für Gartenanlagen, Gartenausstattungen usw. und Gruppe
IV, Ausstellungen aus den großen Gebieten des Gartenbaues
ist die Lösung der Personenfrage sehr wichtig, doch ist es
verhältnismäßig leichter, in diesen beiden Gruppen tüchtige
und gute Ausstellungen zuwege zu bringen. Hierauf noch
näher einzugehen, liegt jedoch außerhalb des Rahmens un-
serer Betrachtungen. Es sei nur nochmals darauf hinge-
wiesen, daß die Ausstellungen aus dem Gebiete des Garten-
baues ganz andere Zwecke verfolgen als die aus dem Ge-
biete der Gartenkunst, und daß es nicht angängig ist, wie
die bisherige Erfahrung reichlich gezeigt hat, beides durch-
einander zu würfeln.

Möge auch die Ausstellung in Brüssel trotz ihrer Mängel
der Gartenkunst dienen, wenn nicht anders so dadurch, daß
sie zeigt, wie es nicht gemacht werden soll und anregt, darüber
nachzudenken, wie in Zukunft Mißerfolge vermieden und in
Erfolge umgewandelt werden können.

Der Vorstand der
Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst.

Bücherschau.

In das presto furioso und fortissimo unseres heutigen
Lebens ein ritardando und piano hineinzurufen erscheint Man-
chem als unerlaubte Störung lebensfroh arbeitender Tatkraft.
Wer aber bemerkt hat, wie vielen Menschen bei diesem be-
täubenden Weltorchester Hören und Sehen vergeht, wie der
Sinn für Unterscheidung feinerer Lebenstonwerte dabei ab-
stumpft, der wird jene „Störenfriede" freudig begrüßen, die
uns auf die Bedeutung des Wechsels in der Bewegung hin-
weisen, auf dem die Schönheit des Lebensrhythmus beruht. —

Heimat- und Naturschutz, Landschafts- und Naturdenk-
malspflege, das sind die neugeprägten Losungsworte zur Wieder-
erweckung der Werte, die fast dem Untergang geweiht schienen,
weil sie mit dem heute gangbaren Maßstabe nicht mehr meß-
bar waren. Auf die Gefahr hin, als sentimentale Romantiker
verhöhnt und als störende Utopisten abgelehnt zu werden,
unternehmen es Kenner dieser Werte, sie wieder auf dem
Markte des Lebens zur Geltung und dadurch in Umsatz zu
bringen.

Prof. Dr. E. Gradmann, Landeskonservator in Stuttgart,
sagt im Vorwort seines Buches „Heimatschutz und Landschafts-
pflege": „Die besondere Absicht dieses Schriftchens ist, über
neue und alte romantische Bestrebungen hinauszuweisen auf
einen gesunden Realismus und über unfruchtbare Negation
und starren Konservatismus auf positives, künstlerisches
Schaffen." Dieses Programm reizt besonders zum Weiter-
lesen; denn man ist gespannt, ob es dem Verfasser gelingen
wird, die Erhaltung des heimatlichen Landschaftscharakters
als reale Möglichkeit nachzuweisen, obgleich doch der Fort-
schritt unserer Zeit unaufhaltbar Abänderungen mit sich
bringen muß. In der folgenden Einleitung erinnert uns der
Verfasser zunächst an die in den letzten Jahrzehnten gebüh-
rend gebrandmarkten Häßlichkeiten unserer „Kultur". Ab-
hilfe erwartet er von Sachverständigen, den Künstlern, ihren
Interpreten und Kritikern und den Ästhetikern (S. 12). Er
mahnt die arbeitenden Heimatschutztruppen zur Bescheiden-
heit gegenüber dem werktätigen Leben (S. 22) und warnt vor
sentimentaler Übertreibung und trägem gewohnheitsmäßigem
Festhalten am Althergebrachten. Er will Altes und Neues
harmonisch verbunden sehen (S. 24) und sagt weiter (S. 25):
„Man kann ohne Furcht vor Zerstörung künstlerischer Werte

