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Die Gartenkunst — 12.1910

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Lux, Joseph August: Vorgärten aus Goethes Tagen
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Arntz, Wilhelm: Italienische Renaissance-Gärten, [2]: Florentiner Villen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0049

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XII, 3 DIE GARTENKUNST. 41

chen sind hier zu Haus, zuweilen kommt der Wald-
specht auf flüchtigen Besuch, von der Hausschwalbe
nicht zu reden. Sie dienen nicht nur der Nützlichkeit,
sondern sie bestätigen die Schönheit. Das Abendlied
der Amsel vollendet die Harmonie, ebenso wie das
Rauschen des Baches und das Raunen des Windes.
Es ist elementare Musik, wie die Vorgartenidylle ele-
mentare Kunst ist, Dinge, von denen das dürftige
Schema des modernen Vorgartens nichts weiß.

Nicht immer ladet der ländliche Vorgarten breit
und behäbig vor dem Haus aus, um seitliches Gebüsche,
einen sattlichen Baum, Blumenrabatte und einen Brunnen
zu fassen. Oft liegt infolge des Terrains das Haus er-
höht, eine schmale Steintreppe führt seitlich zum Ein-
gang empor und ein schmaler nach der Straße hin
untermauerter Streifen zieht unter den Fenstern hin,
kaum so breit, einen Menschen durchzulassen, aber
breit genug, eine üppige blühende Pflanzenlast über den
Zaun zu hängen und im Winde pendeln zu lassen. Oft
ist der Hof schmal und klein, aber der Weinstock am
Hause gewährt eine Laube und ein paar Oleander-
bäume vervollständigen das fast klösterlich keusche
Bild eines Hofgartens. Haus stößt an Haus; wenn
nicht Schulter an Schulter steht, so zieht eine Mauer von
einem zum andern; aber die Mauern überragend, neigen
sich Baumwipfel über die Straße und überschütten den
Vorbeiwandernden heimlich mit Hausgartensehnsucht.

In der Regel ist es aber so, daß der Vorgarten der
einzige Blumengarten und Ruheaufenthalt der Bewohner
ist. Das Grundstück hinter dem Hause dient der Obst-
kultur oder sonstigen nützlichen Zwecken. Für die An-
lage und Gestaltung des Vorgartens entscheidet in
erster Linie das praktische Bedürfnis. Man will darin
leben können, man will Blumen ziehen oder eine nütz-
liche Pflanze, man will vor allem keinen verfügbaren
Platz unbenutzt lassen. Wie gering immerhin der posi-
tive Ertrag einer solchen Anpflanzung ist, was er dem
Menschen in immaterieller Hinsicht gibt, ist unberechen-
bar. Es ist eine Quelle von Daseinsfreuden. Die
Zweckmäßigkeit, die seiner Anlage und Willkür zu-
grunde gelegt ist, stempelt ihn zu einem Stück unbe-
wußter Architektur, die in jedem besonderen Fall anders
ist. Aber die zu Hilfe gerufene Natur verwendet die Viel-
heit von Kleinigkeiten zu einem Ganzen, indem sie
mit verschwenderischer Freigebigkeit von Haus zu Haus,
von Zaun zu Zaun das Grünen und Blühen verbindet
und unter dieser köstlichen Fülle die Ärmlichkeit und
Gebrechlichkeit der alternden Wohnhäuser schonend
verdeckt, so daß sie mit ihren weißen Wandflächen,
ihren graugrünen Schindeldächern und zerbröckelten
Garten- und Futtermauern, ihren verwackelten Stein-
stiegen und Holzzäunen durchblicken, wie die Grund-
linien einer geistvollen Gartenarchitektur, die die ganze
blühende Gartenherrlichkeit wie ein Blumentopf zu-
sammenhält.

Und betritt man ein Hausteilchen dieser gesamten
Vorgartenkultur, so ist es wieder überraschend, wie
übersichtlich und zweckvoll das einzelne zurechtge-

stellt und der Benützung oder auch nur dem ästhe-
tischen Genuß entsprechend ist, als hätte ein sehr
poesievoller Baukünstler alles bis ins kleinste ange-
geben. Das ist natürlich durchaus nicht der Fall ge-
wesen. Die Dinge sind entstanden, wie sie der Not-
wendigkeit gemäß entstehen mußten. Sie sind wild
gewachsen, aber die Natur hat sich selbst als Künst-
lerin erwiesen.

Trotz aller Lieblichkeit ist leider auch zu ersehen,
daß der Zustand ein Absterben ist. Dem Auge noch
einigermaßen entzogen, verfällt diese alte Daseins-
form , namentlich im Bannkreis einer großen Stadt
immer mehr und mehr der Verwahrlosung. Es ist
kein Wohnen mehr in diesen Häusern, es sei denn
mit Verzicht auf die allerprimärsten Kulturansprüche.
Schon da und dort sind Lücken gerissen und Neues
an Stelle des Alten getreten. Das ist wohl ein natür-
licher und gesetzmäßiger Vorgang, in dem an sich
nichts Betrübendes liegt, aber wie sieht dieses Neue
aus! Die neuen Häuser haben in diesen Gegenden wohl
auch Vorgärten, allein sie sind, wie angedeutet, ein
erbärmlicher Schatten gegen die alten. Sollte es auf
keine Weise möglich sein, die verschwindende Schön-
heit durch einen annähernden neuen Wert zu ersetzen?
Wir dürfen uns darüber keiner Täuschung, keiner senti-
mentalen Lüge hingeben, daß diese alten Vorgärten,
deren sich noch unser Auge erfreut, nie wieder neu er-
schaffen werden. Sie werden verschwinden und nie
wieder erscheinen. Es hat keinen Sinn, sie nachzu-
machen, denn die Nachahmung wird niemals das Rechte
treffen! Niemals wird durch Absichtlichkeit jene unge-
zwungene und doch gesetzmäßige Natürlichkeit ersetzt
werden können. Aber die Gesetzmäßigkeit, der auch
jene lieblichen Vorgärten unterliegen, wird, wenn die
Kraft des Herzens und das künstlerische Vermögen
stark genug sind, auch an neuen Straßen ein herr-
liches Gartenbild darstellen, wenngleich es durchaus
anders beschaffen sein wird. Wir müssen uns dessen
bewußt sein, daß wir, wenn auch das liebe Bild der
alten Kultur im Herzen tragend, an wesentlich andere
Ziele denken müssen, die wir nur in einer ungewöhn-
lich hohen Schule erreichen können.

Italienische Renaissance-Gärten.

Von Wilhelm Arntz.

II.

Florentiner Villen.
Florenz ist die Wiege des neuen Lebens, das vor
fast 500 Jahren in Italien erstand, die Kunst den engen
Fesseln der Gotik entriß und zu einem wunderbaren
Aufstieg führte, das in elementarer Kraft alle Gegen-
stände des menschlichen Lebens mit Schönheit durch-
drang, den Künsten neue große Aufgaben brachte und
sie zu den herrlichsten Leistungen drängte. Auch der
Garten, der bis dahin fast nur dem praktischen Nutzen
 
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