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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 3.1887

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Luthmer, Ferdinand: Zwei Figuren von Wenzel Jamnitzer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4106#0106

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Geätztes Ornament von der Lippe des Daphnebechers.

Zwei Kguren von U)enzel Zannntzer.

von Ferdinand Luthiner.

Mt Abbildungen.

Zwei in Silber getriebenen Figuren von
der Hand Wenzel Jamnitzers möchte ich hier
eine kurze Erwähnung in dem Augenblick wid-
men, da dieselben — voraussichtlich für immer
— Deutschland verlassen. Dieselben gehörten
zu der „Günthersburg-Sammlung" des ver-
storbenen Freiherrn Karl von Rothschild und
entfielen bei der Berteiluug dieser Sammlung
auf das Los der in Paris wohnhaften ältesten
Tochter des Erblassers, der Baronin Salomon
von Rothschild.

Die erste Figur stellt eine Daphue dar.
Der Körper teilt sich am Gürtel, und der
untere Teil bildet einen Trinkbecher, wie die
hohe Lippe beweist, welche in den Oberkörper
der Figur hineinreicht. Diese Lippe ist mit
sehr schönem geätzten Ornament verziert (siehe
Kopfleiste) und trägt den bekannten Jamnitzer-
Stempel, deu Löwenkopf von vorn mit darüber-
gesetztem und das Nürnberger N. Eine
Wiederholung dieses Stempels findet sich unter
dem kreisrunden Sockel. Die Figur charakteri-
sirt sich als Daphne dadurch, daß die erhobenen
Arme und derKopf inZweige von roten Korallen
auswachsen; letztere sind stark beschädigt—kleine
mit Türkisen besetzte silberne Ringe, welche sich
häufig angewendet finden, können ebensowohl
Reparatureu von Bruchstellen als auch ur-
sprüngliche Verzierung sein. Einzelne silberne,
grün bemalte Blättchen, die sich noch an dem
Kopf der Figur und an einigen Spitzen der
Korallen finden, gestatten den Schluß, daß
früher das ganze Korallengeäst als Lorbeer-
zweige gebildet war. Die Figur ist in antiker
Gewandung dargestellt. Den Halssaum und
die Ärmellöcher, aus welchen kurze, gepuffte
Unterärmel hervorquellen, begleitet eine mit

Knöpfen oder Steinen besetzte Bortc. Jn
gleicher Weise ist der Gürtel besetzt, unter dessen
verziertem Schloß eine höchst graziös gezeich-
nete Spange (s. die etwa dreimalige Ver-
größerung am Fuße des Aufsatzes) zwei über
die Hüften gelegte Stoffwulste zusammenhält.
Am vorderen Brustschluß des Kleides, sowie an
der Stelle, wo sich das Gewand über dem halb-
entblößten rechten Beine teilt, siud Engelsköpf-
chen angebracht. Die Figur steht mit unbe-
kleideten Füßen auf einem kreisrunden Sockel,
der mit kleinen Stückchen von Erzstufen belegt
ist. Es muß unentschieden bleiben, ob diese
Anwendung von Mineralien auf die Be-
stimmung des Bechers für irgend eine berg-
männische Körperschaft zu deuten ist, oder ob
der Künstler durch diese, seiner Zeit durchaus
geläufige Einfügung von natürlichem Gestein
auf die Herkunft der Daphne als Tochter der
Gäa anspielen wollte. Die Hohlkehle des Sockels
trägt abwechselnd geflügelte Engelsköpfchen und
Löwenmasken. Mit Ausnahme der Fleischteile
ist das Ganze vergoldet. Die Höhe bis zum
Scheitel der Figur beträgt 0,41, bis zur Spitze
der Korallen 0,67 m.

Ganz augenscheinlich ist die Verwandt-
schast in der Bewegung und demKostüm zwischen
dieser Figur und der „Mutter Erde", welche den
Merkelschen Aufsatz trägt. Welcher Uuterschied
aber zwischen diesen beiden Figuren! Kaum
sollte man sie für das Werk eines Meisters
halten. Daß der Vergleich entschieden zu Gun-
sten der „Daphne" ausfällt, lehrt ein Neben-
einanderstellen der beiden Abbildungen (s. „Der
Schatz desFreiherruKarl v. Rothschild". Frank-
furt, Keller. II. Tafel 1) auf den ersteu Blick.
Die maßvolle Ruhe der Bewegung, der edle
 
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