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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 3.1887

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Rée, Paul Johannes: Büchereinbände von geschnittenem und getriebenem Leder
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https://doi.org/10.11588/diglit.4106#0174

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Kunstgewerbeblatt. z. Iahrganq.

Nr. 8.

Büchereinbände von geschnittenem und getriebenem §eder.

Von j)aul Iohannes Räe.

Mt Abbildungen.

Schon zur Zeit der Karolinger treffen wir
in den Klöstern Lederarbeiter, welche die Häntc
der Tiere fn der Weise zu präpariren hatten,
daß sie fich zum Einbinden der Bücher eigne-
ten, und es kennzeichnet den in allen praktischen
Dingen stets das naturgemäß Richtige treffen-
den Sinn Karls des Großen, daß er des öfteren
die auf der Jagd gewonnenen Felle des Wildes
den Klöstern mit der Weisung überwies, die-
selben zum Einbinden der heiligen Bücher zu
verwenden. Trotzdem mußten erst Jahrhunderte
vergehen, ehe das Leder auf diesem Gebiete
zn seinem vollen Rechte gelangte. Man hatte
wohl die praktische Brauchbarkeit dieses Mate-
riales erkannt, seine Eigenschaften die es be-
fähigten, einen Schmuck abzngeben, dagegen
anßer acht gelassen. Nur die Bücher des ge-
wöhnlichen Bedarfes wnrden in Leder gebunden,
svbald es aber darauf ankam, die schützende Hülle
znglcich zu einer schmückenden zu gestalten, über-
ließ man die Herstellnng des Einbands der
KstinstdesGoldschmiedes, dernun anch seine ganze
Kraft einsetzte, es dem geschickten und fleißigen
Mvnche gleich zu thun, aus dessen Hand das
sauber geschriebene und mit feinen Jnitialen
und Miniatnrmalereien verzierte Buch hervor-
gegaugen war. — Das Leder kam selbst dann
nicht in Gebrauch, als durch die Kreuzzüge
dem Abendlande die Schatzkammern des Orients
gcöffnet wurden und mit so vielem Neueu auch
stattlich verzierte Lederarbeiten nach dem Abend-
lande gelangten, die zur Nachahmnng anregten,
und auch bcwirktcn, daß zahlreiche Gegenstände
Kunstgewerbeblatt. III.

des täglichen Gebrauches wie Möbel, Koffer,
Waffen, Messerschciden und anderes mit Leder-
zierat versehen wurden. Ein interessantes Bei-
spiel von Lederplastik dieser Zeit ist die Scheide
des sogenannten Jagdmessers Karls des Großen
in der Pfalzkapelle zu Aachen mit der eigentüin-
lichen Inschrift ltVRSrSIM N8(6)

(s. Bock, Fr., Karls des Großen Pfalzkapelle
und ihre Kunstschätze 1865 S. 45 — 48). So
lange es nur die Kirche war, für welche Bücher
hergestellt wurden, konnte der Einband der
Pracht und des Glanzes nicht entbehren, da
die auf den Altären und Pulten zur Schau lie-
genden Bände mit der reichen und bunteu Um-
gebung harmoniren nmßten. Erst als mit dem
Erwachen des bürgerlicheu Geistes das wachscude
Jnteresse an litterarischen Erzeugnissen dem
Buche auch in Laienkreiseu eiuen Platz vcr-
schaffte, legte dieses sein Prachtgewand ab nnd
bekleidete sich mit dem natürlich sich darbieten-
den Stoffe, dem Leder, auch da wo es galt,
die äußere Hülle dcm inneren Wert entsprechend
auszubilden. Man setzte jetzt eine Ehre darein,
eine solche Entsprechnng nicht durch Kostbarkeit
des Materials, sondern durch eine möglichst
vollkommene Behandlung des einfacheren Stofses
zn erzielen. Stehen auch die in der Folge ge-
schasfenen Werke an realem Wert gegeu die frü-
heren bedeutend zurück, so branchen sie in tech-
nischer vder künstlerischer Hinsicht den Verglcich
mit jenen nicht zu scheucn, ja sind fiir unser
künstlerisches Empfinden vielmehr Vvn ungleich
größerem Interessc. Stcts wcrden wir uns

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