Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 3.1887

DOI Artikel:
Schneider, Friedrich: Deutsche Elfenbeinskulpturen des frühen Mittelalters
DOI Artikel:
Zwei Ketten vom Ende des 16. Jahrhunderts
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4106#0289

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
250

Zwei Ketten vom Ende des 16. Jahrhunderts.

hier bei einer Durchbrucharbeit besondere Be-
rechtiguug. Der frei gewählte Grundstoff in
unserem Falle gewährte für Profilstellung ähn-
liche Vorteile, wie die stilisirten Gründe der
oben erwähnten Bilderhandschriften. Jn dieser
Richtung begegnet sich also unser Werk ganz
mit den malerischen Werken des 10. Jahr-
hnnderts.

Jn der Bildung der Köpfe stimmt unser
Relief mit den genannten Arbeiten insofern,
als die kugelige, klotzige Form vorherrscht, der
Bart bei den Aposteln nur in einem Fall an-
gedeutet ist und die abgehackte Haartracht am
meisten mit dem Bremer Kvdex zusammentrifst.

Die Formen des Tisches lassen auf ein-
saches Holzgerüst schließen, während z. B. im
Kodex Egberti (Tafel 42) noch der antikisirende
Dreifuß erscheint; die Tischausrüstung dagegen
steht an Vvllständigkeit hinter verwandten Fällen
im Kodex Egberti (Tafel 42) und dem Aachener
Kodex (Tafel 24) nicht znrück. Die Form des
Beckens bei der Fußwaschung stimmt mit jener
im Kodex Egberti (Tafel 45) ziemlich überein.

Die kauernde, zusammengedrängte Haltung
der Apostel kehrt in ganz ähnlicher Weise bei

den Volksmassen sowohl im Kodex Egberti
(Tafel 38), als anch im Aachener Kodex
(Tafel 15) wieder und muß fnr die Zeit und
ihre Kunstweise als durchaus bezeichnend be-
trachtet werden.

Die unzulänglichen Ausdrucksmittel zu-
gegeben, veranschaulichen beide Darstellungen
sonst genügend und durchaus treffend die Vor-
gänge. Überdies ist Handluug damit verbnn-
den, so daß das Gewicht auf die Figur Christi
gelegt und sein Thun mit Nachdruck betont
wird. Verhält sich bei der Fnßwaschung der
Vertreter der Apostel ruhig und gewähren-
lassend, so ist beim Abendmahl in der Schar
der Apostel das Gefühl des Stannens, der
Andacht und des Verlangens mit Erfolg
veranschaulicht. Trotz aller Schwächen uud
Mängel muß darum das kleine Werk als die
durchaus erfreuliche Lebensäußerung einer Kunst-
anschauung betrachtet werden, welche ganz deut-
scher Empfindung ist, die ohne jede fremde Be-
einflussung aus den altvererbten Quellen der
Kultur und Kunst schöpft und in der frischen
Unmittelbarkeit der Auffassung wie der Aus-
drucksweise ein treffendes Bild der Zeit gewährt.

Zwei Ketten vom Lnde des t6. Iahrhunderts.

!Nit einer Tafel in Farbendruck.

— Durch das hochherzige Vermächt-
uis des kunstsinnigen Prinzen Karl von Preußen
wurden im Jahre 1884 dem Kunstgewerbe-
museum zu Berlin eine Anzahl Schmuckstücke
und Kleinodien aus der Zeit der Hochrenaissance
zugeführt, welche dieser mit Arbeiten jener Zeit
nur dürftig ausgestatteten Gruppe der Samm-
lungen erst eine gewisse Abrundnng verliehen
haben und mit den Mitteln des Museums kaum
jemals hätten beschafft werden können. Es befin-
den sich darunter Arbeiten von höchster Vollen-
dung inGold emaillirt und mitEdelsteinenbesetzt,
vorwiegend Anhänger und Ketten, deutscher, ita-
lienischer und spanischer Herkunft. Einige ein-
fachere Stücke, welche sich eben wegen ihrer Ein-
fachheit besonders als Vorbilder eignen, geben
wir auf unserer Tafel in Farben und Größe
der Originale wieder.

Es sind zwei Ketten, bezüglichTeile von sol-

chen, beide aus je zwei mit einander abwech-
selnden Gliedern gebildet aus Gold mit Email
und Perlen geziert.

Die obere Kette zeigt zwischen den beiden
verschieden großen, in der Bekrönung gleichen
Gliedern mit Perlbehang je ein kleines aus
zwei Perlen gebildetes Gehänge.

Die untere Kette ist reicher gestaltet: hier
wechseln ein breites Glied fast in Form eines
Zierschildes mit großer Perle in der Mitte und
dreifachem Perlenbehang mit einem kleineren
sternförmigen Gliede ab, von dem je eine Perle
herabhängt. Mit großem Geschick ist die vordere
Mitte der Kette durch Verwendung und witzige
Zusammenstellung derselben Glieder betont: ein
lehrreiches Beispiel, mit welch geringen Mitteln
reiche und überraschende Wirkungen zu er-
zielen sind.

Die Kleinheit der einzelnen Glieder, die
 
Annotationen