fast überall bauen oder pflanzen, wenn es nötig ist. Es kommt
nur darauf an, wie es geschieht, und dazu kommt es vor
allem auf den Mann an. Künstler, nicht bloße Techniker
sollen ... das maßgebende Wort haben, denn sie allein ver-
stehen schön zu gestalten ..." — Ja, wenn sich diese kühne Vor-
aussetzung nur ohne Bedenken auf jeden, der sich „Künstler"
nennt, anwenden ließe! Die große Schwierigkeit, bei dem oft
„unverständlichen" (S. 27) Individualismus unserer heutigen
Kunst, jenen geeigneten „Mann" ausfindig zu machen, em-
pfindet Gradmann offenbar selbst, wenn er (S. 27) den hohen
Wert der Überlieferung preist, die von Künstlern bestimmt,
von den Handwerkern bescheiden befolgt wurde. Die alten
Meister hielten sich an Typen, die für ihren Zweck bewährt
waren und von jedermann verstanden wurden. Darum war
die Kunst volkstümlich Auch wir müssen wieder Typen
finden für unsere neuen Zwecke . . . ." Aber um diesem
erstrebenswerten Ziel näher zu kommen, dürfen wir die erste
Station auf dem Wege nicht aus den Augen verlieren: „es
ist die Naivität, die garnicht an Kunst denkt" (S. 58). Diese
Naivität, diese frische Kindlichkeit, aus der selbstverständliche
gute Kunst entspringt, fehlt uns noch allzusehr. Wir sehen
es, meine ich, an der heutigen oft bewußt gesuchten Formen-
sprache der Baukünstler und Landschaftskünstler, die statt
widerstandfähiger Dauerhaftigkeit, aufrichtiger F.infachheit und
wirklicher Brauchbarkeit ihrer Schöpfungen einen möglichst
schwindelnden Grad künstlerischer Höhe anstrebt — eine Rich-
tung, die uns in der Nutzkunst gewiß nicht zu einem allge-
mein geltenden Typus führen kann. Je mehr wir uns vom
neuerdings übertriebenen Wahne befreien, als wäre die All-
tagsumwelt ausschließlich dazu da, uns Kunstgenüsse aufzu-
drängen, — je mehr der Künstler sich darauf besinnt, daß
nicht allein der künstlerische Höhegrad eines Gebrauchs-
gegenstandes, nicht seine originelle Ausstattung, nicht die Aus-
nahmestellung des anhaftenden Künstlernamens, auch nicht
ein hoher Geldpieis anhaltenden Wert verbürgt, sondern
vor allem schlichte Zweckmäßigkeit, dauerhaftes Material,
sorgfältige Ausführung, schickliches Maß schmückender Bei-
gaben — umso eher kann er eine tüchtige Hilfskraft des Heimat-
schutzes werden; denn dann erst kann seine Sprache in höhe-
ren und niederen Schichten eines Volkes verstanden werden,
dessen gesunder Instinkt für die Schönheit selbstverständlicher
Zweckmäßigkeit heute freilich betäubt und vielfach angesteckt
ist vom individualistisch rücksichtslosen und materialistisch-an-
spruchsvollen Zeitgeist, aber, wie ich glaube, mit vereinten
besonnenen Kräften wiedergeweckt und geheilt werden kann.
Wie wir diese Möglichkeit verwirklichen helfen sollen, ver-
sucht Gradmann an einer Fülle reizvollster Aufgaben des
Heimatschutzes und der Landschaftspflege in den folgenden
Kapiteln darzulegen. Nicht schablonenhafte Lösungen werden
uns dabei aufoktroyiert. Vielmehr weist der Verfasser gleich-
sam auf den richtigen Ansatz zur Lösung, auf wünschenswerte
Richtlinien hin , die ihm aus eigener Erfahrung Erfolg zu
versprechen scheinen. Daß man ihm hierbei nicht restlos zu-
zustimmen vermag, wird kein Grund sein, den Wert seines
Buches herabzumindern, das so viel wertvolle Anregung bietet
und insbesondere dem gärtnerischen Fachmann eine nicht un-
erhebliche Vergrößerung seines Arbeitsfeldes in Aussicht stellt,
je mehr er sich zum „Künstler" erzieht, der seinen Sinn em-
pfänglich macht für die verwandten Gebiete der Kunst und
seinen Blick weitet für die Lebensfragen der Zukunft ohne
die Zweckfragen der Gegenwart aus dem Auge zu verlieren.

„Die Naturdenkmalspflege • betitelt W. Bock sein Buch,
das in der Sammlung „Naturwissenschaftl. Wegweiser'- (Verl.
Strecker und Schröder, Stuttgart) vor kurzer Zeit erschienen
ist. Der Verfasser erläutert den Begriff des „Naturdenkmals"
als Landschaft, als Erdbodengestaltung, als Tier- und Pflanzen-
art oder -genossenschaft und zeigt an einer Menge von Bei-
spielen neue Aufgaben, die dem heutigen Kulturmenschen aus
der Uberkultur unserer Tage erwachsen sind. Es gilt mit allen,
Kräften die Erhaltung unwiederbringlicher Schätze anzustreben,
 
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